Montag, 11. März 2024

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Gerokreuz. Köln

2024 Predigt Manresa Hamburg, Vierter Fastensonntag B 

Les: 2Chr 36,14-16.19-23; Eph 2,4-10; Joh 3,14-21

Das Evangelium des heutigen Sonntags, aus dem dritten Kapitel bei Johannes, ist der zweite Teil der Erzählung von der Begegnung von Jesus mit Nikodemus, mit der uns Johannes die Sendung Jesu erklären möchte. 

Worum geht es in dem Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus? Nikodemus war ein führender Mann unter den Juden. Der suchte Jesus in Jerusalem bei Nacht auf, und fragte ihn, wer Jesus denn eigentlich sei. Ein Lehrer, von Gott gekommen? Einer, der Zeichen tut? Ein Prophet? Wer bist Du?

Die Antwort von Jesus ist merkwürdig, denn Jesus redet zu Nikodemus über das „neu geboren werden“. Er sagt, dass man von oben oder von neuem geboren werden müsse, um das Reich Gottes zu sehen, nämlich aus Wasser und Geist. Im Grunde sagt er: Nikodemus, das Reich Gottes kannst Du nur sehen, wenn Du Dich nicht nur für meine Botschaft interessierst, sondern wenn Du Dich mit Deinem ganzen Leben darauf einlässt und bereit bist, verwandelt zu werden, ein neuer Mensch zu werden. Wenn Du bereit bist, Dich taufen zu lassen!

Jesus redet hier im Johannes-Evangelium über das, was wir unter der christlichen Taufe verstehen. Doch die gab es damals, als dieses Gespräch stattgefunden haben könnte, noch gar nicht. Der Evangelist Johannes nutzt die Erfahrung der Taufe, um seiner christlichen Gemeinde zu erklären, was die Sendung Jesu ist. Das ist nicht historisch korrekt, aber sehr aufschlussreich.

Ich stelle mir das ungefähr so vor: Es gibt hier sichtbar zwei Stühle. Dort sitzen Nikodemus und Jesus und sprechen miteinander. Und dahinter, wie auf einer zweiten Bühne, sind ganz viele Stühle: je einer für uns und einer für das Evangelium. Was vorne gesprochen wird, hat eine übertragene Bedeutung für uns, die Zuhörer:innen. Das wird an dieser Stelle besonders schön deutlich. 


Was ist die Taufe? 

Die Taufe ist der Weg aus dem Reich des Todes in das Leben; das Tor in die Kirche und der Beginn einer neuen Dimension von Gemeinschaft mit Gott (vgl. KKK 1213). In der Taufe geschieht die Vergebung der Sünden, d.h. der eigenen Schuld und der Schuldgeschichte, in die wir hineingestellt sind. In der Taufe stirbt der Sünder; es stirbt der alte Mensch, und es wird ein neuer Mensch. In der Taufe erhalten wir Anteil an Tod und Auferstehung Jesu. Es ist eine radikale Verwandlung des Menschen, die im Glauben geschieht, wenn wir aus Wasser und Geist neu geboren werden. 

Manche erleben die Taufe als Erwachsene, sehr bewusst, und ich freue mich, dass wir hier am Kleinen Michel immer wieder Menschen zur Taufe begleiten. Andere sind als Kind getauft worden und sind sich manchmal der Gnade, die sie geschenkt bekamen, nicht bewusst; ich selbst wurde als Kind getauft und darf mich immer wieder daran erinnern und es wahrnehmen.

Woher die Menschen kommen, die getauft werden, welche Geschichte sie haben, was sie an Erfahrungen mitbringen, das ist so verschieden, wie es Menschen gibt. Wir wissen es nicht und brauchen es nicht zu wissen. Und wohin Menschen gehen, die getauft werden, was Gott mit ihnen vorhat, ob sie auf sein Wort hören, ihm folgen, welche Geschichte sie in dieser Welt schreiben werden: Wir wissen es nicht und brauchen es nicht zu wissen. Es gibt immer wieder ein Scheitern und Umwege. Aber es gab diesen einen Moment, der alles andere verwandelt und neu gemacht hat. 


Was ist die Sendung Jesu?

Jesus ist für uns der Weg aus dem Reich des Todes in das Reich des Lebens. Er ist das Haupt, der Kirche, und durch ihn haben wir Gemeinschaft mit Gott. Der Grund der Sendung Jesu liegt in der Liebe Gottes zu dieser Welt und zu den Menschen, die er in Freiheit geschaffen hat. Eine Freiheit schafft andere Freiheiten aus Liebe. Gott möchte diesen Menschen, die er geschaffen hat, den Weg zum Leben zeigen. So gab er seinen Sohn in ihre Hände. Sie brachten ihn um, aber Gott straft durch dieses Geschehen nicht die Welt und die Menschen, sondern er rettet sie.

Denn es gab diesen einen Moment in der Geschichte, der alles andere verwandelt und neu macht. Manche glauben das und finden den Weg zum Leben. Andere glauben das nicht und finden ihn nicht. Die Liebe Gottes in Jesus ist für uns herausfordernd, weil es unsere Stellungnahme braucht. Wir können vor Jesus nicht in different bleiben.

Was Johannes uns heute durch Jesus und sein Gespräch mit Nikodemus sagt, ist vielleicht dies: Erlösung ist geschehen, ein für alle Mal und für alle Menschen, damals vor 2000 Jahren in Jerusalem, denn dort ist die Liebe offenbar geworden. Erlösung ist geschehen, ein für alle Mal und für dich persönlich in deiner Taufe und Firmung, denn seitdem kannst du das Reich Gottes sehen. Hab‘ keine Angst, es gibt Scheitern, Umwege, Missverständnisse. Aber Gott rettet. Er wirkt weiterhin in deinem Leben.

Im Grunde ist das doch das Geheimnis und die Spannung der Fastenzeit. Warum sollen wir Busse tun und uns auf Ostern vorbereiten, wenn die Auferstehung Jesu vor 2000 Jahren schon geschehen ist? Ostern: Das war vor 2000 Jahren, was können wir daran noch ändern? Erlösung ist ein für alle Mal geschehen, was sollen wir daran noch tun? 

Wir können sie immer neu wahrnehmen, in unserem Leben. Wir können umkehren in dem Sinne, dass wir diese Gnaden neu wahrnehmen und entsprechend leben. Einerseits wissen wir, dass wir nicht tiefer fallen können als in Gottes Hände. Und andererseits wissen wir genauso, dass wir noch einen Weg vor uns haben, dass wir immer wieder fallen und nicht perfekt sind, und unsere Fehler haben. Aber das ist nicht schlimm! Die neue Dimension in unserem Leben ist da, in dieser Spannung können wir aufrecht und aufrichtig gehen an deiner Seite Jesu. 

Nikodemus hat das nur halb verstanden, weil er „Jesus nur mit halbem Herzen liebte.“ (Gregor von Nazianz, aus der „Rede über die Liebe zu den Armen“). Lieben wir von ganzem Herzen! Amen.