Montag, 8. November 2021

Mit leeren Händen

 Predigt Manresa 2021 – Die Haltung der leeren Hände (Armut und Reichtum im Glauben)

Im Zentrum des Evangeliums steht eine Frau, die auf Gott vertraut. Sie wird uns als Vorbild eines lebendigen, mutigen Glaubens präsentiert. Sie traut Gott etwas zu. 

Liebe Geschwister im Glauben!

Das Evangelium von der armen Witwe gehört für mich zu den schwierigen Teilen der Verkündigung Jesu. Denn es ist objektiv falsch zu sagen, die Witwe habe mehr in den Opferkasten hinein geworfen als alle anderen, wenn viele Reiche viel gaben, und sie nur zwei Münzen. Gesellschaftspolitisch gesehen ist der Text noch problematischer. Denn es ist doch besser, dass die Reichen etwas für andere von ihrem Überfluss geben, als dass die Armen noch das wenige hergeben, was sie besitzen. Denn dann haben sie doch gar nichts mehr!

In meiner Jugend bin ich mit anderen gegen die Armut auf die Straße gegangen. Beim sogenannten Hungermarsch, eine Wanderung gegen den weltweiten Hunger, haben wir gegen die Armut demonstriert, gegen den Tod von Tausenden von Kindern aufgrund von mangelnder Ernährung oder Gesundheitsfürsorge. Die weltweite Armut und der Hunger von Millionen von Menschen sind, so glaube ich auch heute noch, ein Skandal. In Deutschland werden jährlich fast 13 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, weil sie nicht benötigt werden - und in anderen Teilen der Welt sterben Menschen an Hunger. Wenn jeder gibt, was er hat so werden alle satt, so haben wir damals gesungen. Ich glaube, dass stimmt auch heute.

Armut, d.h. ein Mangel an materiellen Gütern und Lebensmöglichkeiten, vor allem die Armut von einigen wenigen im Land im Vergleich zu den Reichen, zeugt von Ungerechtigkeit und von fehlender soziale Unterstützung in einer Gesellschaft. Sie ist nicht von Gott gewollt. Im Gegenteil. Die Güter der Schöpfung sind von Gott allen Menschen anvertraut und es ist grundsätzlich genug für alle da. Sorge für die Armen wird schon im Alten Testament zur Aufgabe der Gerechtigkeit für diejenigen, die Gott suchen. 

In Bezug auf die weltweite Armut hat das Handeln im Evangelium keinen Vorbildcharakter, wenn die Armen ihren ganzen Besitz hergeben, die Reichen aber nur von ihrem Überfluss. Was aber möchte uns diese Erzählung sagen? Geht es Jesus vielleicht nicht um die messbare Größe der Gabe geht, sondern um die innere Haltung des Menschen?

Ausgangspunkt seiner Erzählung ist eine menschliche Erfahrung, die auch ich schon mehrfach machen durfte, dass tatsächlich häufig die Reichen spenden und mildtätig sind, in vielen Dingen des Lebens aber kleinlich bleiben. Und dass die Armen nicht selten großzügig und gastfreundlich sind und sich durch die Not von anderen berühren lassen, mehr als die Reichen. 


Großzügige Gastfreundschaft in Mexiko (2019)

Dahinter verbirgt sich eine Dynamik, auf die Jesus hinweisen können möchte, die ich als „Hingabe an Gottes Vorsehung“ bezeichne. Der Glaube an Gott, der sich in Jesus Christus als „für den Menschen unbedingt entschiedene Liebe“ gezeigt hat, führt zu einem Trauen auf seinen sorgendes und leitendes Wirken in meinem Leben. Gott ist gegenwärtig durch seinen Heiligen Geist, in seinen Gläubigen und in seiner Kirche. Er ist im Jetzt, in jedem Moment meines Lebens, liebevoll anwesend. 

Das spüre und merke ich allerdings nur selten, weil ich mit vielen Gedanken beschäftigt bin: Mit der Sorge um mein Ansehen und meine Ehre, mit der Sorge um meine Zukunft, mit der Sorge um mein Auskommen, in der Sorge um meine täglichen Bedürfnisse. Die Sorge um sich selbst ist natürlich, aber sie führt uns nicht weiter. Wir bemerken das oft bei anderen, selten bei uns. Sie kennen den Spruch vielleicht: „Jeder denkt an sich, nur ich, ich denk an mich.“ Das begegnet uns nicht selten, oder?

Jesus will seine Jüngerinnen und Jünger in eine andere, eine neue Weise des Zusammenlebens führen. Am letzten Sonntag haben wir die zentrale Botschaft vom Doppelgebot der Liebe gehört: „Gott lieben und den Nächsten wie sich selbst“ (Mk 12,30-31). Das ist die Grundhaltung für das Reich Gottes: Den Egoismus überwinden. Heute wird dieser Gedanke weitergeführt mit der Frage: Soll ich in dieser Liebe denn wirklich alles geben? Auch wenn ich dann nichts mehr für mich habe? Wenn ich dann selbst mit leeren Händen dastehen? Wenn ich damit selbst zu einem Bettler werde? 

Die Antwort Jesu an seine Jünger ist klar und eindeutig: Ja! Die leeren Hände sind ein Zeichen dafür, dass ich jeden Tag alles neu von Gott erwarte. Die Orden, insbesondere die Bettelorden, haben diesen Anspruch Jesu prophetisch aufgenommen. Auch wir Jesuiten geloben vor dem Herrn „immerwährende Armut in der Nachfolge Christi“ (Satzungen 527), der reich war und sich für uns arm gemacht hat. Ob wir das als Jesuiten immer so leben, darüber sollen und werden wir im kommenden Jahr besonders nachdenken. Die letzte Generalkongregation des Ordens hat uns dazu verpflichtet. 

Der Lebensstil Jesu ist prophetisch, gerade für unsere Zeit, in der Konsum und Besitz scheinbar alles ist, und in der uns bewusst wird, dass es so nicht weitergeht. Prophetisch: Denn, wer die Familie aufgibt, sagt, dass er einen anderen, himmlischen Vater hat - und eine neue Familie in der Gemeinschaft der Heiligen. Wer auf die Ehe verzichtet, zeigt, dass er eine Leerstelle in seinem Leben lässt und glaubt, dass Gott sie in Liebe füllen wird. Wer freiwillig auf Besitz verzichtet und arm lebt zeigt, dass die Hingabe Gottes so erfüllend ist, dass er keine Absicherung durch materielle Güter mehr anderes braucht.

Die Lebensweise der Armut ist für die Jesuiten, so schreibt Ignatius in den Satzungen, „Mutter“ und „Mauer“ (Satzungen 287 und 553). Mauer, denn sie schützt vor der Versuchung der Absicherung, des Egoismus des Besitzes, der Überheblichkeit des Reichtums. Und sie ist Mutter, denn sie schenkt neues Leben, sie gebiert eine Haltung der Offenheit und der Bedürftigkeit, des Angewiesensein auf andere, in denen uns Gott begegnen kann.

Das zeigt: Es geht bei der freiwilligen Armut nicht nur um die Jesuiten oder die Bettelorden. Nicht jeder wird freiwillig arm leben können und wollen, aber die geistliche Haltung, die Jesus vermitteln möchte, ist etwas für jeden Jünger und jede Jüngerin: Die Lebensweise der leeren Hände. 

Verzicht hört sich an, als würde uns etwas weggenommen - wie ein Kind, das bestraft wird und auf sein Spielzeug verzichten muss. Tatsächlich aber erzählen mir viele Menschen, die geistlich leben und ihr Handeln nach dem Evangelium ausrichten, dass sie nicht selten eine Leere in sich spüren. Die Tendenz ist dann, diese Leere irgendwie zu füllen: Mit Aktivitäten, mit Filmen, mit Vergnügen, mit Essen, mit Trinken, mit Aktivismus, was auch immer. Geistlich Leben hat immer etwas mit der Erfahrung von Leere, von Bedürftigkeit zu tun. Es gibt eine Leerstelle in unserem Herzen. Und wenn wir selbst sie zu füllen suchen - und sei es geistlich durch eine besondere Meditationspraxis oder eine spezielle Buße oder besondere Taten oder was auch immer - so wird es nicht gehen. Es braucht die Erwartung und das Betteln, die Bitte, dass Gott füllen möge. Die Leere von Gott füllen lassen. Gott brauch die Leere in uns, diesen Platz, den wir ihm freihalten. Wie sollte er sonst in unser Leben hinein kommen?

Diese Leere ist geistlich – aber sie hat auch mit Äußerlichkeiten zu tun. Wenn wir unser Leben vollkommen verplanen und schon einen Kalender für 2023 führen, wie soll Gott dann noch dazwischen kommen? Wie soll uns ein Geist führen, wenn schon alles verplant und abgesichert ist? 

Christliche Spiritualität ist eine Spiritualität der Hingabe und der leeren, der offenen Hände. Wir lassen uns führen und beschenken von Gott in jedem Moment unseres Lebens, weil wir auf seine Vorsehung vertrauen. Amen. 

----

Papst Franziskus schreibt in seiner Enzyklika „Laudato si“ am Schluss:  „Am Ende werden wir der unendlichen Schönheit Gottes von Angesicht zu Angesicht begegnen und können mit seliger Bewunderung das Geheimnis des Universums verstehen, das mit uns an der Fülle ohne Ende teilhaben wird. … Das ewige Leben wird ein miteinander erlebtes Staunen sein, wo jedes Geschöpf in leuchtender Verklärung seinen Platz einnehmen und etwas haben wird, um es den endgültig befreiten Armen zu bringen.“ (LS 243)

„Von den Armen können wir lernen, dass uns das Wesentliche geschenkt wird und wir uns das Leben nicht verdienen können. Jesus preist die Armen glücklich, weil sie offen sind für das Reich Gottes. Sie fühlen sich angewiesen auf Gottes Gnade. Reichtum kann dazu führen, dass wir uns hinter unserer Maske verschanzen und uns Gott gegenüber verschließen. Wir können von den Armen lernen, das Leben zu genießen. Wenn Arme feiern, dann geben sie alles her, was sie gerade haben.“ (Anselm Grün)

„Vielleicht kenne ich Gott überhaupt noch nicht; vielleicht habe ich ihm nie Einlass in mein Inneres gewährt, damit er mir mein wahres Ich und mein Selbstverständnis geben konnte. Aber wenn ich Gott nach Gottes Maßstäben entdecke, dann werde ich imstande sein, mich von meinen eigenen Ängsten und Sorgen zu lösen und mich ihm auszuliefern, ohne mich vor den Schmerzen und Leiden zu fürchten, die das zur Folge haben könnte. Ich verstehe das jetzt - aber wann wird Gott endlich alle meine Abwehrstellungen durchbrechen, damit ich das nicht nur mit Verstand, sondern auch mit meinem Herzen erkenne und vollziehe?“ (Henri J. M. Nouwen)


Sonntag, 1. August 2021

Ressourcen



Predigt 1.8.21 Manresa Hamburg 19 Uhr 

Wir sollen auf unseren Ressourcen achten! 

Das gilt im persönlichen Bereich: Die vergangenen Monate im Ausnahmezustand haben viele Menschen an die Grenzen ihrer Ressourcen gebracht: finanziell, materiell, aber auch innerlich. Die immer wieder neuen Einschränkungen und angstmachenden Botschaften sind Kräfte raubend. Jetzt genießen wir den Sommer und die neuen Möglichkeiten, uns mit Freunden zu treffen und den Tagen wieder mehr Rhythmus zu geben zwischen Alltag und Fest – und gerade dann spüren wir, wie sehr die Unsicherheit und die Erfahrung der Verletzbarkeit an unseren inneren Ressourcen zehrt. Wir wollen die Dinge gut tun und können nicht alles – wir spüren, wir sollten mehr auf unsere Ressourcen achten!

Eine erfolgreiche Tennisspielerin, Naomi Osaka, hat sich bei den French Open überraschen aus dem Profisport zurückgezogen, um mehr auf ihre psychische Gesundheit zu achten. Sie leidet an Depressionen und hat bemerkt, dass die Pressekonferenzen und der Erfolgsdruck der Tennisindustrie ihr schaden. Sie will mehr auf ihre Ressourcen achten.

Das gilt auch im gesellschaftlichen Bereich: Vor drei Tagen meldeten die Nachrichten den Weltüberlastungstag, d.h. jenem Tag im Jahr, an dem die nachhaltig erneuerbaren Ressourcen der Erde für dieses Jahr aufgebraucht sind. Von jetzt an leben wir auf Kosten der nächsten Generationen. Dieser Tag wandert immer mehr nach vorne, die Corona-Krise hat nur eine leichte Verschiebung gebracht. Die ganze Klimadiskussion läuft im Grund darauf hinaus: Wir sollten mehr auf die Ressourcen achten! Das hat inzwischen jede und jeder verstanden – ob es dann getan wird, ist eine andere Sache.

Das gilt schließlich auch im geistlichen Bereich: Wir sollen auf unsere Ressourcen achten. Auch im spirituellen Leben gibt es bestimmte Ressourcen, die notwendig sind bzw. die möglicherweise fehlen: Zeit, Vertrauen, Gebet, Hoffnung, gute Erlebnisse, Stille, Unterstützung von anderen, Impulse, eine Gemeinschaft, etc. 

Der Glaube allerdings weist uns auf eine andere Dimension hin. Es geht im geistlichen Leben nicht nur um die Achtsamkeit für die Ressourcen, sondern es geht auch um die Sehnsucht und das, worauf sie hindeutet. Der Glaube lenkt Blick von den „Ressourcen“ hin zur den „Quellen“ bzw. zu der Quelle (frz. "source"), aus der wir leben und aus der die Ressourcen eigentlich kommen. Das ist das Neue, das der Glaube bringt.

Und es ist interessanterweise gerade die Erfahrung des Mangels und der Krise, die uns dabei hilft. Der Mangel selbst eröffnet eine spirituelle Dimension. Wenn uns etwas fehlt, werden wir unserer Bedürftigkeit bewusst. Und wir werden unweigerlich vor die Frage gestellt: Was fehlt uns eigentlich?

Das haben die Israeliten in der Wüste erfahren. Das Volk ist schon seit mehreren Monaten unterwegs in der Wüste. Das ist zweifelsohne ein Ausnahmezustand, ein Krisenmodus. Ihre leiblichen Bedürfnisse werden nicht ausreichend gestillt - und die erhoffte Freiheit stellt sich auch nicht ein. Der Weg wird mühsam und viele sehnen sich nach früheren Zeiten zurück. Sie wollen zurück zu „Normal“, zu den Fleischtöpfen Ägyptens. Das verursacht einen Streit unter den Israeliten und sie klagen ihre politischen Führer an. Die Krise stellt sie vor grundlegende Fragen nach dem Sinn des ganzen Unternehmens, ob es noch Hoffnung gibt. Sie fühlen sich ausgeliefert und konfrontiert mit ihrer eigenen Verwundbarkeit. Sie stellen Gott auf die Probe und fragen: Ist er wirklich für uns und mit uns, ja oder nein? 

Gott hört das Murren der Israeliten. Am Abend finden sie Wachteln, am Morgen ist der Boden mit einem süßen Tau bedeckt, etwas Feines, Knuspriges, Nahrhaftes – das die Israeliten auf ihrem ganzen Weg durch die Wüste ernähren wird. Sie nennen es „Manna“, d.h. „Was ist das?“. Ich höre daraus die Frage: Was ist das, was uns eigentlich fehlt? Was ist das, was uns eigentlich nährt? Was ist das eigentlich, was mir Leben schenkt – jenseits meiner Ressourcen? 

Das Evangelium nimmt diesen Gedanken auf. Christus spricht zu den Menschen, die ihn suchen und weist sie auf eine andere Dimension hin. Die Menschen suchen Jesus in Kafarnaum, „weil sie von den Broten gegessen haben.“ Sie haben bei Jesus eine Nahrung für ihren Geist und für ihren Leib gefunden, sie sind wirklich seit langem einmal wieder satt geworden – und es ist nur zu verständlich, dass sie Jesus nachgehen und ihn suchen. Er aber ermahnt sie: Es geht im geistlichen Leben nicht nur um die Ressourcen, sondern ebenso um die Zeichen. Sie sollen sich nicht für die Ressourcen abmühen, sondern in sich selbst den Hunger und die Sehnsucht nach dem ewigen Leben entdecken, denn daher kommt die Orientierung. 

Ein Zeichen ist etwas, das es wirklich gibt – das aber auf etwas anderes hindeutet, das es noch nicht gibt, oder jedenfalls nicht hier und jetzt gibt. Es ist dort, wo ich jetzt noch nicht bin. Und das Zeichen Jesu ist nicht ein Zeichen, damit wir Jesus glauben („er sagt richtige Dinge, ich kann ihm glauben“), sondern ein Zeichen, damit wir „an ihn glauben“ – weil er von Gott gesandt ist.

Ist mein Glaube eine Ressource unter anderen, die zum Leben hilft, die Trost spendet, die Orientierung und Werte vorgibt, etc.? Oder ist mein Glaube etwas, das mir hilft, mich mit den Ressourcen gerade nicht zufrieden zu geben, sondern zur Quelle zu gehen, aus der das Leben fließt?

Nicht, dass wir die Quelle schon erreicht hätten oder dass wir sie jemals zu fassen bekämen. Wir können sie nicht kanalisieren für unsere Bedürfnisse und Zwecke. Aber wir haben eine Sehnsucht in uns nach dieser Quelle, einen Durst nach dem lebendigen Gott, wir erwarten „sein Kommen in Herrlichkeit“. Das Leben besteht darin, zu hoffen und sich überraschen zu lassen, ohne das Leben besitzen zu können, weil es geschenkt ist.

Zeichen gibt es genug: Wir haben entdeckt, dass unsere Planungen sich verändern, dass wir unsere Zeit nicht bis ins letzte verplanen und kontrollieren können. Wir haben erkannt, dass Gesundheit kein Menschenrecht ist – eine gute Gesundheitsversorgung dagegen schon. Wir erfahren, wie sehr wir Solidarität brauchen und nur gemeinsam etwas erreichen können. Wir werden mit dem Tod konfrontiert und lernen ihn als Teil des Lebens anzunehmen. Wir erleben, wie gut es uns tut, neues Leben wachsen zu sehen, uns miteinander zu freuen, für andere da zu sein. Und vor allem spüren wir, wie sehr wir Menschen brauchen, die selbst aus der Quelle leben und Frieden ausstrahlen.

Also: Von einer Religion aufgrund von Bedürfnissen hin zu einem Glauben aufgrund von Hoffnung. Zugegeben, das ist nicht leicht: Der Glaube fordert uns da einiges ab. Denn diese Lebensform der Sehnsucht und der Bedürftigkeit ist mit einem inneren Ringen verbunden, vielleicht auch mit einem inneren Kampf. Davon spricht Paulus an verschiedenen Stellen – und so haben wir es heute auch im Epheserbrief gehört: Legt den alten Menschen des früheren Lebenswandels ab, der sich in den Begierden des Trugs zugrunde richtet, und lasst euch erneuern durch den Geist in eurem Denken!“ (Eph 4,22-23) 

Hoffentlich können wir lernen, mit einem Mangel zu leben! Und vielleicht können Sie sich in der nächsten Woche einmal fragen, wenn Sie Hunger haben (leiblichen oder geistigen Hunger): Was ist das? Was ist das, wonach ich mich eigentlich sehne? Was ist das, was mir Leben schenkt? Amen.

Predigt inspiriert von dem Brief von Christoph Theobald an alle, denen der christliche Glaube nicht egal ist, Paris 2021 (vgl. https://centresevres.com/publication/et-le-peuple-eut-soif-lettre-a-celles-et-ceux-qui-ne-sont-pas-indifferents-a-lavenir-de-la-tradition-chretienne/)

Sonntag, 11. Juli 2021

Urlaub


Urlaub mit leichtem Gepäck

15. Sonntag im Jahreskreis B - Predigt, Eckenförde 9.30 Uhr

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn man in Urlaub fährt, stellt sich jedes Mal die Frage: Was packe ich ein? Was brauche ich? Was brauche ich nicht? Was kann ich zu Hause lassen? Was nehme ich mit in den Urlaub?

Wir können stets nur eine begrenzte Anzahl von Kleidungsstücken, Büchern, technischen Geräten und so weiter mitnehmen - und ich behaupte gerade in dieser Begrenzung liegt ein wesentlicher Faktor der Erholung. Sicherlich gibt es viele andere Dinge, die einen erholsamen Urlaub ausmachen: ein schöner Ort, Natur, nette Menschen, genügend Zeit, Freiheit von Verpflichtungen, vielleicht auch Kultur und interessante Begegnungen, aber für mich eben auch sehr wesentlich die Begrenzung und die Einfachheit. Schon von Jugend an war das so: Wenn wir mit den Pfadfindern mit dem Rucksack oder Zelt losgezogen sind; jedes Gramm zu viel hat die Tour anstrengend gemacht. Im Urlaub verzichte ich auf etwas, manchmal müssen wir dann improvisieren oder vermissen gewisse Gegenstände, die hilfreich wären, aber wir gewinnen an Freiheit. 

Im heutigen Evangelium wird die Aussendung der zwölf der engsten Freunde Jesu erzählt. Jesus zieht durch Galiläa und sendet sie aus. Dabei sollen sie alles mitnehmen, was nötig ist: Kleidung, Sandalen, einen Wanderstock. Aber sie sollen nichts nehmen, was nicht unbedingt notwendig ist: Kein Geld, keine Wechselkleidung. Denn sie sollen darauf hoffen, dass sie gastfreundlich aufgenommen werden.

Was es dafür braucht, ist eine gewisse Haltung der Einfachheit und der Bescheidenheit, das heißt: kein Machtgehabe, kein persönlicher Reichtum und kein Wunsch durch besonderes Auftreten Eindruck zu erwecken. Die Botschafter Christi haben keine andere Visitenkarte als die Autorität desjenigen, von dem sie gesandt sind; und ihre Verfügbarkeit. Seinem Geist sollen sie folgen, und nicht auf menschliche Mittel ihre Hoffnung setzen. Was sie auszeichnet, ist ihre Fähigkeit, Gutes zu tun. 

Sie begegnen den Menschen dort, wo sie in ihrem tiefsten Inneren verletzt und bedrückt sind. Sie schenken Hoffnung, sie treiben Dämonen aus, sie heilen Kranke. Die Begegnung mit den Menschen geschieht in völliger Freiheit: in freimachender Einfachheit. Sie öffnen Türen nicht mit Gewalt. Jeder darf sich für oder gegen sie entscheiden. Diese Freiheit hängt mit der Einfachheit zusammen, mit der Armut der Mittel mit, mit denen Sie unterwegs sind.

Diese Spannung gilt es zu entdecken: die Spannung zwischen der Armut der Einfachheit bzw. der selbstgewählten Mittellosigkeit auf der einen Seite - und der Fülle und dem Reichtum, der damit einhergeht. Von uns selbst heraus tendieren wir dazu, immer mehr haben zu wollen. Die Würde des Menschen kommt aber nicht im Haben zu Erfüllung, sondern in der Bedürftigkeit werden wir zu Geschwistern.

Wir wissen es schon lange: der Konsum allein schafft nicht das Glück! Das wird uns im Blick auf die Frage nach der Schöpfung und der Gerechtigkeit immer mehr klar. Doch wie schwer fällt es uns unseren Lebensstil zu verändern!? „Das Glück erfordert, dass wir verstehen, einige Bedürfnisse, die uns betäuben, einzuschränken, und so ansprechbar zu bleiben für die vielen Möglichkeiten, die das Leben bietet.“ (Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato si, Nr. 223)

In der Bedürftigkeit der Apostel will Gott den Menschen nahe sein. In der Bedürftigkeit werden wir zu Geschwistern, denn es gehört zum Glück, füreinander da zu sein. Gerade in dem die Apostel als Gesandte Jesu nichts haben außer dem Nötigsten, werden sie sich werden sie frei, sich beschenken zu lassen. Diese Erfahrung habe ich als Jesuit schon so oft gemacht, dass gerade da, wo ich selbst auf die Hilfe von anderen angewiesen bin, ich etwas von Gottes Liebe und Nähe und seiner heilvollen Botschaft weitergeben kann. 

Und schließlich noch ein weiterer wichtiger Gedanke, warum wir in der Genügsamkeit und Demut das Leben finden. Er wird in der heutigen Lesung aus dem Epheser-Brief angesprochen: weil so deutlich wird, dass wir in Jesus Christus die Fülle des Lebens schon geschenkt bekommen haben. 

  • Wir sind als geliebte Tochter und geliebter Sohn von Anfang an durch Gott erwählt.
  • Jede und jeder einzelne von uns ist aus Liebe durch Christus dazu bestimmt, zu ihm zu gehören, das heißt wir sind gesegnet durch seine Erlösung an der Fülle des Lebens teilzuhaben.
  • der Geist, den wir erhalten haben, ist schon der erste Anteil. 

Also: Wir haben schon die Fülle erhalten! Wir haben alles, was wir brauchen verbunden – und noch so viel mehr mit Christus, dessen Namen wir im Herzen tragen! Das ist der Grund, warum wir uns in unserem Leben nicht mit überflüssigen Dingen belasten müssen und in Freiheit und Einfachheit der Kinder Gottes leben dürfen. Amen


Diese Predigt wurde inspiriert durch die Band Silbermond („Mit leichtem Gepäck“), Martin Löwenstein SJ und Pierre Emonet SJ.

Dienstag, 1. Juni 2021

Ein Gott in drei Personen

Predigt Dreifaltigkeitssonntag 2021 

Das Hochfest Dreifaltigkeit, das wir heute feiern, scheint auf den ersten Blick ein geheimnisvolles, theologisches, vielleicht sogar abstraktes Fest zu sein. Die Lesungen zum heutigen Tag sind jedoch voller Dynamik. Das wird allein schon an den Verben deutlich: Es sind Aufforderungen, das Wirken und Handeln Gottes wahrzunehmen und darin mitzuwirken. 

Zunächst in der alttestamentlichen Lesung aus dem Buch Deuteronomium: „forsche nach“ – „erkenne“ – „nimm dir zu Herzen“ (Dtn 4)

In der Beziehung zu Gott spielt das subjektive Gefühl eine große Rolle, das Empfinden, aber eben auch der Verstand, die Tatsachen, die Geschichte, die Welt und das was uns darin widerfährt. 

Wer ist Gott? Die Ereignisse der Vergangenheit bestätigen für Israel, dass der Gott des Bundes nicht nur die anderen Götter übertrifft, sondern dass es letztlich nur einen Gott gibt, einzigartig. Er ist der Schöpfer des Himmels und der Erde. Das ist unser Bekenntnis! „Es gibt keinen anderen Gott!“ Das Entscheidende dieses Bekenntnisses zeigt sich in der täglichen Treue zu seinem Wort. 

Wie ist das möglich - in einer Welt mit vielfältigen religiösen Bekenntnissen, mit Religionsfreiheit und religiöser Toleranz als Grundvoraussetzung des Zusammenlebens, mit der Betonung der individuellen Verantwortung eines jeden für seinen Glauben? 

Darauf antworten die beiden neutestamentlichen Lesungen. So finden sich auch im Evangelium drei entscheidende Verben: „geht zu allen Völkern und macht zu Jüngern“ – „tauft sie“ – „lehrt sie zu befolgen“ (Mt 28)

Diese letzten Verse im Matthäusevangelium werden meist als „Missionsbefehl“ bezeichnet. Geht es Jesus tatsächlich darum, alle Menschen zu „Christen“ zu machen? Und wenn ja, kann man so etwas heutzutage in einer pluralen Welt noch allen Ernstes vortragen? 

Schauen wir zunächst auf den Text. Es geht nach Matthäus offensichtlich darum, die Botschaft des Evangeliums in die ganze Welt hinauszutragen, zu allen Völkern, und die Menschen darin zu unterweisen. Das ist der eigentliche Sinn von „zu Jüngern machen“, wörtlich „zu Schülern machen“, also: unterrichten, erklären, verdeutlichen. 

Und jene, die unterrichtet wurden und dann Schüler geworden sind, diese sollen die Freunde Jesu taufen. Mit anderen Worten: Nicht alle Menschen sollen getauft werden, sondern von allen Menschen jene, die - nachdem sie die Botschaft des Evangeliums kennen gelernt haben – sich entschieden haben und Schüler geworden sind. Und nicht nur taufen, sondern - das ist das dritte Verb, der dritte Schritt – „sie lehren alles zu befolgen, was Jesus geboten hat.“ Wenn Christ dann richtig, so würde ich frei übersetzen. Wer an Jesus glaubt, der soll auch so handeln (vgl. Joh 13,34; 14,21).

Diese vitale Verbindung zwischen Glauben und Praxis findet sich auch im Brief an die Römer. Drei Verben: „sich vom Geist leiten lassen“ – „sich nicht fürchten müssen“ – „Kinder und Erben sein“ (Röm 8)

Die Gebote Jesu halten beziehungsweise befolgen – erst darin kommt die Taufe in ihre volle Bedeutung. Als Getaufte und als Getaufter tritt die Glaubende bzw. der Glaubende ein in die Beziehung zum Vater, in die Beziehung zu Jesus als dem Bruder, in die Beziehung zum Geist in ihm beziehungsweise in ihr. 

Romano Guardini hat einmal gesagt: Der im Gebet gewachsene Christ wird in dem Maß, in dem sich ihm das trinitarische Geheimnis erschließt, eine besondere Beziehung wahrnehmen mit dem Vater, mit dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Diese Beziehung hängt an dem Bekenntnis zum einen und einzigen Gott. In diesem Bekenntnis Gott zeigt Gott selbst sich uns in verschiedenen Personen oder Gesichtern. So wie man z.B. sagt, dass eine Stadt verschiedene Gesichter habe. Hamburg hat verschiedene Gesichter, jeder von uns kennt einige davon. 

Dieses Bekenntnis an den einen und einzigen Gott schließt nicht in Dialog mit anderen Religionen aus. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Kirche viel von anderen Religionen gelernt und erkennt auch in anderen Religionen „Strahlen der Wahrheit“, wie es im Zweiten Vatikanischen Konzil heißt. 

Das Bekenntnis zu Gott bedeutet auch, dass ich nicht Gott bin und nicht über andere Menschen und ihren Glauben urteile. Ich kann sie als Brüder und Schwestern annehmen, auch wenn sie einen anderen Glauben haben. Ich bin ein Mensch und habe eine begrenzte Perspektive. Ich kenne nicht die ganze Wahrheit, aber ich glaube, Wesentliches erfasst zu haben. So heißt es im Zweiten Vatikanischen Konzil: Niemand besitzt die Wahrheit, sondern die Wahrheit muss in einem Dialog gesucht werden (DH 3); „… und anders erhebt die Wahrheit nicht Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt.“ (DH 1)

Mit den Muslimen teilen wir das Bekenntnis zum einen und einzigen Gott, dem Schöpfer und dem Richter. Wir glauben an diesen einen und einzigen Gott! So heißt es dort: „Der Heilswille umfasst auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird.“ (LG 16). 

In besonderer Weise teilen wir den Glauben an den einen und einzigen Gott mit den Juden: „Jenes Volk, dem der Bund und die Verheißungen gegeben worden sind und aus dem Christus dem Fleisch nach geboren ist.“ (LG 16) 

Bekennen wir gemeinsam den Glauben an den einen und einzigen Gott in drei Personen.


Mittwoch, 26. Mai 2021

Glaubende


Predigt – Pfingsten 2021

Manresa - Kleiner Michel, Hamburg, 19 Uhr

Liebe Schwestern und Brüder!

Vor einigen Tagen ging ich abends spazieren, als mich unvermittelt ein Junge ansprach, etwa zehn Jahre alt. Er fragte mich ängstlich, mit seinem Mobiltelefon in der Hand: „Haben Sie Guthaben?“ Er wollte dringend telefonieren. Ich tippte die Nummer ein, die er mir mühsam diktierte. Offenbar war Deutsch nicht seine Muttersprache. Er konnte dann mit seinen Kumpels sprechen, die er verloren hatte und bald wieder treffen wollte. Später noch sah ich sie dann an einer Straßenecke stehen, die älteren Kumpels mit Zigarette im Mund.

Um mit dem Handy telefonieren oder per Whats app kommunizieren zu können, braucht man entweder Guthaben oder einen Vertrag, in jedem Fall einen Vorschuss. Wer kein Konto oder keine Kreditkarte hat oder sein Guthaben nicht im Voraus einbezahlt, der ist von der Kommunikation ausgeschlossen.

Gilt das nicht in Bezug auf jede Art Kommunikation unter uns Menschen, dass wir einen gewissen Vorschuss geben und einsetzen müssen, damit Verständigung möglich ist? Die Frage scheint mir bedeutsam im Blick auf die gegenwärtige Situation in der Welt, im Blick auf den Glauben allgemein und im Blick auf das Pfingstfest, das wir heute feiern.

1. Glauben heißt Vertrauen

Der französische Anthropologe Emil Benveniste weist darauf hin, dass es in unseren Sprachen eine große Bedeutungsvielfalt der Worte des Glaubens gibt. Wir sagen z.B.: „Ich glaube, dass es morgen regnet.“ – oder: „Ich glaube daran, dass Dortmund deutscher Meister wird.“ – oder: „Ich glaube Dir.“

Der Begriff des „Geglaubten“ (frz. croyance) in der Religion und der „Forderung“ (frz. crédit) in der Wirtschaft lassen sich nach Benveniste auf eine gemeinsame Wurzel zurückführen: den Tausch oder Austausch (échange) zwischen den Menschen und möglicherweise mit einer Gottheit als Ausdruck menschlicher Verwundbarkeit.

Im Deutschen wird diese gemeinsame Wurzel z.B. deutlich, wenn wir von einem „Gläubiger“ sprechen – das ist derjenige, der einen Kredit gewährt, im Unterschied zu einem „Glaubenden“ – das ist derjenige, der Gott Vertrauen schenkt.

Der Mensch ist in seiner Verwundbarkeit dem Leben ausgesetzt. Wir Menschen sind als verletzliche Wesen in diese Welt geworfen. Wir leben, indem wir dieser Welt mithilfe eines Urvertrauens begegnen. Ein Kleinkind zum Beispiel muss in gewissem Sinne ein „zweites Mal“ geboren werden, nämlich der Sprache und der Kultur, die es umgeben, und zuallererst seinen Eltern Vertrauen schenken. Es kann nicht vorher die Glaubwürdigkeit beziehungsweise die Kreditwürdigkeit seiner Eltern prüfen. Wir schulden unseren Eltern und unserem kulturellen Umfeld Vertrauen. Und wenn wir es geben, dann wird dieses Umfeld zu einer Quelle einer Kreativität. Das bedeutet, das erst durch das Grundvertrauen in das Leben die Subjektwerdung ermöglicht wird.

Genauso geben wir als Erwachsene unserer Kultur, unserer Gesellschaft und unserem Staat Vertrauen, zum Beispiel in die Ausbildung unserer Kinder, in die Übertragung bestimmter legitimer Gewalt etc., ohne dass wir die Lehrer und Polizisten im Einzelnen vorher hätten prüfen können.

Es gibt also bei allen Menschen, ob sie gläubig sind oder nicht, einen elementaren Akt, eine Energie, einen „Mut zum Sein“ in der Form des Grundvertrauens, nämlich als ein Vertrauen in das Leben, in das Geheimnis unserer Existenz – mit der Hoffnung, damit nicht zum Verlierer zu werden, sondern am Ende mehr zurückzubekommen.

Glaube ist ursprünglich etwas, was alle Menschen teilen. Er zeigt sich, wenn Menschen offen wahrnehmen, dass sie verwundbar sind. Er zeigt sich, wenn sie nach Orientierung in der Welt suchen und nach dem Sinn des Lebens fragen, ohne darüber verfügen zu können.

Glaube ist also zunächst nicht der Glaube an Gott oder an Jesus Christus, sondern die Haltung eines Menschen, dem Leben „Kredit“ zu geben. In der Hoffnung, dass das Leben sein Versprechen hält und es Wert ist, es zu leben, ermutigt der Glaube in den schwierigen Momenten eine gewisse Haltung zu bewahren. Dieser Glaube trägt unsere Beziehungen.

2. Pfingsten als Gabe des Heiligen Geistes an die Glaubenden

Christen teilen diese Erfahrung des Glaubens als Vertrauen in das Leben mit Nicht-Christen. Zusätzlich erleben und deuten Christen den eigenen Glauben im Rückblick oft als einen Akt der Selbstenteignung oder der Hingabe. Sie lassen dem Geheimnis das erste Wort und sagen etwa: „Das Geheimnis zieht mich an, schafft in mir Vertrauen und erlaubt es mir – in meiner Verwundbarkeit - in Wahrheit „ich“ zu sagen.“

Das feiern wir an Pfingsten: Gott hat die Apostel (und in Jesu Nachfolge auch uns) mit dem Heiligen Geist beschenkt, der in uns glaubt und betet und uns in Leben führt. Mit anderen Worten: Das Vertrauen und den Glauben, den wir schenken, haben wir in Wahrheit nicht aus uns selbst, sondern von Gott. Wir haben ein Guthaben, mit dem wir mit Gott kommunizieren können, das ist riesig, weil es von ihm selbst gegeben ist.

3. Pfingsten als Wunder der Kommunikation

Die Frage nach dem Glauben und dem Vertrauen ist schließlich auch in unserem Alltag von großer Bedeutung. In unserer täglichen Kommunikation braucht es diesen Vertrauensvorschuss, genauer: das Bemühen, den anderen gut verstehen zu wollen, weil ich darauf vertraue, dass es sich lohnt, weil er etwas Gutes sagen möchte.

Der heilige Ignatius nennt das in seinen Exerzitien „die Aussage des anderen zu retten“: Jeder gute Christ soll zunächst einmal bereit sein, die gute Aussageabsicht des anderen anzunehmen und versuchen, ihn zu verstehen – und nicht gleich zu verdammen. Und wenn man etwas schlecht versteht, dann frage man nach bzw. verbessere den anderen mit Liebe. (vgl. EB 22)

Ich erlebe in diesen Zeiten der digitalen Kommunikation sehr viele Missverständnisse, die leicht zu Misstrauen und Missgunst werden. Wie schnell habe ich in einer E-Mail den Unterton nicht richtig verstanden? Wie schnell deutet jemand etwas hinein in meine schnell geschriebene Antwort, das gar nicht so gemeint war?

Pfingsten feiern wir die Gabe des Geistes Jesu an seine Jünger, die sie dazu befähigte, Zeuginnen und Zeugen zu sein. Die Apostelgeschichte berichtet, dass sie es wie ein Wunder erfahren haben, dass eine Verständigung unter den Menschen verschiedener Sprachen und Kulturen möglich war: „Sie hörten sie in fremden Sprachen reden“ – „Denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden“ – „Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören?“ - „Wir hören Sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.“

Sie konnten es, weil sie sich selbst bewusst geworden sind, welch großes Guthaben sie von Gott geschenkt bekommen haben. Halleluja!

Montag, 24. Mai 2021

Bekehrung geschieht im Dialog

Videobotschaft von Papst Franziskus 

an die Teilnehmenden des online-Gebets „Pilgern mit Ignatius" anlässlich des Ignatiusjahres am 23. Mai 2021




Liebe Freunde!

Gerne schließe ich mich diesem Gebet zum Ignatianischen Jahr an, zum Fest der Bekehrung des heiligen Ignatius. Ich hoffe, dass alle, die sich von Ignatius und der ignatianischen Spiritualität inspirieren lassen, dieses Jahr wirklich als eine Erfahrung der Umkehr erleben können.

In Pamplona, vor 500 Jahren, wurden alle weltlichen Träume des Ignatius in einem Augenblick zerschlagen. Die Kanonenkugel, die ihn verwundete, veränderte den Lauf seines Lebens und den Lauf der Welt. Scheinbar kleine Dinge können wichtig sein. Diese Kanonenkugel bedeutete auch, dass Ignatius in seinen Lebensträumen scheiterte. Aber Gott hatte einen größeren Traum für ihn. Gottes Traum für Ignatius war nicht auf Ignatius zentriert. Es ging darum, den Seelen zu helfen. Es war ein Traum von Erlösung, ein Traum, in die ganze Welt hinauszugehen, begleitet von Jesus, demütig und arm.

Bekehrung ist eine tägliche Angelegenheit; sie geschieht selten ein für alle Mal. Ignatius' Bekehrung begann in Pamplona, aber sie endete dort nicht. Sein ganzes Leben lang bekehrte er sich, Tag für Tag, und das bedeutet: Sein ganzes Leben lang stellte er Christus ins Zentrum. Und er tat dies durch die Unterscheidung. Unterscheidung besteht nicht darin, es immer von Anfang an richtig zu machen, sondern darin, zu navigieren, einen Kompass zu haben, um sich auf den Weg machen zu können, der viele Kurven und Wendungen hat, aber uns immer vom Heiligen Geist leiten zu lassen, der uns zur Begegnung mit dem Herrn führt.

Auf dieser irdischen Pilgerreise begegnen wir anderen, so wie Ignatius es in seinem Leben tat. Diese anderen sind Zeichen, die uns helfen, den Kurs zu halten, und die uns einladen, uns jedes Mal aufs Neue zu bekehren. Es sind Geschwister, es sind Situationen - und Gott spricht auch durch sie zu uns. Lassen Sie uns auf andere hören. Lassen Sie uns in den Situationen lesen. Lasst uns Wegweiser für andere sein, auch wir zeigen den Weg Gottes. Bekehrung findet immer im Dialog statt, im Dialog mit Gott, im Dialog mit anderen, im Dialog mit der Welt.

Ich bete, dass alle, die sich von der ignatianischen Spiritualität inspirieren lassen, diesen Weg gemeinsam als ignatianische Familie beschreiten mögen. Und ich bete, dass viele andere den Reichtum dieser Spiritualität entdecken, die Gott Ignatius gegeben hat.

Ich segne Sie von Herzen, dass dieses Jahr wirklich eine Inspiration sein möge, in die Welt hinauszugehen, um Seelen zu helfen und alles neu zu sehen in Christus. Und auch eine Inspiration, sich helfen zu lassen. Niemand rettet sich selbst: Entweder wir werden in Gemeinschaft gerettet oder wir werden gar nicht gerettet. Keiner lehrt den anderen den Weg, nur Jesus hat uns den Weg gelehrt. Wir helfen uns gegenseitig, diesen Weg zu finden und zu gehen.

Und möge der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist Sie segnen. Amen.

Übersetzung aus dem spanischen Original: Christian Modemann SJ 

Montag, 10. Mai 2021

Freunde Jesu

Predigt Manresa Hamburg  - Sechster Sonntag der Osterzeit B - 9.5.2021

Biblische Bezugstexte: Apg 10; 1Joh 4; Joh 15,9-17

Liebe Schwestern und Brüder!

Eine kleine persönliche Vorbemerkung: Dieses Evangelium gehört zu den prägenden Erlebnissen in meiner Jugend. Der Pfarrer meiner Heimatgemeinde las es bei seiner Verabschiedung vor. Er hatte die Gemeinde aufgebaut und fast 30 Jahre geleitet. Nun ging er in den Ruhestand und hatte sich für seine letzte Messe diesen Text ausgesucht. „Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt.“ Ich kann mich unter anderem so genau daran erinnern, weil die Messe damals auf VHS aufgezeichnet wurde und ich sie mir später noch einmal angesehen habe. 

Wenn wir auf die gegenwärtige Zeit schauen, so gibt es ein Thema aus dem heutigen Evangelium, das viele Menschen umtreibt. Eine aktuelle Umfrage von Forsa, was Kinder in der Corona-Krise beschäftigt, zeigt, wonach sie sich am meisten sehnen: 76 % gaben an, dass sie ihre Freunde vermissen, den Kontakt zu Gleichaltrigen. Freundschaft gehört zu der tiefen Sehnsucht, die wir in uns tragen. Die Bibel bringt sie mit Jesus in Verbindung, wie wir es gerade im Evangelium gehört haben. „Ich habe euch Freunde genannt, denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“ (Johannes 15, 15)

Es gibt so viele verschiedene Formen von Freundschaft, ja vielleicht so viele Formen wie wir Freunde haben. Es gibt Schulfreunde und Facebook-Freunde, Studienfreunde und Mitbrüder, mit denen ich befreundet bin, Pfadfinderfreunde und so weiter. Keine Freundschaft ist wie die andere. Hadwig Müller schreibt in einem Text, den Gerrit Spallek in seinem wöchentlichen Bibel Impuls geteilt hat: „Freundschaft steht im Singular. Sie gründet in nichts anderem als in diesen beiden Menschen. Keine Freundschaft ohne zwei Gesichter, die nicht aufhören, einander voll Neugier anzuschauen, angezogen von dem unauslöschlichen Fünkchen Fremdheit im anderen.“ (zit. n. Lebendige Seelsorge 71. Jahrgang 5/2020, S. 328 – 331) 

An welche Freundinnen und Freunde denken Sie? Für wen möchten Sie heute Abend beten?

Jesus nennt uns seine Freunde. Das ist unerhört - und die Jünger wussten es! Petrus spricht davon in seiner Predigt in Caesarea, aus der wir in der ersten Lesung gehört haben. Dort sagt er:

„Gott hat uns beauftragt, dem Volk zu verkünden und zu bezeugen: Jesus ist der von Gott eingesetzt der Richter der Lebenden und der Toten. Von ihm bezeugen alle Propheten, dass jeder, der an ihn glaubt, durch seinen Namen die Vergebung der Sünden empfängt.“ (Apg 10,42)

Jesus ist der von Gott eingesetzte Richter, er ist der Sohn Gottes, er vergibt die Sünden - und ihr seid seine Freunde! Welch ein Privileg! Welch ein Geschenk! Welch eine Freiheit und Freude! Das ist die eigentliche Pointe: Jesus ist nicht irgendein Freund, es ist die Freundschaft meines Lebens, die mich freispricht von meiner Schuld.

Es ist eine Erfahrung der Intimität mit Gott, die uns durch Jesus eröffnet wird, tagtäglich. Gott hat sich in Jesus Christus selbst mitgeteilt. Jesus bringt uns nicht nur vor Gottes Angesicht, wie es die Propheten getan haben, sondern ergibt uns Zugang zu Gott, da er selbst in ihm wohnt. 

Christus begleitet ausnahmslos jeden von uns, er geht den Weg mit uns, er geht an unserer Seite. Der Richter ist unser Freund - und zwar zurecht, weil er es so gewollt hat. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.“

Es kann sein, dass uns diese Botschaft innerlich berührt und eine tiefe Freude und Sehnsucht in uns wachruft und uns öffnet für die Menschen um uns, die auch eine tiefe Sehnsucht nach Freundschaft in sich tragen. 

„Ich habe euch dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht.“ Das bedeutet: nicht auf dem Sofa sitzen bleiben, nicht in den bekannten Zirkeln die Kontakte pflegen, von denen man hofft, dass sie einem irgendwann einmal nützlich sein können, sondern hinausgehen: auf die Menschen zu, die noch keine Freunde Jesu sind, aber trotzdem einen Glauben in sich tragen.

Der Freundschaft mit Jesus entspricht deshalb in besonderer Weise die Gastfreundschaft anderen Menschen gegenüber. 

Gastfreundschaft meint im Deutschen zunächst die Tugend, den anderen als Gast freundschaftlich aufzunehmen, d.h. Gastfreundschaft als Gastgeber gewähren. Eigentlich meint es aber genauso auch die andere Bewegung und Erfahrung: Gast sein, als Gast beim anderen eintreten und als Gast dem Gastgeber die Freundschaft anzubieten. Denn Freundschaft ist immer beidseitig.

Der Gastgeber nimmt den Gast in sein Haus auf und gewährt im Schutz. Er lässt ihn eintreten in das, was ihm zu eigen ist und eröffnet ihm etwas von seinem Leben. Der Gast lässt sich auf die Begegnung ein, er interessiert sich für das Leben des anderen und liefert sich ihm aus in seiner Verletzlichkeit und Bedürftigkeit. 

Und dort, wo wir unsere Schwäche, unsere Verletzlichkeit und Bedürftigkeit zeigen können, werden wir viel leichter zu Brüdern und Schwestern, als wenn meinen, uns gegenseitig unsere Stärke beweisen zu müssen. Gastfreundschaft macht also eine Begegnung möglich, in der das Wirken Gottes im eigenen Leben entdeckt werden kann. 

Jesus selber hat Gastfreundschaft gelebt. Er war immer wieder bei Menschen zu Gast, die ihn aufgenommen haben: Maria und Martha, Simon der Pharisäer, Matthäus/Levi, Zachäus, und so weiter. Nach seinem Tod und seiner Auferstehung haben die Jünger genauso gelebt. Sie sind umhergezogen und wurden gastfreundlich aufgenommen. Mission als heilige Gastfreundschaft!

Es ist nach Corona an der Zeit, dass wir uns gegenseitig besuchen! In den Anweisungen für das Leben im Alltag der Christen im Hebräerbrief heißt es: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.“ (Hebr 13,2)

Nach Corona ist die Zeit, dass wir uns einladen. Jetzt schon können wir uns darauf vorbereiten, in dem wir die Freundschaft mit Jesus wirklich leben, ihn bei uns aufnehmen und unser Leben von ihm gestalten lassen, d.h. uns der Erwählung durch ihn und seine Freundschaft bewusst werden. Amen.

---

Mission als heilige Gastfreundschaft - „Der in der Diaspora lebende Christ […] nimmt die geistliche Situation seiner Zeitgenossen erst dann richtig wahr, wenn er diese aus seiner unerhörten, durch Christus eröffneten Erfahrung der Intimität Gottes betrachtet, die in ihm auch die Sehnsucht wachruft, das, was er tagtäglich erfährt, mit „Jedermann“ zu teilen, und dies vor allem bei anderen in einer jeweils unerwarteten Gestalt zu erspüren.“ (Vgl. Christoph Theobald, Christentum als Stil. Für ein zeitgemäßes Glaubensverständnis in Europa, Freiburg 2018, S. 106-107).


Sonntag, 25. April 2021

Canisius


In diesen Tagen feiern wir den Gedenktag des heiligen Petrus Canisius (27.4.) und seinen 500. Geburtstag. Bisher erschien mir dieser „Apostel der Deutschen“, den man in der antimodernistisch-kulturkämpferischen Kirche 1925 heiliggesprochen hat, eher als eine ernste, dunkle Gestalt, und mit seinen Katechismen heillos überholt. Nun habe ich mich etwas mehr mit diesem „Wanderer zwischen den Welten“ (Moosbrugger), dem „Unermüdlichen“ (Emonet) und dem Patron unserer neuen Provinz ECE beschäftigt und kann eine gewisse Begeisterung nicht verbergen. Drei Aspekte möchte ich hervorheben.

1 – Seine Prägung in Köln

Peter Kanis wurde am 8. Mai 1521 in Nijmegen geboren, an jenem Tag, als Martin Luther mit der Reichsacht belegt wurde. Nijmegen war auf politischer und wirtschaftlicher Ebene nach Deutschland hin orientiert und gehörte zur Diözese Köln. So war es naheliegend, dass der junge Mann zum Studium nach Köln ging. Mit 14 Jahren, im Januar 1536, schrieb er sich in Köln an der philosophischen Fakultät ein. Er bestand dort in den nächsten Jahren rasch die Examina in Philosophie. 

Die Studienzeit in Köln, die Begegnungen mit Priestern von großer Herzensbildung und profunden theologischen Kenntnissen und das religiöse Umfeld der devotio moderna, haben ihn geprägt: Anfangs wohnte er wohnte bei St. Gereon in einer Priestergemeinschaft: den „Brüdern vom Gemeinsamen Leben“, geleitet von Nicolaus von Esch. Sie standen in engem Kontakt mit der Kölner Kartause, deren Prior Gerhard Kalckbrenner und Subprior Johannes Justus Landsberg prominente Vertreter der Herz-Jesu-Frömmigkeit waren. Petrus Canisius fand in Köln zu seiner affektiv geprägten, christozentrischen und biblisch fundierten Spiritualität.

1539 ging er zum Kirchenrechtsstudium an die Universität Löwen, kam jedoch schon bald nach Köln zurück. Er wollte in die Kartause eintreten, konnte sich aber nicht recht dazu entschließen. Er studierte weiter Theologie in Köln. Über einen spanischen Mitstudenten hörte er vom gerade neu gegründeten Jesuitenorden und von Peter Faber, einem der ersten Jesuiten, der gerade in Mainz Vorlesungen hielt. So reiste er im April 1543 nach Mainz, um Faber zu treffen. Er war fasziniert von ihm, seiner Spiritualität und seiner Art und Weise der Seelsorge. Nachdem er bei Peter Faber in Mainz die Geistlichen Übungen gemacht hatte, trat er unmittelbar danach, am 8. Mai 1543, in die Gesellschaft Jesu ein.

Zurück in Köln, bereitete er die Errichtung einer ersten Niederlassung der Jesuiten in Deutschland vor. Als der Kölner Erzbischof Hermann von Wied jedoch 1545 zur Reformation überlief, die Niederlassung untersagte und versuchte, die Ankunft weiterer Jesuiten in Köln zu verhindern, wurde es dem Domkapitel zu viel. Die Kölner Geistlichkeit entsandte Petrus Canisius (mit 23 Jahren!), um beim Kaiser Hilfe zu suchen. Dieser war bereit, die Kölner Angelegenheit im katholischen Sinne zu lösen: Hermann von Wied wurde zuerst formell abgesetzt und dann aus der Stadt Köln vertrieben, ein neuer Erzbischof wurde installiert; das „heilige Köln“ (so Petrus Canisius in einem Brief an seinen Mitbruder Leonard von Kessel vom 20.8.1547) war für den Katholizismus gerettet.

2 – Seine Prägung in Italien

Mindestens ebenso sehr wie die lange Zeit in Köln, hat ihn die kurze Zeit in Italien geprägt: 1547 bekam er vom Bischof von Augsburg den Auftrag, nach Italien zu reisen, um dort als Theologe am sogenannten „Trienter Konzil“ teilzunehmen. In Bologna, wo das Konzil tagte, begegnete er zum ersten Mal den Jesuiten Claude Le Jay, Diego Laínez und Alfonso Salmerón, d.h. der Gründergeneration des Ordens. Als im Sommer 1547 das Konzil unterbrochen wurde und weil er die brütende Hitze Italiens offenbar schlecht vertrug, wollte er rasch wieder zurück nach Köln: Lieber sterben wolle er, als in Italien leben; am liebsten aber nach Deutschland zurück – so hieß es. Doch Ignatius rief ihn zu sich nach Rom. Er verbrachte ein halbes Jahr in der Jesuiten¬niederlassung und in der Seelsorge mit einfachen Menschen. Im Nachhinein beschrieb er, wie wertvoll diese Zeit für ihn war: „diesen Hort der Weisheit, diesen Ort, wo Demut eingeübt und praktiziert wird, und diese Schule des Gehorsams und aller Tugenden.“ (Briefe I, S. 254f.) 

Ignatius sendete ihn im Gehorsam noch weiter nach Süden: Im Jahr 1548 sollte in Messina auf Sizilien ein Kolleg gegründet werden – das erste seiner Art. Als Lehrer und Erzieher zu wirken und eine Bildungseinrichtung zu leiten, war für Ignatius und die ersten Jesuiten, die als Wanderprediger in Armut leben wollten, zunächst nicht im Blick. Die Stadtväter von Messina wollten jedoch partout eine öffentliche Schule für ihre halbwüchsigen Buben, um sie für die zukünftigen Aufgaben in Politik und Gesellschaft besser ausbilden zu lassen. Die Finanzierung durch die öffentliche Hand war gesichert und der spanische Vizekönig von Sizilien unterstützte das Anliegen. Nach längeren Überlegungen rang sich Ignatius dazu durch und schickte eine Gruppe von Mitbrüdern. Es sollte ein Experiment werden, das Geschichte schrieb.

Zehn Jesuiten aus Rom fanden sich bereit, nach Sizilien zu gehen und dort „jedwede Arbeit zu übernehmen, die ihnen zufallen sollte“. Darunter war auch Jeronimo Nadal (1507-1580), den sie als ihren Oberen wählten, und eben auch Canisius. Wie genau der Unterricht in Messina organisiert wurde und wie der Schulbetrieb lief, wäre ein eigenes Kapitel. Wichtig ist an der Stelle nur, dass Canisius für die pädagogische Oberaufsicht als Studienpräfekt zuständig war und selbst Rhetorik unterrichtete, auch wenn er sich selbst nicht für einen guten Redner hielt.

Es wurde eine gesegnete Zeit. Die Kunde, dass die Jesuiten nun in Süditalien öffentlich unterrichteten und offenbar außerordentlich gute Lehrer waren, verbreitete sich rasch. Auch andere Orte wollten ein Jesuiten-Kolleg. Die Schulen wurden ein Erfolgsmodell, das Canisius auch in seine Heimat importierte. Er war direkt oder indirekt an der Gründung von achtzehn Kollegien im deutschen Sprachraum beteiligt. Die Erfahrungen Messina wirkten nachhaltig und haben ihn fürs Leben geprägt: der apostolische Eifer der jungen und begabten Mitbrüder aus den verschiedenen Ländern Europas, das gemeinsame Leben und Wirken als Gefährten Jesu. Als er im Sommer 1549 nach Rom zurückkam, legte er die feierlichen Gelübde ab; als der achte Jesuit überhaupt.

3- Seine Liebe zur Kirche in Deutschland - und seine Sorge 

Die Enttäuschung über die religiösen Zustände in Deutschland wird in den Briefen, die Petrus Canisius an die Mitbrüder schreibt, immer wieder deutlich, ob aus Ingolstadt, Wien oder anderswo. Es gab z.B. in Wien kaum noch Priester (seit 20 Jahren keine Priesterweihe im Bistum!), die Praxis des religiösen Lebens war in weiten Teilen zusammengebrochen, ebenso wie das Interesse für religiöse Traditionen. Viele Katholiken starben ohne priesterlichen Beistand. Eine gute Predigt erwartete man vergeblich.

Aber Canisius gab nicht auf. Er wusste, was die Leute an den Jesuiten schätzten: die Seelsorge und die Predigten, ihren ernsthaften, glaubwürdigen Lebensstil, die Härte gegenüber sich selbst, ihr Versuch, bescheiden und arm zu leben, die Unentgeltlichkeit ihrer Lehrveranstaltungen und ihre Unbestechlichkeit.

Gerade deshalb war es ihm wichtig die mitbrüderliche Gemeinschaft zu erhalten und zu fördern. Er hielt die Spannungen zwischen Mitbrüdern geduldig aus und betete für jene, die die Gemeinschaft verließen. Zudem war er als Provinzial der Oberdeutschen Provinz für die Leitung der Kommunitäten verantwortlich.

Als Petrus Canisius 1557 den Kölner Mitbrüdern einen Besuch abstatte und die Kommunität Richtung Worms verließ, war er befremdet angesichts des zurückhaltenden und unterkühlten Gebarens seiner Gastgeber und ihrer wenig herzlichen und spröden Art, von denen Abschied zu nehmen, die zu einer Reise aufbrachten. So ließ der dem Oberen der Kommunität, Leonard Kesse, folgende Ermahnung zukommen: 

„Ich wünsche, dass alle Unsrigen, wenn die Abreise von Mitbrüdern ansteht, sich umarmen. Mich befremdete es, dass man – sei es durch Ihre oder sei es durch meine Schuld – sich beim Abschied so unpersönlich gebärdete und so wenig seiner Zuneigung zu den anderen Mitbrüdern nach außen hin Ausdruck verlieh, wo dich die mitbrüderliche Nächstenliebe nach äußeren Zeichen verlangt. Ich denke, man muss die Mitbrüder auf brüderlichere Weise behandeln. Ich beklage mich nicht und klage Sie auch nicht an, es mir gegenüber an Rücksicht fehlen gelassen zu haben. Aber ich möchte Sie einfach nur dazu anhalten, Ihren Mitbrüdern eher mit italienischer Liebenswürdigkeit als mit deutscher Unterkühltheit zu begegnen – sei es, wenn Sie zu Ihnen kommen, oder sei es, wenn es gilt, sich von Ihnen zu verabschieden.“ (Briefe II, S. 142) 


Sonntag, 18. April 2021

Espinal

Jesuitas Acústicos: Gastar la vida

Luis Espinal SJ - Bildquelle: Jesuits Ireland

nach einem Text von Luis Espinal SJ (1932-1980): Das Leben verschwenden

Oh, Herr Jesus, wir haben Angst, unser Leben zu verschwenden, aber du hast uns das Leben gegeben, um es hinzugeben, nicht um es in steriler Selbstsucht zu sparen. Sein Leben zu verschwenden heißt, für andere zu arbeiten, auch wenn sie uns nie bezahlen, nicht einmal einen Gefallen tun. Sein Leben zu verschwenden heißt, sich hineinzuwerfen und auch zu scheitern. Sein Leben zu verschwenden, heißt vielleicht, wenn nötig die eigenen Schiffe für die Menschen zu verbrennen.

Das Leben gibt sich nicht mit großen Gesten noch mit falscher Theatralik. Das Leben gibt sich mit Einfachheit und ohne Werbung. Wie Wasser aus der Quelle und die Mutter, die ihr Kind säugt; wie der arbeitende Bauer schwitzt.

Die Zukunft ist ein Rätsel, sie verliert sich im Nebel, denn in der Nacht bist du da, ohne zu schlafen, du vergießt tausende Tränen, denn in der Nacht bist du da, ohne zu schlafen, du vergießt tausende Tränen, denn in der Nacht bist du da.

Text: Luis Espinal SJ, Oraciones a quemarropa (1980) – bearbeitet von Jesuitas Acusticos (2020) – ins Deutsche übertragen von Christian Modemann SJ (2021)

 

Samstag, 3. April 2021

Klagelieder

Einführung zur Lesung der Klagelieder 

im ökumenischen Forum am Karsamstag 2021

Der Karsamstag ist von jeher ein stiller Tag, ohne liturgische Feier. In den Klöstern werden nur die Tagzeiten gebetet. Dazu gehört am Karsamstag auch die Lesung aus den Klageliedern, die in der Tradition dem Propheten Jeremias zugeschrieben werden – und zwar aufgrund der Einleitung, die man in der griechischen Übersetzung des Textes findet.

Dort heißt es (vgl. 2Chr 35,25): „Es geschah, nachdem Israel weggeführt war in Gefangenschaft und Juda zur Wüste geworden, da setzte sich der Prophet Jeremia weinend danieder; so klagte er über Jerusalem und sprach.“ 

Die Klagelieder bringen in vielfältiger Weise die Not, das Leid und den Schrecken der Eroberung und der Zerstörung Jerusalems im Jahr 586 v. Chr. zum Ausdruck. Neben der Stimme eines Einzelnen des Erzählers kommt in den Liedern die weiblich personifizierte Stadt Jerusalem beziehungsweise die Tochter Zion zu Wort, die wie eine klagende Frau der Bevölkerung ihre Stimme gibt.

Das Bekenntnis der eigenen Schuld und das Vertrauen auf Gott werden in den Klageliedern benannt, vor allem aber wird Gott selbst angeklagt. Wo angesichts von unermesslichem Leid theologische Erklärungen versagen, wird die Klage vorgetragen – mit einer festen, kunstvoll gestalteten poetischen Form.

Die Klagelieder wollen nicht Gott in Frage stellen, sondern sie wollen Gott die Frage stellen. In der Form des Gebets sprechen die Menschen Gott an, ihn der alles geschaffen hat und in seinen Händen hält – ist er nicht auch verantwortlich für das Böse und das Leid, das geschieht? Warum lässt er es zu?

Zu der Klage gehört im Angesicht Gottes auch der schonungslose Blick auf das eigene Volk, die eigene Gemeinschaft, die Schuld, das Versagen, die Fehler und Sünden der eigenen Glaubensgemeinschaft. Dabei geht es nicht um Rache oder Strafe. Der Beter ringt darum, Gottes Gerechtigkeit zu erkennen – und zugleich nicht aufzuhören, auf seine Zuwendung zu vertrauen.

Der Text der Klagelieder steht im Kontext des Alten Testaments. Für sich allein wäre er unverständlich. Wir Christen lesen ihn zudem mit den Texten des Neues Testaments am Karsamstag, nach der Erinnerung an den Tod Jesu am Kreuz. Die Klagelieder deuten das Leiden und Sterben Jesu. Seine Hingabe aus Liebe ist für uns die Antwort Gottes auf die Frage, die ihm in den Klageliedern gestellt wird. 

Es ist jedoch nicht so, dass Christen nun schon alles begriffen haben – und nicht mehr klagen dürften. Denn Gottes Antwort in Jesus Christus übersteigt unser Begreifen und lässt uns weiter fragen und klagen, allerdings auf eine andere Weise: Zusammen mit Christus, der am Kreuz fragt und klagt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Braucht es also heute noch die Klagelieder? Gerade heute! Überall auf der Welt werden Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt. Viele Christen werden verfolgt: in Indien, in einigen afrikanischen Ländern, in Süd- und Ostasien. Seit mehr als 10 Jahren herrscht Krieg in Syrien, die Kinder leiden besonders.

Bei uns in Deutschland gibt es Schuld - in unserer Kirche und in unserer Gesellschaft, die zu Ungerechtigkeit führt. Die Pandemie verschärft diese Situation und bringt Leid über die Menschen. Der evangelische Ratsvorsitzende Bedford-Strohm spricht von der „Seeleninzidenz“, von den Auswirkungen der Pandemie auf das seelische Leben, das sich in psychischen Krankheiten und Gewalterfahrungen zeigt. 

Der Text der Klagelieder fordert uns heraus und er fordert Gott heraus. Es ist keine leichte Botschaft, keine Botschaft des lieben Gotts („der ist lieb, der tut nichts“). Es ist ein Text, der uns am Ende hoffentlich nicht sprachlos hinterlässt.

Wir werden die fünf Kapitel szenisch lesen, jeweils unterbrochen von etwas Musik. Der Erzähler wird von Georg Franitzer und von mir, Christian Modemann, gelesen. Hannah Hufnagel liest die Stadt Jerusalem bzw. die Tochter Zion und Christian Stürznickel den Propheten Jeremia.

Wir beginnen und schließen jeweils mit einem Vers als Responsorium. Er lautet „Vor den Pforten der Unterwelt rette, o Herr, mein Leben.“ – Ich spreche ihn jeweils vor und Sie können die Wiederholung mitsprechen: „Vor den Pforten der Unterwelt rette, o Herr, mein Leben.“ 


Freitag, 26. März 2021

Ein Zelt der Begegnung


GCL Welttag 25.3.2021

Kleiner Michel, Hamburg - Predigt

„Die beeindruckende geistliche Erfahrung des Welttreffens 2018 von Buenos Aires fand in einem Zelt statt – einem großen, weißen Zelt inmitten eines armen Viertels einer lateinamerikanischen Peripherie. Im Zelt hatten wir das Gefühl, dass die Fähigkeit und Aufgabe der GCL darin besteht, Unterscheidungsprozesse zu ermöglichen und zu begleiten.“ – so liest man es in der letzten Ausgabe von „GCL intern“. Dort bietet Daniela Frank eine Zusammenfassung des Impulses des GCL-Weltvorstands zum heutigen Welttag. Er greift erneut das Anliegen der „Unterscheidung in Gemeinschaft“ auf – und erzählt dabei, wie nebenbei vom erfahrenen Raum der gemeinschaftlichen Unterscheidung – im Zelt.

Zelte sind Orte, die für eine bestimmte Zeit aufgebaut werden und vor Regen und Sonne schützen. Ich selbst übernachte gerne in einem Zelt. Es kann heimelig und gemütlich sein, wenn der Regen auf das Dach prasselt. Ich fühle mich geborgen – und mir ist gleichzeitig bewusst, dass ich nicht für immer bleiben kann, sondern weitergehen muss.
 
Das Zelt hat in der Geschichte des Volkes Gottes eine große Bedeutung. Die Bundeslade des Herrn wohnte in einem Zelt. Das Zelt mit der Bundeslade wird zum Ort der Gottesbegegnung. Es ergab sich so, denn Gott war seinem Volk unterwegs begegnet – und jedes Jahr zum Passahfest erinnerte man sich an diese befreiende Zeit des Auszugs. Gott verbietet David durch den Propheten Natan, ihm ein Haus oder einen Tempel zu bauen. Im Gegenteil verheißt er David: Ich werde Dir ein Haus bauen, das Bestand hat.
Im Johannes-Prolog wird die Menschwerdung Jesu mit dem Bild des Zeltes gedeutet: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1, 14) – wörtlich „zeltete unter uns“. Den Sohn Gottes, den die Jungfrau Maria empfängt, das Wort Gottes, wurde gegenwärtig in dieser Welt – für eine begrenzte Zeit und auf eine vergängliche Weise, nämlich als Mensch. In der Begegnung mit ihm begegnetet die Menschen Gott selbst. Dort „wohnte“ Gott unter den Menschen.
Dieses einmalige Ereignis in der Geschichte der Menschheit zeigt: Gott wirkt in dieser Welt. Ich möchte nicht sagen, „Gott handelt“, denn „handeln“ ist etwas Menschliches, das oft mit einer bestimmten, begrenzten Absicht zu tun hat und mit Geben und Nehmen zu tun hat. Der Handel ist eine Form des Handelns; es gibt neben dem „Handel“ noch viele andere, auch selbstlose Formen des Handelns von Menschen, Gott sei Dank; aber das Wort „handeln“ scheint mir doch für Gott nicht angemessen.
Er wirkt in dieser Welt. Das macht deutlich: Es ist nicht einfach ein Gott, der die Welt am Anfang gut geschaffen hat, dann kam leider die Sünde in die Welt, alles geht seinen Gang und er sieht mit verschränkten Armen vom Himmel her zu, wie das alles vor sich geht. Eine solche Vorstellung bezeichnet man als Deismus; ich sage gerne der „Uhrmachergott“ – er hat die Welt wie eine Uhr einmal aufgezogen und dann läuft die Geschichte einfach ab und er schaut zu. So ist Gott nicht. Das ist keine christliche Gottesvorstellung!
Einer der das in besonderer Weise begriffen hat, ist der heilige Ignatius von Loyola. In seiner Betrachtung der Menschwerdung, die zum heutigen Fest der Verkündigen passt, lässt er den Betenden die Dreifaltigkeit Gottes schauen, wie sie auf die Erde schaut – und dann in die Geschichte eintritt: „Wie die drei Göttlichen Personen die ganze Fläche oder das gesamte Erdenrund voll von Menschen überschauten und, sehend wie alle zur Hölle abstiegen, in ihrer Ewigkeit beschlossen, dass die zweite Person sich zum Menschen mache, um das Menschengeschlecht zu retten, und, als die Fülle der Zeit gekommen war, den Engel Gabriel zu Unserer Herrin sandten.“ (EB 102)
Doch selbst, wenn man das anerkennt, dass Gott einmal vor 2000 Jahren in einer unübertroffenen Weise durch die Geburt, durch das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu in dieser Welt gewirkt hat, so kann man sich trotzdem fragen, ob er heute noch wirkt. Ob seine Gegenwart in dieser Welt und in meinem Leben spürbar und erfahrbar ist – gerade angesichts der viele schrecklichen Entwicklungen in dieser Welt, angesichts der weltweiten Ungerechtigkeit und Armut und der ökologischen Katastrophen. Hat er nicht sein Zelt unter uns schon längst abgebrochen?
Der Glaube hält sich dabei weiterhin ganz an Jesus Christus – und gerade deshalb hat das Fest seiner Menschwerdung (das Fest der Verkündigung unseres Herrn an Maria!) so eine große Bedeutung für uns. Gott wirkt durch Jesus Christus – auch wenn er nicht mehr unter den Menschen als ein Mensch lebt, so hat der Vater seinen Jüngern doch seinen Geist gesandt.
Das Wirken Gottes ist ein geistiges Handeln. Gott schraubt nicht an seiner Schöpfung herum wie ein Handwerker, sondern er ist Liebe und wirkt durch die Liebe in seinen Geschöpfen. Und zwar auf eine Weise ganz besonders: Durch den Glauben an Jesus Christus befreit er sie von Angst und Schuld und schenkt Leben in Fülle.
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“ – so sagt es der Apostel Paulus. Freiheit besteht eben nicht nur darin, dass ich wählen kann, welche Farbe mein Auto hat und ob ich gerne Pommes esse. Freiheit besteht auch in der Freiheit von Angst und Sünde, von dem, was mich von Gott absondert und in der Freiheit das zu tun, was dem Leben dient und worin Freude und Heil zu finden sind.
Wer so befreit durchs Leben geht, der erkennt das Wirken Gottes in allem. Ignatius beschreibt das am Ende der Exerzitien in der Betrachtung „um Liebe zu erlangen“. Sie ist ganz vom Wirken Gottes in dieser Welt geprägt: In der Schöpfung, in mir, in allen Elementen, und in einer andauernden Beziehung wirkt Gott auf eine geistige Weise. Er verschenkt sich – so erkennt Ignatius - wie die Strahlen der Sonne und wie der Quell des Wassers.
Der Weltvorstand der GCL ermutigt die Mitglieder, inmitten der Wirklichkeit von Not ein Zelt aufzustellen, einen Ort der Gottesbegegnung zu schaffen. Das möchte ich gerne unterstützen. Dafür können wir uns die Frage stellen, wo die GCL in Hamburg dies schon tut und wo sie es möglichweise noch tun möchte und kann. Entscheidend für diesen Anstoß ist aber die lebendige Erinnerung daran, dass Gott unter uns sein Zelt aufgeschlagen hat. Und dass wir selbst durch die Geistkraft mit ihm, dem Menschgewordenen, verbunden sind.

"Wir haben hier keine bleibende Stadt", Schlusslied aus der Sankt Georgener Messe (1993)
Text: Eugen Eckert, Musik: Herbert Heine

„Wir müssen in unseren Herzen eine Leidenschaft für die Botschaft des Evangeliums von Christi Freude, Einheit, Frieden und Liebe spüren“, so heißt es in dem Text am Schluss. Und weiter: „Wir wollen uns gemeinsam im Geist freuen. Wie Maria und Ignatius möchten wir offen und aufmerksam sein für die Bewegungen des Heiligen Geistes in unseren Herzen und verfügbar sein, um zu antworten: zu vertiefen, zu teilen und weiterzugehen.“