Montag, 5. Juni 2023

Orientierung mit dem Kompass


Predigt 2023 – Dreifaltigkeit 
Les: Ex 34, 4b.5–6.8–9; 2 Kor 13, 11–13; Joh 3, 16–18

Menschen suchen Orientierung in ihrem Leben, in der Welt. Der Glaube schenkt Orientierung. Er ist wie ein Kompass auf unserem Weg. Genauer: Gott selbst schenkt Orientierung durch Jesus Christus, im Heiligen Geist. Das feiern wir am Dreifaltigkeitssonntag. Gott ist einer – und er ist unsere Orientierung. Christen beten seit jeher „ad orientem“, d.h. nach Osten hin: orientiert auf den Lebendigen, der uns das Leben schenkt.

Heute, am Dreifaltigkeitssonntag, möchte ich zu zwei Fragen Stellung beziehen, die mir immer wieder in Glaubensgesprächen und Kursen gestellt werden und die beide mit unserem Gottesbild, mit dem christlichen Gottes-Verständnis zu tun haben.

1/ Die erste Frage betrifft das Gottesbild im Alten und im Neuen Testament. Der Gott, den Jesus Vater nennt und von dem er sagt, dass er den Heiligen Geist senden wird, ist ein Gott, der uns durch Liebe rettet. Oft stellt man nun den Gott der Liebe des Neuen Testaments dem Gott der Furcht im Alten Testament gegenüber. Doch das ist falsch. Gott ist derselbe. Wir, die Menschen, allerdings erkennen ihn mehr und mehr. Im Laufe der Geschichte schreiten wir voran zu einem besseren Verständnis Gottes bis hin zur endgültigen und unwiderruflichen Offenbarung Gottes in Jesus Christus.

Es gibt im Alten Testament verschiedene Gottesbilder, die nebeneinander stehen, auch Bilder, die uns verstören, von der Gewalt Gottes, der die Feinde besiegt und Ehrfurcht gebietend auftritt. In Ps 29 z.B. wird erzählt, wie die Stimme des Herrn donnert, voller Kraft die Zedern zerbricht und die Wüste beben lässt.

In der Lesung haben wir vom Gottesbild des Mose aus dem Buch Exodus gehört: „Der Herr ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue.“ So hat sich Gott dem Mose am Sinai offenbart. Mose hat Gott als einen barmherzigen und gnädigen Gott erfahren, dessen Treue zu seinem Volk bestimmender ist als seinen Zorn. Dieser Gott, der sich den Menschen zu wendet und bei Ihnen ist, begleitet sein Volk auf seinem Weg in die Freiheit. JHWH ist sein Name. „Ich bin da“ - mit euch und für euch da und ich weiß, dass nur die Liebe und die Vergebung eure harten Herzen erreichen.

Im Verlauf der Heilsgeschichte erkennt das Volk Israel seinen Gott mehr und mehr. Schon bei den Propheten, wie bei Jesaja, wird ein Gottesbild entfaltet, das Jesus dann aufnehmen und mit seinem eigenen Leben so bezeugen wird, dass darin für die Menschen Gott als eindeutig für den Menschen entschiedene Liebe erfahrbar wird.

Doch Jesus bietet eine Lesart, eine Interpretation und Vertiefung des Gottesbildes Israel an: in Gott ist nur Licht und keine Dunkelheit. Gott will nur und immer das Gute für den Menschen, er ist ihm in Liebe zugeneigt.

Man sollte also nicht das Gottesbild des AT und des NT gegenüberstellen, sondern im AT selbst gibt es verschiedene Gottesbilder. Jesus vertieft und hebt eines hervor. Ohne das AT ist das NT nicht zu verstehen. Wir lesen das AT vom NT und entdeckten, wie zum Beispiel hier bei Mose, was auch Jesus über Gott gesagt hat.

2/ Die zweite Frage betrifft die Inspiration der Bibel. Wir glauben: Die Bibel ist inspiriert, d.h. die Texte wurden von menschlichen Verfassern, unter dem Anhauch des Heiligen Geistes geschrieben. Es sind Erfahrungen von Menschen mit Gott. Insofern kann man sagen: Gott ist der Autor der Bibel, im Heiligen Geist.

Eine Frau fragte mich vor kurzem: Jesus hat den Heiligen Geist verheißen und gesendet, das bedeutet doch: der Heilige Geist kommt erst nach Jesus. Wenn Jesus weg ist, dann sendet er den Heiligen Geist. So sagt es Jesus tatsächlich als Trost für seine Jünger! Aber das bedeutet nicht, dass es den Heiligen Geist nicht schon vorher gab.

Gott ist dreifaltig von Beginn an: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Doch was bedeutet von Beginn an? Gott ist nicht erst Vater beziehungsweise Sohn in dem Moment, als Jesus Christus als Mensch geboren wird, sondern vor der Erschaffung der Welt.

Nun ist allerdings sein die Zeit und die Ewigkeit. Das heißt: die Zeit ist geschaffen. Gott ist ewig und in diesem Sinne zeitlos. Aber er ist in seinem Sohn in die Zeit gekommen. Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, und er wurde Mensch, hat Fleisch angenommen. Der Sohn ist derselbe beim Vater und als Mensch auf der Erde, Gott. Der Geist ist derselbe, bei der Erschaffung der Welt, im Leben Jesu, nach der Auferstehung, als Beistand der Jünger.

Alle Schriften der Bibel haben Gott Vater Sohn und Geist als Autor. Deshalb sind auch alle Schriften in der Bibel inspiriert, nicht nur die neutestamentlichen Schriften. Und sie alle sind inspiriert, auch wenn sie unterschiedlich sind, weil sie Erfahrungen von Menschen mit Gott widerspiegeln.

3/Welche Bedeutung hat das nun für uns Menschen, dass Gott sich im Verlauf der Heilsgeschichte offenbart und endgültig in Jesus Christus - als der Gott, der die Welt so sehr geliebt hat? Und welche Bedeutung hat es für uns, dass Gott als Heiliger Geist die Schrift inspiriert hat und uns in ihr begegnet?

Gott wirkt für uns immer als der eine und dreifaltige Gott, der Vater durch den Sohn im Heiligen Geist. Gott ist einer, ein Wesen. Es ist nicht, so dass erst der Vater etwas wirkt, ein anderes Mal der Sohn, und ein anderes Mal der Geist. Es gibt keine göttliche Arbeitsteilung, keinen Schichtdienst im Himmel. Wenn wir zu den unterschiedlichen Personen beten, mal zum Vater, mal zum Sohn, mal zum Heiligen Geist, dann ist das unsere Sichtweise oder Perspektive auf Gott.

Gott wirkt als der Vater durch den Sohn im Heiligen Geist, und er wirkt unsichtbar in Liebe. Man kann es vielleicht mit dem Kompass vergleichen. Es gibt ein großes, unsichtbares und für uns Menschen, nicht mit unseren Sinnen wahrnehmbares Magnetfeld der Erde. Das wirkt auf eine Kompassnadel, die selbst im Grunde ein kleiner Magnet ist und ein Magnetfeld hat. Im Magnetfeld der Erde richtet sie sich aus. Die Analogie ist: Gott ist diese Magnetkraft, der Sohn das Magnetfeld, dass diese Kraft vermittelt und der Heilige Geist in uns die Kompassnadel, d.h. der Magnet in uns, der in Wechselwirkung steht und uns ausrichtet auf Gott hin.

Das ist jetzt nur ein unvollkommener und technischer Vergleich, aber er macht deutlich: der Vater wirkt durch den Sohn im Heiligen Geist. Der Vater wirkt nicht ohne den Sohn und die Weise ist die der Anziehung der Attraktivität, der Gnade, der Zuwendung, der Liebe.

Der Evangelist Johannes macht dieses Wirken in seinen Bildern besonders deutlich: lieben und schenken beziehungsweise senden. Das sind die Verben, das ist die Weise des Wirkens der Dreifaltigkeit in dieser Welt, für uns im Glauben. Wenn wir uns darauf einlassen, werden wir gerichtet, ausgerichtet auf ihn hin. Amen.