Montag, 26. Dezember 2022

Das Medium ist die Botschaft




2022 Predigt Weihnachten – am Tag, Manresa - Hamburg

Les: Jes 52,7-10; Hebr 1,1-6; Joh 1,1-18 

Den Weihnachtsgruß auf schönen Karten verbinden mehrere Freunde von mir gerne mit einem Jahres-Rückblick. So erhalte ich auf ein oder zwei Seiten ihre Reflektion über das, was ihnen in den vergangenen Monaten wichtig geworden ist. Ich bin dankbar, dass ich so an den Ereignissen und Erfahrungen teilhaben darf. Vor allem freue ich mich über die Dankbarkeit und die Wertschätzung des Lebens und der Begegnungen, die ihnen geschenkt wurden, die in diesen Rückblicken deutlich wird.

Mit einem Rückblick, der auf ein oder zwei Seiten das Wesentliche der Erfahrungen zusammenfasst, haben wir es auch beim heutigen Evangelium am Weihnachtsfest zu tun. Es ist der Prolog des Johannes-Evangeliums, der in kondensierten Worten schon alles anklingen lässt, was der Evangelist dann im Weiteren als Erzählungen entfalten wird. 

Es ist wie ein Überblick über die Heilsgeschichte – vom Beginn der Schöpfung bis heute. Er spricht von der Friedensbotschaft, die der Welt überbracht wird – und auf welche Art und Weise diese Botschaft überbracht wird.

„Im Anfang war das Wort.“ Von Beginn an liebt Gott diese Welt, er ist der Schöpfer, schenkt Licht und Leben. Alles ist durch sein Wort geworden. Gott liebt die Menschen und er tritt mit ihnen in Beziehung. Auf welche Art und Weise? Lange Zeit haben die Propheten sein Wort überliefert. Mose hat dem Volk das Gesetz gegeben. Johannes hat glaubwürdig davon gesprochen, wie Gott auf die Menschen zukommt und was die Menschen tun sollen, damit sie seine Botschaft hören können. 

Im Brief an die Hebräer heißt es: „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern (und Müttern) gesprochen durch die Propheten.“ – Gott hat durch Mose, durch Jesaja, Jeremiah, Ezechiel, Daniel, usw. gesprochen. Sie alle waren Träger des Wortes, Boten der Freude, Vermittler der Gnade, Zeugen der Wahrheit. Ich bin mir sicher, dass diese Menschen eine besondere Beziehung zu Gott hatten, dass Gott sich Ihnen im Gebet offenbart hat, dass sie etwas von seiner Größe und seinem Heil erfahren haben und so anderen weitergeben konnten.

Nun, in der Mitte der Zeiten, wird die gleiche Botschaft allerdings auf eine neue Art vermittelt, nämlich durch den Sohn. „Am Ende dieser Tage hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben von allem eingesetzt.“ Das Wort, das Licht und Leben schenkt, wird nicht mehr nur überbracht, sondern es wird konkret erfahrbar, es „ist Fleisch geworden“. „Das Medium ist die Botschaft“, so könnte man sagen.

Warum spricht der Johannes-Prolog vom „Fleisch“? Warum sagt er nicht einfach das Wort ist „Mensch“ geworden? Das kommt wohl daher, dass zu der Zeit, in der dieser Text entstand, die Menschlichkeit, Jesu, seine Existenz in Fleisch und Blut, seine Geburt und seinen Tod, Gegenstand von Kontroversen und Bestreitung waren. Einige behaupteten wohl, das Wort Gottes habe sich nur einen menschlichen Umhang übergezogen, eine sterbliche Hülle angenommen, die keine weitere Bedeutung hatte. 

Johannes sieht in Leben, Tod und Auferstehung Jesu, in seinem Dienst und in seinem Wirken, Gott selbst am Werk, präsentisch, vor Ort, berührbar, verständlich, nahe, ansprechbar. Gott und Mensch, ihr beide atmet die gleiche Luft. Gott macht sich verletzlich, er lässt sich anstecken von den Krankheiten und Nöten der Menschen, ohne dass er aufhört, Gott zu sein, Gnade und Wahrheit zu schenken. 

Ich möchte Ihnen zum Verständnis einen Vergleich anbieten: Im vergangenen Jahr stellte sich im Blick auf die Treffen in der Gemeinde bzw. in der Glaubens¬information oder in der GCL häufig die Frage: online oder in Präsenz? Vielleicht kennen Sie diese Frage auch aus ihrem persönlichen oder beruflichen Umfeld. Die neuen Videotools haben es möglich gemacht, dass wir uns für ein digitales Treffen verabreden, bei dem jeder zu Hause vor seinem Bildschirm sitzt und die anderen Teilnehmer sehen und hören kann. Das funktioniert meist gut, nur selten gibt es noch Unterbrechungen oder Ausfälle. Fast jeder von Ihnen wird im vergangenen Jahr schon einmal an einer solchen Videokonferenz teilgenommen haben. 

Es ist nicht das gleiche „online“ oder „in Präsenz“, beides hat Vor- und Nachteile. Aber wie groß der Unterschied tatsächlich ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Der Vorteil einer Videokonferenz: sie ist für alle zugänglich, unabhängig von den Anfahrts¬wegen. Das spart Zeit und Geld. Vor allem junge Eltern, die sonst ein Baby¬sitter besorgen müssten, können abends zu Hause bleiben und trotzdem an einem Gemeinde-Treffen teilnehmen. Es gibt keine Gefahr, sich anzustecken oder zu verletzen. Jeder atmet die eigene Luft und bleibt bei sich. Ein Austausch von Gedanken, Worten, Bildern ist möglich, ein Gespräch in Kleingruppen lässt sich leicht organi¬sieren. Tatsächlich nutzen die meisten von uns diese Möglichkeiten gern, auch zum Beispiel für ein Familien oder Freunde treffen über weite Distanzen hinweg, wenn ein Teil der Familie zum Beispiel in einem anderen Land wohnt. 

Der Vorteil der Treffen an einem physischen Ort: es gibt einen Hinweg und einen Rückweg, bei dem man sich innerlich auf das Treffen vorbereiten beziehungsweise die Gedanken sortieren kann. Das entschleunigt, denn ich kann normalerweise weniger Verabredungen treffen. Außerdem gibt es die Möglichkeiten für Begegnungen am Rande: die informellen Gespräche zwischen Tür und Angel, kurze Verabredungen oder Nachfragen, die Möglichkeit für Zweiergespräche. Vor allem kann ich die Körpersprache wahrnehmen, die Mimik und Gestik, die Blicke, die Anspannung und die kleinen Bewegungen. Ich komme leichter in einen Dialog, ich kann riechen, schmecken, fühlen, Begeisterung wahrnehmen. Jeder atmet die gleiche Luft und macht sich verletzlich. 

Online ist nicht Präsenz. Wie gesagt, für manche ist der Unterschied nicht so bedeutend. Für andere schon. Die Information ist doch eigentlich die gleiche, oder?

Für Johannes wird mit der Geburt Jesu deutlich, dass Gott die Menschen nicht mehr nur informiert. Bisher kannten sie Gott aus Botschaften und über die Entfernung hinweg. Die Propheten haben die Begegnung auf Distanz ermöglicht. An Weihnachten feiern wir, das sein Wort in Raum und Zeit, an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit, erfahrbar, berührbar wurde. Dass bestimmte Menschen zu diesem Treffen eingeladen wurden und dabei waren. Sie haben die gleiche Luft geatmet wie der Sohn.

Sie können sagen: Das ist nur ein kleiner Unterschied, es ist eigentlich dieselbe Botschaft! Das stimmt. Doch für das Johannesevangelium ist klar: Dieses Licht, bei dem Botschaft und Medium identisch sind, vermag es, jeden Menschen zu erleuchten. Jeden, auch Dich und mich. Und so wechselt im Text das Subjekt und die Leser des Evangeliums werden hineingenommen in diese Kommunikation: „Er hat unter uns gewohnt. Wir haben seine Herrlichkeit geschaut. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade um Gnade.“ Wir alle. Du und ich. Wir sind hineingenommen in diese Begegnung. Hier und jetzt. 

Das ist eine Zeitenwende. Denn wenn wir dieser Gegenwart Gottes in Jesus Christus vertrauen, dann wir die Begegnung mit ihm für uns nicht nur zu einer Information. Sondern dann geschieht in uns selbst und durch uns in dieser Welt eine sichtbare und spürbare Veränderung.

„Jesus ist gekommen,“ so sagte der verstorbene Bischof Klaus Hemmerle, „Jesus ist wirklich gekommen, aufgebrochen aus dem Herzen Gottes selbst, her zu uns. Indem er es annahm, Mensch zu sein, nahm er uns an, so wie wir sind, und nahm zugleich an unserer Stelle und für uns Gott an, die ganze, alles fordernde Wucht eines heiligen Willens.“

Das Wort wird, wenn wir es hören und danach leben, in einem übertragenen Sinn auch in uns Fleisch - in uns und in unserem Handeln. Es wird neu Wirklichkeit, konkret erfahrbar, dort wo Menschen danach leben. 


Zeichen


 2022 Predigt Vierter Adventssonntag - Lesungen: Jes 7 und Mt 1 – „Zeichen“

Liebe Geschwister im Glauben!

Wir treffen in unserem Alltag andauernd kleine und große Entscheidungen, über deren Auswirkungen wir uns nur selten im Klaren sind. Wir sehnen uns nach einem geglückten Leben, und wir versuchen, gute Entscheidungen zu treffen. Doch was ist das Gute? Wie kann ich beurteilen, worauf es ankommt? Manchmal ist das Gute nicht so einfach erkennbar. Entweder, weil man nicht daran denkt, oder weil es nicht klar ist, welcher Weg dort hinführt. 

Sicherlich gibt es Gebote und Regeln, es gibt moralische Kriterien. Aber oft gibt es mehrere Möglichkeiten, die alle gut sind. Was ist das bessere? Wie schön wäre es, von Gott ein Zeichen zu bekommen, ein Hinweis! Wir schön wäre es persönlich zu spüren, dass er da ist und uns begleitet. Einfach, weil seine Gegenwart uns befreit, uns hilft und Frieden schenkt. 

König Ahas ist ein Herrscher, der von seiner eigenen Machtfülle und Intelligenz so überzeugt ist, dass er keine Zeichen von Gott braucht. Obwohl der Prophet Jesaja ihn auffordert, Gott um ein Zeichen zu bitten, lehnt er es ab, mit einer scheinbar frommen Begründung, scheinheilig könnte man sagen. Denn seine Aussage spielt Gottesfurcht vor, doch in Wirklichkeit hat er seine eigenen Pläne im Kopf. Er will in dem politischen Konflikt in der Region sich nicht mit dem Nordreich Israel gegen die heraufziehenden Assyrer verbünden, sondern er meint selbstbewusst, durch eine Allianz mit den feindlich Assyrern könnte er der lachende Dritte sein und geschickt die Oberhand behalten. Der Prophet Jesaja warnt ihn vor diesem Bündnis. Er soll nicht auf politische Machenschaften setzen, sondern auf Gott vertrauen. 

Anders Josef, der mit Maria verlobt ist. Er scheint betrogen worden zu sein, eine furchtbar demütigende Situation für ihn. Die Eheschließung steht kurz bevor, doch seine Verlobte ist schwanger, nicht von ihm. Das Vertrauen zerbricht. Was soll er tun? Wie soll er sich entscheiden? Eine Lösung muss gefunden werden. Er will sie nicht bloßstellen. 

Ob er um ein Zeichen gebeten hat, ist nicht überliefert, aber sein Glaube prägt ihn bis hinein in seine Träume. Er rechnet mit dem Eingreifen des lebendigen Gottes. Im Traum hört er, wer selbst ist („Sohn Davids“) und er bekommt auch ein Zeichen, was er tun soll. Diesem Zeichen folgt er. Dreimal übrigens wird Joseph in der Kindheitsgeschichte nach Matthäus wesentliche Entscheidungen aufgrund seiner Träume treffen: Nach der Hochzeit mit Maria auch die Flucht nach Ägypten und die Rückkehr nach Nazareth. Dreimal erfährt Joseph im Traum, was zu tun ist.

Wie berührt uns Gott? Der heilige Ignatius ist davon überzeugt, dass Gott mit den Menschen in Beziehung tritt, in der Gegenwart kommuniziert, und zwar nicht allgemein im Wort Gottes, das uns in der Bibel überliefert ist, oder in den Lehren der Kirche, sondern auch persönlich mithilfe von Gedanken und Gefühlen, die in uns entstehen. Er nennt es den „guten Geist“ oder den „guten Engel“, der die Seele sanft berührt, leicht und lind wie ein Tropfen Wassers, der in einen Schwamm eindringt. Die Berührung Gottes kann im Gebet, bei wachem Bewusstsein geschehen, oder auch im Traum. Beide Male geht es um die tiefen Schichten der Seele, in den Gott wirkt auf eine unglaublich feine, aber nachhaltige Art und Weise – und um die Wahrnehmung dieses Wirkens. Es geschieht, wenn wir uns innerlich loslassen können, wenn wir vertrauen, wenn wir nicht nur mit dem Verstand und dem eigenen Willen arbeiten, sondern tiefere Schichten unserer Seele in Bewegung kommen.

Drei Dinge sind dafür wichtig: 

1/ Grundlage dieser Spiritualität ist erstens die Ausrichtung auf Gott und die entsprechende Lebens-gestaltung nach der nach dem Evangelium, wie Ignatius es in dem Text Prinzip und Fundament beschreibt: „Der Mensch ist geschaffen dazu hin, Gott Unseren Herrn zu loben, Ihn zu verehren und Ihm zu dienen, und so seine Seele zu retten.“

Josef ist so ein Mann, der weiß, wie man nach Gottes Geboten lebt, „gerecht und fromm“, so heißt es im Text. Ein integrer Mann, und seine Frömmigkeit ist zutiefst menschlich. Er ist mit den heiligen Schriften vertraut, und er weiß, was Gott für sein Volk verheißen hat. 

2/ Grundlage dieser Spiritualität ist zweitens die Relativierung aller irdischen Dinge. Nichts ist Gott gleich. Gott steht immer an erster Stelle, weil er das Gute für den Menschen will. Ignatius formuliert diese Haltung so: „Die andern Dinge auf Erden sind zum Menschen hin geschaffen, und um ihm bei der Verfolgung seines Zieles zu helfen, zu dem hin er geschaffen ist. Hieraus folgt, dass der Mensch sie so weit zu gebrauchen hat, als sie ihm zu seinem Ziele hin helfen, und so weit zu lassen, als sie ihn daran hindern.“

Josef ist dafür ein Beispiel. Er ist kein Fanatiker, er will nicht, dass sie gesteinigt wird. Er geht bis an die Grenze des für ihn denkbar Möglichen. Er will sich von Maria trennen, in aller Stille, ohne Aufsehen zu erregen. Die schonendste Lösung in dieser komplizierten Lage. Das suchen, was hilft.

3/ Grundlage dieser Spiritualität ist drittens das Bewusstsein, dass wir Gott nicht begreifen können, dass Gott seine eigenen Wege hat und „Erfolg“ keiner der Namen Gottes ist. Sein Heil ist misst sich nicht nach mensch¬lichen Maßstäben. Wenn wir für Gottes Zeichen aufmerksam werden und empfänglich werden, dann braucht es ein achtsames Hinhören und Zuhören, das nicht schon von vorne rein weiß, was gut und richtig ist. Ignatius nennt es die Indifferenz: „Darum ist es notwendig, uns allen geschaffenen Dingen gegenüber gleichmütig (indiferentes) zu machen, überall dort, wo dies der Freiheit unseres Wahlvermögens eingeräumt und nicht verboten ist, dergestalt, dass wir von unserer Seite Gesundheit nicht mehr als Krankheit begehren, Reichtum nicht mehr als Armut, Ehre nicht mehr als Ehrlosigkeit, langes Leben nicht mehr als kurzes, und dementsprechend in allen übrigen Dingen, einzig das ersehnend und erwählend, was uns jeweils mehr zu dem Ziele hin fördert, zu dem wir geschaffen sind.“

Josef ist nicht gleichgültig in dem Sinne „jetzt ist eh alles egal“ oder „wie man es macht, ist es falsch“, sondern er ist gleichmütig, d.h. offen für die unerwarteten Wege und Lösungsmöglichkeiten Gottes. So wie ein Tor¬wart vorm Elfmeter sich nicht schon vor dem Schuss entscheiden sollte, ob er nach rechts oder links springt (denn in 50 % der Fälle läge er statistisch gesehen falsch!), so darf auch ein Christ, der mit dem Wirken des Heiligen Geistes in seinem Leben rechnet, nicht immer schon selbst wissen, was eigentlich zu tun ist, sondern er soll sich offen halten für das Wirken Gottes, für seine Zeichen. Indifferenz ist nicht Depression oder Dunkelheit, sondern eine freudige, achtsam, gespannte, energievolle, wache Aufmerksamkeit der Seele für die Wirkungen des Geistes, die sich in den Gedanken und Gefühlen zeigen; „adventliche Freude“ trotz einer Traurigkeit, könnte man auch sagen. 

Zurück zu den Zeichen. Alles in dieser Welt kann uns zum Zeichen Gottes werden. Es liegt am Kontext, an der Deutung, an der persönlichen Erfahrung. Eine Begegnung mit einem Freund kann führ mich zum Zeichen werden; ein Wort, das ich höre; ein Buch, das ich lese; ein Bild, das ich sehe; in allem kann Gott Begegnung feiern. 

Letzte Woche leuchtete während der Messe der französischen Gemeinde plötzlich die Liedanzeige im Altarraum auf. Die Anlage war sicherlich ausgeschaltet, das Programmiergerät lag in der Sakristei und es war auch nur auf der Seite des Altarraums etwas zu sehen, nichts bestimmtes, keine lesbaren Ziffern. Es werden irgendwelche merkwürdigen Stromstöße im Kabel gewesen sein, Schwingungen im Funkverkehr, keine Ahnung. Aber es ist für mich ein Zeichen geworden, das mich wach gemacht hat, gegen meine eigene Unaufmerksamkeit in der Messe. 

Das Zeichen, das Gott uns schenkt, an Weihnachten und – wenn wir es wahrnehmen auch hier und heute - ist die eindeutig für den Menschen entschiedene Liebe, die uns im Leben, im Tod und in der Auferweckung Jesu offenbar wird. Sie ist ein Zeichen für alle Menschen. Es wird uns jetzt gegenwärtig, wenn wir zusammenkommen, zwei oder drei in seinem Namen und Eucharistie feiern, das Zeichen des Bundes, dass Gott mit uns ist. Immanuel. Amen.


„Gott will, dass wir sehen, was er will und was er tut. Daher gibt er uns die großen Zeichen. Wer die Zeichen sehen kann, kann auch das Gemeinte erkennen. Die Jungfrau und das Kind: Zeichen dafür, dass unsere Hoffnung in Schwachheit und Armut geboren wird.“ (Schott, Einführung)


Montag, 5. Dezember 2022

Konflikte


Predigt Zweiter Sonntag im Advent A, 4.12.2022

Liebe Geschwister!

Johannes der Täufer ging in der Wüste. Die Wüste ist ein Ort, an dem es sich nicht gut leben lässt. Am Tag ist es heiß und die Sonne scheint. Und nachts ist es kalt. In der Wüste gibt es wenig Wasser, kaum frische Quellen. Die Wüste ist der Ort der wilden Tiere, und gefährlich. Und außerdem ist sie der Ort der Dämonen, ein inneres Schlachtfeld. Kurz gesagt: ein Ort der Konflikte!

Johannes der Täufer ging in die Wüste und verkündete dort die Bekehrung, weil er wollte, dass die Menschen neu anfangen. Er blieb nicht in Jerusalem, weil er sie an die privilegierte Zeit des Volkes Israel in der Wüste erinnern wollte. Er wollte sie gleichzeitig an die Botschaft des Propheten Jesaja und seinen Aufruf zur Umkehr erinnern. 

Johannes der Täufer in der Wüste provozierte Konflikte. Er konfrontierte die Menschen in Jerusalem mit ihren Sünden. Die Frommen, die Pharisäer und Sadduzäer beschimpfte er: "Ihr Schlangenbrut!" Und er warnte sie: Denkt nicht, dass ihr nicht gerichtet werdet, weil ihr die Juden seid, die Söhne Abrahams. „Jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen." Was für ein Typ! Was für eine Persönlichkeit der Konflikte! 

Manche nennen es „kommunikativer Klimawandel“; ich persönlich mag keine Konflikte. Ich mag es, wenn Menschen sich gut verstehen, wenn sie friedlich miteinander auskommen. Ich mag keine Konflikte, weil es im Moment zu viele davon gibt: Der Krieg in der Ukraine. Die Konflikte um Energie und Ökologie. Die Konflikte auf der Arbeit, in der Familie. Ich habe genug davon. Wie sehr ich mir Versöhnung und Frieden wünsche, Gerechtigkeit für die Menschen!

Aber ich habe entdeckt, dass es Menschen gibt, die Konflikte lieben. Nicht weil sie rachsüchtig sind oder auf Krawall gebürstet. Sie sind offenbar der Meinung, dass Konflikte uns etwas Gutes bringen können. 

Oft entstehen Konflikte mit dem, der anders ist. Der Fremde lässt uns die Andersartigkeit entdecken. Der Philosoph Michel de Certeau SJ hat darüber nachgedacht. Er sagt, dass Konflikte in der Gesellschaft und in der Familie, politische Konflikte, ökologische Konflikte usw. für Christen immer eine religiöse Dimension haben, weil - auch wenn eine Lösung bzw. eine von der Liebe geleitete Versöhnung nicht möglich ist - Konflikte Situationen sind, um den anderen und damit seine Andersartigkeit anzuerkennen und zu erkennen, dass wir noch den Weg zum Frieden suchen, den Christus uns gelehrt und eröffnet hat. 

Die Wahrnehmung der Realität wird auf die Probe gestellt. "We agree to disagree". Wir erkennen, dass Frieden und Gerechtigkeit noch nicht verwirklicht sind. Und wir entdecken die Unterschiede. Vielleicht ist dies der erste Schritt, um einen Konflikt für das Gemeinwohl zu nutzen.

Konflikte sind in gewissem Sinne das Gesetz unserer Existenz. Es wird immer Konflikte geben, weil wir auf diese Weise unsere persönlichen Interessen, Wünsche, Rechte usw. entdecken. Ein Konflikt ist die Art und Weise, wie wir die Rechte und Interessen anderer erkennen. Beispielsweise wurden die Menschenrechte durch eine ganze Reihe von Konflikten in Europa geformt. 

Auch in der Kirche gibt es Konflikte. Die aktuellen Diskussionen zum Synodalen Weg, der Besuch der Bischöfe in Rom, immer neue Meldungen über Beschwerden oder Rücktritte. Der heilige Paulus hat viele Konflikte in seinen Gemeinden erlebt. Er schreibt ihnen von seinem Wunsch nach Versöhnung: „Der Gott der Geduld und des Trostes aber schenke euch, eines Sinnes untereinander zu sein, Christus Jesus gemäß, damit ihr Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, einmütig und mit einem Munde preist. Darum nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes!“ (Röm 15)

Paulus lehrt uns viel über Konflikte: Der Konflikt zwischen dem Fleisch und dem Geist. Zwischen Griechen und Hebräern. Zwischen den Reichen und den Armen. Im ersten Brief an die Korinther schreibt er: „Zunächst höre ich, dass es Spaltungen unter euch gibt, wenn ihr als Gemeinde zusammenkommt; zum Teil glaube ich das auch. Denn es muss Parteiungen geben unter euch, damit die Bewährten unter euch offenkundig werden.“ (1Kor 11,18-19).

Paulus zeigt, dass Konflikte uns eine doppelte Gnade verleihen. Jene, dass wir uns selbst in Frage stellen, eine Revision unseres Lebens beginnen und jene, dass wir bei anderen etwas Neues entdecken. 

Zum Beispiel die Entdeckungen über den Missbrauch von Minderjährigen durch Priester und Bischöfe. Es ist schrecklich, was sich da gezeigt hat: Sünde, Gewalt und das Böse innerhalb der Kirche. Aber es gibt trotz allem eine Gnade. Durch die Presse und die Medien, die sich in den Konflikt begeben haben, die sich der Macht der Kirche widersetzt haben, die nicht sehen wollte, was man entdeckt hat, hat das Volk Gottes eine Gnade erhalten. Die der Wahrheit. Da bin ich mir sicher.

Wir sehen uns nach Versöhnung und Frieden unter den Menschen. Der Prophet Jesaja kündigt uns diese messianische Versöhnung mit dem Bild eines Zweiges an, der „aus dem Baumstumpf Jesse hervorgehen“ wird. Ein Baumstumpf ist ein abgetrennter, toter Baum. Dort, wo es keine Hoffnung auf Leben mehr gibt, wo alles tot zu sein scheint, wird etwas Neues hervorgehen.

Der Prophet Jesaja verkündet uns diese Neuigkeit mit seinen Bildern vom messianischen Frieden zwischen Tieren und Menschen: „Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie. Kuh und Bärin nähren sich zusammen, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter und zur Höhle der Schlange streckt das Kind seine Hand aus.“

Diese Vision von der Vielfalt und Schönheit des Lebens inspiriert mich persönlich dazu, Gutes zu tun. Es gibt ein Ziel, ein Ideal: Die Versöhnung und die Gerechtigkeit des Messias. Sie wird nicht - wie so oft - auf dem Rücken der Kleinen stattfinden. Im Gegenteil: „Er richtet nicht nach dem Augenschein und nach dem Hörensagen entscheidet er nicht, sondern er richtet die Geringen in Gerechtigkeit und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist.“

Zum Abschluss bleibt eine Frage: Was motiviert mich Gutes zu tun - inmitten all der Konflikte? Woher kommt die Inspiration, um für den Frieden zu arbeiten? Wo finde ich die Energie, um eine Versöhnung für möglich zu halten?

Tue ich etwas Gutes, einfach weil es gut ist? Ist es die Belohnung im Himmel, die mich motiviert und mir Durchhaltevermögen verleiht? Ist es das Versprechen Christi, am Ende der Zeit mit ihm in seinem Reich zu sein? Vielleicht ist all das eine Motivation für Christen. Aber die heutigen Lesungen bieten uns eine andere Motivation als diese. Es gibt eine geistliche Motivation:

Johannes der Täufer sagt es uns: Der aber, der nach mir kommt, …  wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“

Der Prophet Jesaja kündigt den Messias an als denjenigen, auf dem der Geist des Herrn ruhen wird: „der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.“

Dieser Geist zeigt sich in einer inneren Haltung. Dieser Geist zeigt sich im kleinen, konkreten Alltag des menschlichen Lebens. Dieser Geist zeigt sich in der Art und Weise, wie Konflikte ohne Gewalt gelöst werden: „Er schlägt das Land mit dem Stock seines Mundes und tötet den Frevler mit dem Hauch seiner Lippen.“ Gewaltlos. Seine Rüstung ist Gerechtigkeit und Treu.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Ja, wir erleben überall Konflikte. Und ja, wir hoffen auf Versöhnung und Frieden. Adventliche Menschen leben in diesen Konflikten mit dieser Hoffnung auf Frieden. Und sie bekommen immer neue Kraft dazu durch Heiligen Geist. Sie lassen sich in ihrer Hoffnung beschenken, motivieren, inspirieren. Amen.