Dienstag, 1. Juni 2021

Ein Gott in drei Personen

Predigt Dreifaltigkeitssonntag 2021 

Das Hochfest Dreifaltigkeit, das wir heute feiern, scheint auf den ersten Blick ein geheimnisvolles, theologisches, vielleicht sogar abstraktes Fest zu sein. Die Lesungen zum heutigen Tag sind jedoch voller Dynamik. Das wird allein schon an den Verben deutlich: Es sind Aufforderungen, das Wirken und Handeln Gottes wahrzunehmen und darin mitzuwirken. 

Zunächst in der alttestamentlichen Lesung aus dem Buch Deuteronomium: „forsche nach“ – „erkenne“ – „nimm dir zu Herzen“ (Dtn 4)

In der Beziehung zu Gott spielt das subjektive Gefühl eine große Rolle, das Empfinden, aber eben auch der Verstand, die Tatsachen, die Geschichte, die Welt und das was uns darin widerfährt. 

Wer ist Gott? Die Ereignisse der Vergangenheit bestätigen für Israel, dass der Gott des Bundes nicht nur die anderen Götter übertrifft, sondern dass es letztlich nur einen Gott gibt, einzigartig. Er ist der Schöpfer des Himmels und der Erde. Das ist unser Bekenntnis! „Es gibt keinen anderen Gott!“ Das Entscheidende dieses Bekenntnisses zeigt sich in der täglichen Treue zu seinem Wort. 

Wie ist das möglich - in einer Welt mit vielfältigen religiösen Bekenntnissen, mit Religionsfreiheit und religiöser Toleranz als Grundvoraussetzung des Zusammenlebens, mit der Betonung der individuellen Verantwortung eines jeden für seinen Glauben? 

Darauf antworten die beiden neutestamentlichen Lesungen. So finden sich auch im Evangelium drei entscheidende Verben: „geht zu allen Völkern und macht zu Jüngern“ – „tauft sie“ – „lehrt sie zu befolgen“ (Mt 28)

Diese letzten Verse im Matthäusevangelium werden meist als „Missionsbefehl“ bezeichnet. Geht es Jesus tatsächlich darum, alle Menschen zu „Christen“ zu machen? Und wenn ja, kann man so etwas heutzutage in einer pluralen Welt noch allen Ernstes vortragen? 

Schauen wir zunächst auf den Text. Es geht nach Matthäus offensichtlich darum, die Botschaft des Evangeliums in die ganze Welt hinauszutragen, zu allen Völkern, und die Menschen darin zu unterweisen. Das ist der eigentliche Sinn von „zu Jüngern machen“, wörtlich „zu Schülern machen“, also: unterrichten, erklären, verdeutlichen. 

Und jene, die unterrichtet wurden und dann Schüler geworden sind, diese sollen die Freunde Jesu taufen. Mit anderen Worten: Nicht alle Menschen sollen getauft werden, sondern von allen Menschen jene, die - nachdem sie die Botschaft des Evangeliums kennen gelernt haben – sich entschieden haben und Schüler geworden sind. Und nicht nur taufen, sondern - das ist das dritte Verb, der dritte Schritt – „sie lehren alles zu befolgen, was Jesus geboten hat.“ Wenn Christ dann richtig, so würde ich frei übersetzen. Wer an Jesus glaubt, der soll auch so handeln (vgl. Joh 13,34; 14,21).

Diese vitale Verbindung zwischen Glauben und Praxis findet sich auch im Brief an die Römer. Drei Verben: „sich vom Geist leiten lassen“ – „sich nicht fürchten müssen“ – „Kinder und Erben sein“ (Röm 8)

Die Gebote Jesu halten beziehungsweise befolgen – erst darin kommt die Taufe in ihre volle Bedeutung. Als Getaufte und als Getaufter tritt die Glaubende bzw. der Glaubende ein in die Beziehung zum Vater, in die Beziehung zu Jesus als dem Bruder, in die Beziehung zum Geist in ihm beziehungsweise in ihr. 

Romano Guardini hat einmal gesagt: Der im Gebet gewachsene Christ wird in dem Maß, in dem sich ihm das trinitarische Geheimnis erschließt, eine besondere Beziehung wahrnehmen mit dem Vater, mit dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Diese Beziehung hängt an dem Bekenntnis zum einen und einzigen Gott. In diesem Bekenntnis Gott zeigt Gott selbst sich uns in verschiedenen Personen oder Gesichtern. So wie man z.B. sagt, dass eine Stadt verschiedene Gesichter habe. Hamburg hat verschiedene Gesichter, jeder von uns kennt einige davon. 

Dieses Bekenntnis an den einen und einzigen Gott schließt nicht in Dialog mit anderen Religionen aus. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Kirche viel von anderen Religionen gelernt und erkennt auch in anderen Religionen „Strahlen der Wahrheit“, wie es im Zweiten Vatikanischen Konzil heißt. 

Das Bekenntnis zu Gott bedeutet auch, dass ich nicht Gott bin und nicht über andere Menschen und ihren Glauben urteile. Ich kann sie als Brüder und Schwestern annehmen, auch wenn sie einen anderen Glauben haben. Ich bin ein Mensch und habe eine begrenzte Perspektive. Ich kenne nicht die ganze Wahrheit, aber ich glaube, Wesentliches erfasst zu haben. So heißt es im Zweiten Vatikanischen Konzil: Niemand besitzt die Wahrheit, sondern die Wahrheit muss in einem Dialog gesucht werden (DH 3); „… und anders erhebt die Wahrheit nicht Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt.“ (DH 1)

Mit den Muslimen teilen wir das Bekenntnis zum einen und einzigen Gott, dem Schöpfer und dem Richter. Wir glauben an diesen einen und einzigen Gott! So heißt es dort: „Der Heilswille umfasst auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird.“ (LG 16). 

In besonderer Weise teilen wir den Glauben an den einen und einzigen Gott mit den Juden: „Jenes Volk, dem der Bund und die Verheißungen gegeben worden sind und aus dem Christus dem Fleisch nach geboren ist.“ (LG 16) 

Bekennen wir gemeinsam den Glauben an den einen und einzigen Gott in drei Personen.