Predigt 26 So im Jahreskreis B – Manresa, 29.9.2024
Les: Num 11,25-29; Jak 5,1-6; Mk 9,38-49
"Hör auf deine Hände und sie werden Dich glücklich machen." – so lese ich auf einem Plakat eines bekannten Baumarkts. Im Evangelium lese ich das Gegenteil: "Wenn deine Hand dir Ärgernis gibt, dann hau sie ab!" (Mk 9) Was ist denn nun richtig?
Es ist ein merkwürdiger Evangeliums-Text, den wir gerade gehört haben, indem verschiedene Lehraussagen Jesu aneinandergereiht wurden. Doch ergibt sich nicht gerade in dieser Zusammenstellung durch Markus ein neuer Sinn für uns? Es sind drei Abschnitte, drei Zurechtweisungen, und sie haben alle mit einer Haltung zu tun, die im Glauben wesentlich ist.
1/ Der erste Abschnitt handelt von der Begegnung der Jünger mit einem Wundertäter, der nicht zur Gruppe von Jesus und seinen Jüngern gehört, aber im Namen Jesu Dämonen austreibt - und dies offenbar erfolgreich. Die Jünger halten das für „spirituelle Aneignung“ und versuchen, ihn daran zu hindern. Doch Jesus weist sie zurecht: „Hindert ihn nicht!“. Der Meister ist tolerant und gechillt. Schon allein aus Nützlichkeitserwägungen versucht er, sie zu bremsen. Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden! Ein ganz moderner Jesus, als wollte er sagen: Seid freigiebig! Lasst es zu! Übergebt es dem Wirken Gottes. Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden.
2/ Der zweite Abschnitt, der zunächst ja auch einladend und tolerant beginnt, weist darauf hin, dass die im Verborgenen geübte Nächstenliebe an den Mitchristen das Entscheidende ist, konkret: dem anderen einen Becher Wasser zu geben. Doch über das Stichwort der „Bedürftigkeit“ der Kleinen wird die Rede plötzlich zu einer Warnung vor der Verführung zum Bösen. Es geht um „die Kleinen, die glauben“. Sind damit Kinder gemeint? Oder neu im Glauben stehende Menschen? Oder die Gläubigen insgesamt? Es gibt dazu unterschiedliche Interpretationen. Klar ist jedoch, wovor gewarnt wird: vor dem „Ärgernis geben“, griechisch skandalon, also eigentlich „Glaubensabfall verursachen“. Es wird davor gewarnt, einen Skandal zu verursachen, so dass andere den Glauben verlieren bzw. aus der Gemeinschaft der Glaubenden hinausgedrängt werden. Gewarnt wird vor einem unglaubwürdigen Verhalten von Christen.
Eine Aktualisierung für heute fällt nicht schwer. Der sexuelle Missbrauch in der Kirche, die Verbrechen von Amtsträgern, die Privilegien, die Ehrsucht und das Machtgehabe: Immer, wenn das Verhalten von Christen dazu führt, dass Menschen am Glauben verzweifeln und aus der Kirche austreten, handelt es sich theologisch gesprochen um einen Skandal. Wer so etwas verursacht, „für den wäre es besser“, so heißt es, „wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde“. Diese Todesstrafe war bei den Juden nicht üblich, aber ich glaube, jeder kann sich vorstellen, was damit gemeint ist.
3/ Und schließlich der dritte Abschnitt: eine Warnung vor der Verführung zum Bösen durch sich selbst. Hier geht es nicht um andere, die Ärgernis geben oder Skandal beziehungsweise Glaubensabfall verursachen, sondern da geht es um mein eigenes Verhalten, das dazu führen kann, dass ich den Glauben an die Güte und die Allmacht Gottes verliere. Haben Sie diesen Gedanken schon einmal gehabt? Markus gibt drei konkrete Beispiele
a/ Wenn deine Hand dir Ärgernis gibt. Die Hand steht symbolisch für das Handeln der Menschen. Wenn ich stehle, wenn ich schlage, wenn ich anderen den Hals umdrehe und ihnen die Luft zum Atmen nehme, immer dann wird dieses Handeln, das nicht nach Gottes Willen ist, dazu führen, dass mein Glaube rebelliert. Soll ich dann lieber den Glauben verlieren oder lieber das Handeln radikal ändern?
b/ Wenn dir dein Fuß Ärgernis gibt. Der Fuß steht das für das Verhalten der Menschen. Wenn ich andere trete oder wenn ich den Konflikten meines Lebens aus dem Weg gehe, wenn ich vor Problemen weglaufe, wenn ich nicht den Weg in die Kirche finde, sondern lieber in die Kneipe gehe, immer dann, wenn mein Verhalten nicht nach Gottes Willen ist: Sollte ich dann lieber Gott aus dem Weg gehen oder einfach mal vor ihm stehen bleiben?
c/ Das dritte Beispiel ist das Auge. Das ist ein wohl zu uns heute sprechendes Bild. Auch wir sagen heute noch: „jemand hat begierige Blicke“. Wenn wir Angst haben, dass wir im Leben zu kurz kommen, dann schauen wir auf alles und jedes mit Neid und Missgunst. Wenn wir nur darauf achten, dass wir unsere Begierden und Wünsche befriedigt bekommen, dann „mästen“ wir unsere Herzen (Jak 5), statt nach Gerechtigkeit zu suchen. Und dann wird diese Haltung, dieser Blick auf die Welt, mit der Zeit auch unseren Glauben skandalisieren. Werde ich dann den Glauben aufgeben oder diese Haltung aufgeben?
Gerade diese Haltung, die Angst um mich selbst, verhindert das Vertrauen in Gott! Kann ich loslassen und mich öffnen? Wir hören im Evangelium drastische Worte, die uns warnen sollen. Letztlich geht es um eine Einladung zum wirklichen, ernsthaften und beständigen Glauben.
Der heilige Ignatius gibt als Hinweis für das Vorbereitungsgebet in den Exerzitien den Hinweis: „von Gott unserem Herrn die Gnade erbitten dazu hin, dass alle meine Absichten, Handlungen und Beschäftigungen rein im Dienst und in der Verherrlichung Seiner Göttlichen Majestät geordnet seien.“ (EB 46). Denn er hat in seinem Leben mehr und mehr entdeckt, was wirklich „Glaube“ bedeutet: ein Vertrauen auf die Führung durch Gottes guten Geist. Und er hat erfahren, dass es Handlungen, Verhalten und Haltungen gibt, die den Glauben töten, und solche, die ihn fördern.
Es ist heute, in einem oft ungläubigen Umfeld, sicher nicht leicht, den Glauben zu leben. Der Heilige Geist möge Sie im Glauben stärken, dass Sie tolerant mit anderen umgehen, sorgsam den Glauben in der Kirche schützen und das eigene Verhalten, die eigenen Handlungen und Ihre Haltung immer wieder prüfen, ob sie der Beziehung, die Gott durch Jesus Christus mit Ihnen begonnen hat und vertieft, entspricht. Amen.