Predigt 25. Sonntag im Jahreskreis B | Hamburg 22.9.2024
Les: Weish 2,1.12.17-21; Jak 3,16-4,3; Mk 9,30-37
Vorletzte Woche war ich mit einer Pilgergruppe in Schweden: 26 Personen, eine Woche mit dem Bus, unterwegs an schönen Orten, auf den Spuren des heiligen Ansgar und der heiligen Birgitta, die für den christlichen Glauben im Norden eine besondere Bedeutung haben. Es waren intensive und gesegnete Tage mit vielen Begegnungen mit den Ordensgemeinschaften bzw. mit den Gemeinden vor Ort. Denn das Ziel der Reise war es, nicht nur historische Sehenswürdigkeiten zu erkunden, sondern auch das Leben der katholischen Kirche in Schweden heute kennen zu lernen. So haben wir unterwegs immer wieder Menschen getroffen, die uns von ihrem Glauben, ihren Fragen, Sorgen und Nöten und vor allem von ihrer Hoffnung berichtet haben: In Lund trafen wir einen GCL-er und eine Dominikanerin, in Vadstena eine Birgittin, in Stockholm und in Uppsala die Jesuiten, in Södertälje einen chaldäischen Bischof und in Linköping einen schwedischen Diakon mit seiner Frau.
Zwei Dinge sind uns bei der ganzen Reise immer wieder besonders aufgefallen:
1/ Es ist eine kleine Kirche. Offiziell sind 1,8 % der Schweden Mitglied der katholischen Kirche, d.h. es gibt in ganz Schweden weniger Katholiken als in der Stadt Hamburg. Nach der Reformation war es dort verboten, katholisch zu sein. Das öffentliche Bekenntnis wurde bestraft, bis hin zur Todesstrafe. Im 19. Jahrhundert gab es offiziell eine erste katholische Gemeinde, erst seit 1951 gibt es in Schweden Religionsfreiheit. Seit 2001 gibt es keine Staatskirche mehr, d.h. die Schweden sind seitdem nicht mehr automatisch Mitglied der lutherischen schwedischen Kirche. So bedeutet Religionsfreiheit bis heute für die meisten Menschen in Schweden, die Freiheit von der Religion, d.h. man muss nicht unbedingt gläubig sein. Nur wenige sehen die positive Seite der Religionsfreiheit für die Religion, nämlich die Möglichkeit die eigene Religion frei leben zu dürfen.
Die Kirche lebt vom Engagement und von der Hoffnung der Menschen. Es gibt außer den Priestern und Ordensleuten quasi keine Hauptamtlichen. Die finanzielle Unterstützung durch die deutsche Kirche und insbesondere das Bonifatiuswerk wurde uns gegenüber immer wieder hervorgehoben. In der schwedischen Gesellschaft wird die katholische Kirche kaum wahrgenommen, sie ist eher arm und wirkt fremd und exotisch. Gleichzeitig bietet sie für jene, die suchen, ein anspruchsvolles und gutes Angebot, die Gemeinden wachsen, es gibt insbesondere aus der Schicht der schwedischen Intellektuellen viele Konvertiten. Sogar einige evangelische Ordensgemeinschaften sind übergetreten. Das birgt viele Fragen und Herausforderungen, macht zugleich aber deutlich, wie sehr die katholische Tradition geschätzt wird, selbst wenn die Kirche klein und oft sehr fragil ist.
2/ Wir haben zweites eine große Gastfreundschaft erlebt. Wir wurden von Menschen aus den Gemeinden und Gemeinschaften erwartet und empfangen. Türen haben sich geöffnet, und jedes Mal gab es Kaffee und Zimtschnecken und eine schlichte Herzlichkeit. Viel beeindruckender jedoch finde ich die Gastfreundschaft gegenüber den Migranten. Schweden hat eine große Zahl von Irakern aufgenommen, später auch Syrer und Afghanen. Und von den Irakern sind viele chalädisch-katholische Christen. Sie feiern ihre Gottesdienste in den römisch-katholischen Gemeinden. Auch da gibt es manchmal Spannungen, aber insgesamt ist das bewundernswert, welche Gastfreundschaft die Schweden insgesamt und besonders die katholischen Gemeinden leben.
Warum erzähle ich Ihnen das? Weil es wesentlich mit dem heutigen Evangelium nach Markus zu tun hat. Dort geht es um zwei entscheidende Haltungen, die den Jüngern Jesu in der Nachfolge vorgestellt werden: Demut und Gastfreundschaft.
Jesus möchte seinen Jüngern unterwegs etwas mitgeben, nicht einfach nur eine Info mitteilen, was in den nächsten Wochen geschehen wird, sondern er möchte sie unterweisen, er möchte sie seine Sicht der Dinge lehren. Sie verstehen es leider nicht, trauen sich aber auch nicht, ihn zu fragen.
Und das genau ist das Problem: sie sind nicht bereit zu fragen oder zu bitten. Sie meinen, sie könnten alles allein. Sie denken, sie sind die Größten. Sie sind mächtig. Sie sind wichtig. Und genau das ist nicht der Weg Jesu! Sondern den Jüngern ist ein Schatz „in zerbrechlichen Gefäßen“ (2Kor 4) anvertraut. Jüngerinnen und Jünger Jesu wagen zu fragen und zu bitten, Gott und den Nächsten, denn sie sind sich ihrer Verletzlichkeit bewusst. Nicht die Größe ist entscheidend, sondern die Demut, d.h. der Mut zu dienen und seine eigene Bedürftigkeit nicht zu verbergen: so wie ein Kind. Klein sein dürfen, d.h. nicht sich klein machen oder sich minderwertig fühlen, sondern die eigene Verletzlichkeit annehmen und nicht auf Macht und Stärke und Größe zu setzen, sondern auf Liebe und Wahrhaftigkeit.
Und die andere Haltung, die für Jesus entscheidend ist: die Gastfreundschaft! “Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.“ (Mk 9,37) Gastfreundschaft um Jesu willen: weil deine Freunde, Jesus, auch meine Freunde sind!
Gastfreundschaft ist mühsam: sich bereithalten, etwas vorbereiten und einkaufen, Zeit und Raum öffnen, auf anderes verzichten. Aber sie ist in besonderer Weise bereichernd, weil sie Begegnung ermöglicht, die nicht von Gewinn und Nützlichkeit bestimmt ist, und weil sie einen Vorgeschmack gibt auf das himmlische Fest, bei dem wir alle Gäste des Ewigen sein werden.
Demut und Gastfreundschaft, das sind zwei Haltungen für Jüngerinnen und Jünger Jesu, die auch oder vielleicht gerade in einer säkularisierten Gesellschaft angebracht sind, in der die Polarisierungen zunehmen: Ob mit Zimtschnecken oder ohne!
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