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Predigt Aschermittwoch 2024
Les: Joel 2,12-18; 2Kor 5,20-6,2; Mt 6,1-6.16-18
„Asche auf mein Haupt“, so sagt man, wenn man einen Fehler begangen hat oder sich einer Schuld bewusst ist, und Reue zeigt. Die staubige Asche auf dem Kopf ist religiös seit mehr als 2000 Jahren ein Zeichen der Klage und der Buße: bei den Israeliten, den Ägyptern, den Arabern und den Griechen. Es ist ein Bild für die Vergänglichkeit und die Trauer bzw. die Buße.
Die Asche ist hier und heute ein Zeichen für den Beginn der österlichen Bußzeit. Seit mehr als 1000 Jahren gibt es in der Kirche den Brauch, sich zu Beginn der Fastenzeit mit Asche bestreuen zu lassen. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mit dem Ritual des Aschekreuzes so meine Schwierigkeiten habe: „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“ Ist diese Botschaft befreiend? Hilfreich? Im Sinne des Evangeliums?
Die Frage, ob solche Art von Zeichen, von Gesten und äußerlicher Buße sinnvoll ist, gibt es schon lange. Der Prophet Jesaja fragte, ob es im Sinne Gottes sei, sich zur Buße mit Asche zu bestreuen: „So spricht der Herr: Ist das ein Fasten, wie ich es wünsche, ein Tag, an dem sich der Mensch demütigt, wenn man den Kopf hängen lässt wie eine Binse, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem Herrn gefällt?“ (Jes 58,5)
Nun, wie auch bei anderen Riten, so kommt es auf die richtige innere Einstellung und das rechte Verständnis an und ich habe mir dazu einige Gedanken gemacht. Ich lade sie ein, diesen Gedanken zu folgen und zu schauen, ob sie damit etwas anfangen können, für ihren Alltag in den nächsten Wochen.
Am Anfang steht das Feuer. Das Feuer des Heiligen Geistes. Die Glut der Liebe. Der Lichtschein der Wahrheit. Die Wärme des Lebens und die Zuversicht des Glaubens. Wenn ich mich für etwas begeistern kann, dann springt der Funke über, dann bin ich Feuer und Flamme, dann brenne ich.
Einigen Menschen steht die Lebendigkeit, die Freude ins Gesicht geschrieben: Sie haben eine gesunde Gesichtsfarbe, rote Wangen. Man spürt gleichsam den Pulsschlag des Lebens in ihren Worten und Gesten. Jugendliche Frische und Lebendigkeit beeindrucken und erfreuen. Und manche denken, dass dies das Leben sei.
Doch weiß jeder, der sich etwas umschaut, und auch aus dem eigenen Erleben, dass es kein Feuer ohne Asche gibt. Bei allem, was wir tun, gibt es nicht nur Reibungsverluste, sondern auch Fehler, Missverständnisse und Scheitern. Einige Menschen stören sich nicht daran und sagen, „wo gehobelt wird da fallen Späne“.
Andere Menschen aber empfinden ein Missbehagen angesichts des eigenen Fehlverhaltens oder fremder Missgunst. Das unbedachte Wort in einer E-Mail, die aus Ärger geschrieben wurde. Der vergessene Geburtstag einer Bekannten. Die Wut und der Zorn über die Fehler von anderen.
Es gibt keine perfekte, schöne Welt und wir leben mit unseren Begrenzungen, unserer Verletzlichkeit und unserer Vergänglichkeit, unserem Scheitern, unserem ambivalenten Verhalten. Das liegt an der Sünde, die sich breit macht. Und trotzdem ist das Leben lebenswert, ist nicht alles vergeblich. Es gibt das Feuer nicht ohne die Asche, und trotzdem bin ich froh, dass es das Feuer gibt.
Anmerkung: Physikalisch ist das nicht ganz richtig, dass es kein Feuer ohne Asche gibt. Bei der Verbrennung von Wasserstoff zum Beispiel entsteht keine Asche, sondern Wasser. Aber ich bleibe jetzt hier einmal beim Bild vom Feuer und von der Asche - als einem Symbol.
Es gibt die Asche im Leben. Angesichts dieser Erkenntnis gibt es nun zwei Straßengräben, d.h. falsche Verhaltensweisen, die die von Menschen eingenommen werden.
1/ Die eine Weise ist, nur auf die Asche bei sich selbst zu schauen. Voller Skrupel und mit einem sehr hohen Ideal die eigenen Fehler, das eigene Scheitern und die eigene Vergeblichkeit zu beklagen und völlig gefangen zu sein in Selbstzweifeln und Bitterkeit. Und dann letztendlich gar nichts mehr zu Wege zu bringen. „Es ist doch alles vergebliche Liebesmühe.“ – „Wie man man’s macht, macht man es falsch.“ Vielleicht kennen Sie solche Leute.
2/ Der andere Straßengraben ist, nur auf die Asche bei anderen zu schauen. Überhaupt keine Selbstzweifel zu haben, sämtliche negativen Gefühle, Fragen oder Verletzungen wegzudrücken und die eigene Schuld angesichts der riesigen Fehler der anderen dauernd zu relativieren. Den Splitter im Auge des anderen sehen, aber den eigenen nicht. Die Verantwortung für das eigene Leben nicht zu übernehmen. „Schuld sind immer die anderen.“ Vielleicht kennen Sie auch solche Leute.
Das sind die beiden Straßengräben. Aber wo geht der richtig Weg lang?
Das Evangelium erinnert heute an den Vater, der auch das Verborgene sieht. Dreimal wird dies im Evangelium wiederholt. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es die vergelten. Dein Vater, der ins Verborgene blickt. Gott sieht das, was innen ist, nicht auf das Äußere.
Wird uns dann angst und bange? Wenn Gott alles sieht, was sieht er da? All unsere Süchte, unsere Bequemlichkeit, unsere Langeweile. Die Zeiten, wo man innerlich so voller Ärger und Wut ist, oder so voller Traurigkeit und Enttäuschung, dass alles um einen herum darunter leidet, dass am Ende des Tages nicht viel mehr übrigbleibt als ein paar zugeschlagene Türen und Worte, die man hinterher bereut?
Aber Gott sieht eben auch das Feuer, das Gute, das Leben in mir. Die Botschaft des Evangeliums vom Vater, der in das Verborgene blickt, ist eine frohe Botschaft, sobald mir diese Wirklichkeit meines Lebens bewusst wird - und dass gerade dieser Blick Gottes innerlich Heilung und Vergebung schenkt.
Der Weg ist also, Gott draufschauen zu lassen. Zugeben: Ja, Vater, ich habe gesündigt, ich bin nicht perfekt. Das bekennen wir, wenn uns mit dem Zeichen der Asche bezeichnen lassen. Es braucht Heilung durch das Kreuz. Das Kreuz ist das Zeichen der Barmherzigkeit Gottes.
Es wird in diesen Tagen viel über die Barmherzigkeit gesprochen. Manchmal wird das Wort auch missverstanden, so als ob es nichts mehr gibt, was richtig und was falsch ist. Die Erfahrung der Barmherzigkeit hat damit zu tun, dass ich etwas in meinem Leben als falsch erkenne und trotzdem auf Heilung hoffe, trotzdem glaube, dass Gott mir vergibt. Das ist ein großer Unterschied.
Karl Rahner hat das Bild von Asche und Feuer in seiner Beschreibung vom Menschen verwendet: er schreibt, der Mensch sei „Staub“, und er sei „Geist“. Beides. Und das Besondere des Menschen sei es, dass er gerade mit seinem Geist, mit dem er Gott erkennen kann, auch seine eigene Unbegreiflichkeit, seine Ausweglosigkeit, seine Schuld, sein Zugehen auf den Tod erkennt. Dass er also durch seinen Geist mehr ist als Staub. Dass er sich aber mit seinem Geist sich vor Gott als Staub erkennt. Was ihn er rettet und erlösen wird, ist, wenn er sich, trotzdem von Gott geliebt weiß und zum neuen Leben erweckt wird, mit Jesus, in seinem Geist, aufersteht.
Die Asche ist das Symbol der eigenen Vergänglichkeit, der Begrenztheit, der Schuld und der Fehler. Insofern steht sie am Beginn der österlichen Bußzeit. Die Asche erinnert uns aber auch daran, dass es das Feuer gibt. Beides wird dereinst nicht mehr sein, „wenn es keine Nacht mehr gibt und man weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne mehr braucht.“ (Offb 21). Bis dahin aber dürfen wir beides wahrnehmen. Feuer und Asche. Heute die Asche. Amen.
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