Montag, 25. November 2024

Christ-Königs-Gesellschaft

(c) Christ-Königs-Institut, Meitingen

Predigt 34. Sonntag im Jahreskreis B, Christkönig 2024 | Hamburg

Les: Dan 7,2a.13b-14; Offb 1,5b-8; Joh 18,33b-37

Vor einer Woche, am 17. November 2024, wurde Max Josef Metzger in Freiburg selig gesprochen. Er starb vor 80 Jahren im Gefängnis der NS-Justiz in Brandenburg-Görden durch die Enthauptung. Dem Todesurteil vorangegangen war ein Prozess gegen ihn vor dem Berliner Volksgerichtshof. Er wurde verurteilt wegen Hochverrats und Einsatz für den Frieden und für die Völkerverständigung.

Max Josef Metzger, 1887 in Schopfheim bei Lörrach im Bistum Freiburg geboren, studierte Theologie und wurde Diözesan-Priester. Sein Einsatz als Feldgeistlicher im ersten Weltkrieg und die Erfahrungen dort von der Grausamkeit des Krieges und dem „nutzlosen Blutvergießen auf den Schlachtfeldern“ führten ihn dazu, sich für die Völkerverständigung in Europa einzusetzen.

Er gründete 1918 den Friedensbund deutscher Katholiken, der sich „Weltfriedensbund vom weißen Kreuz“ nannte, nach dem weißen Kreuz auf der heiligen Hostie. Dieser Bund wollte an der Versöhnung und Verständigung der Menschheit durch geistliche Erneuerung des ganzen Menschen arbeiten. 

„Metzgers Grundeinsicht lautete, dass es Frieden nur dann gibt, wenn sich die Menschen ändern. Deswegen achtet er auf den Friedenskongressen nicht nur darauf, auf welche Bedingungen für Frieden zwischen Staaten man sich einigte, sondern auch, ob man ein Wort über die geistige Notlage der Menschen verlor.“ (Henze, 34)

Die politischen Erfahrungen in der Weimarer Republik, die Erkenntnis, dass die deutschen Generäle die Reichstagsresolution nicht achteten, der Versailler Vertrag kein Friedensvertrag war und alle Länder weiter aufrüsteten, ließen ihn auf dem Internationalen Kriegsdienst-Gegner-Tag 1929 in Den Haag sagen, dass der gerechte Krieg, „wenn es ihn je gegeben hat, jedenfalls heute nur noch in der Theorie existiert. Dass der Krieg, wie er heute in Frage kommt, infolgedessen ohne Einschränkung ein Verbrechen genannt werden kann, den man mit allen nur möglichen Mitteln entgegen gesteuert werden muss.“

Nottue, den modernen Götzenstaat seines Götzentums zu entkleiden und ihn auf seine natur-rechtlich gegebenen Gewalten und Rechte zu beschränken, wozu auch die Abschaffung der allgemeinen Kriegsdienst-Pflicht gehöre. Den „radikalen Aktivismus“ für den Frieden und gegen den Krieg müsse die Friedensbewegung auf sich nehmen, „aus der Überzeugung von der göttlichen Kraft heiliger Gewaltlosigkeit im Dienst des Reiches Gottes aus der heiligen Entschlossenheit, zur Verwirklichung dieses Reiches Gottes auf der ganzen Linie. Das ist es, was den Frieden bringt, dieser Geist der letzten persönlichen Selbstaufopferung, auch um den Preis des eigenen Lebens, wie in Christus am Kreuz zahlte“, so Max Josef Metzger im Jahr 1929. 

Diese Überzeugung, Entschlossenheit und Selbstaufopferung verlangte er von sich selbst. Um wirksam zu werden, musste diese Überzeugung aber Kreise ziehen. Daher sein Bemühen um Verbündete.

Geistesverwandte fand Metzger in der ökumenischen Bewegung. Wenn der Frieden geistig vorbereitet werden muss und das Vorbild und die Ressourcen dafür im Christentum liegen, dann lag es für Metzger nahe, dass Christinnen und Christen gemeinsam auftreten und den Streit zwischen den Konfession beilegen müssten. So nahm er an den ökumenischen Versammlungen jener Zeit teil und vertrat der Überzeugung, dass alle Menschen, die ihrem Gewissen folgen und gut zu leben, versuchten, bereits in einer unsichtbaren Form mit der Kirche Christi verbunden sein.

Er gehörte zur Gründungsgeneration der „Una-Santa-Bewegung“, die damals von der katholischen Kirche noch nicht unterstützt wurde.

Er gründete eine Missionsgesellschaft, eben jene „Missionsgesellschaft vom weißen Kreuz“, ein Säkular-Institut, d.h. einen damals neuen Typ gemeinschaftlichen religiösen Lebens. Einerseits schloss sie diese Gesellschaft an die die damals zeitgenössischen Frömmigkeits¬formen an, andererseits wurde sie mit einem neuen Blick auf die Welt verknüpft. 

Die Verehrung der Hostie, der weißen Hostie mit dem weißen Kreuz, bzw. die Eucharistie-Frömmigkeit verband er mit dem Christus-König-Gedanken, also dem Bewusstsein in der Welt mithelfen zu dürfen, dass Jesus Christus in allem herrscht. 

Nach der Einführung des Christkönigfestes durch Papst Pius XI. 1925, also von nun bald 100 Jahren, wurde folgerichtig die „Missionsgesellschaft vom weißen Kreuz“ 1927 umbenannt in „Christ-Königs-Gesellschaft“. Sie gibt es bis heute als Säkularinstitut in Meitingen bei Augsburg.

Das Leben der Christ-Königs-Gesellschaft wurde genährt durch Anregungen aus der Bibel¬bewegung und der liturgischen Bewegung. Metzger war überzeugt, dass das gemeinsame Lesen der Heiligen Schrift und die Aussprache darüber am ehesten zur Innerlichkeit führen - und erst aus wahrer Innerlichkeit erwächst bekanntlich, fruchtbares Apostolat. 

In der in der Christ-Königs-Gesellschaft angeregte Christ-Königs-Verehrung, standen drei Glaubens-Einsichten im Zentrum: 

1. Christus ist der eigentliche Herrscher der Welt, nicht die scheinbar Mächtigen. 

2. Christus ist gegenwärtig in der Liturgie der Eucharistie.

3. Christus wirkt und regiert in meinem alltäglichen Leben.

Diese drei Gedanken, wenn sie tatsächlich im Leben ergriffen und angenommen werden, setzen eine große Kraft frei. Viele Menschen aus dieser Zeit setzten sich für den Frieden und die Völkerverständigung ein, einige taten es aus dieser Motivation und aus dieser Spiritualität.

Was bedeutet das für uns heute – fast 100 Jahre nach der Einführung des Hochfestes in der ganzen römisch-katholischen Kirche?

1/ Wenn Christus der eigentliche Herrscher der Welt ist, dann bedeutet das Fest Christkönig keine Absage an die politische Form Demokratie, sondern dann geht es eigentlich darum, dass sich niemand an die Stelle Gottes setzen darf, auch kein Politiker.

2/ Dann bedeutet das Fest Christkönig, dass das Zentrum unseres Glaubens die Gegenwart des Herrn in seiner Kirche, aber auch in der Welt ist, in meinem alltäglichen Leben ist - und dass alles in meinem Leben durch seine Weise des Herrschens und des Dienens geprägt sein soll.

Mögen wir uns dieser Gegenwart des Herrn immer wieder bewusst werden! Der Herr ist da!


Zitate und Anregungen aus: Barbara Henze, Zeuge einer anderen Welt. Zur Seligsprechung von Max Josef Metzger, in HK 11/2024, S. 33-36.


Montag, 18. November 2024

Auf der Bühne, vor dem Vorhang


Predigt Manresa, Hamburg 2024 - Dreiunddreißigster Sonntag B

Les: Dan 12,1-3; Hebr 10,11-14.18; Mk 13,23-32

In diesen Tagen geschehen auf der großen politischen Bühne viele Veränderungen, die ich nicht verstehe und nicht durchschauen kann. In Amerika wird ein Präsident gewählt, obwohl viele Intellektuelle und Manager vor ihm warnen. In Deutschland zerbricht die bisherige Regierung und es soll bald neu gewählt werden, obwohl vieles noch zu entscheiden ist in diesem Jahr. In Baku tagt die Weltklimakonferenz zum 29. Mal, obwohl nicht klar ist, welche Folgen die internationalen Entscheidungen überhaupt haben. Wer hat mit wem telefoniert? Ich weiß es nicht.

Dieser Eindruck, dass ich vieles, was auf der politischen Bühne läuft, nicht verstehe und durchschaue, kann zu unterschiedlichen Reaktionen führen. 

1/ Entweder ich bekomme Angst und sehe in all den Krisenmeldungen die Zeichen einer anbrechenden Katastrophe. Es wird alles immer schlimmer, besonders die Erderwärmung ist nicht zu stoppen. Einige spielen mit dieser Angst, wie der neue „Klimathriller“ von Dirk Rossmann und Ralf Hoppe. Doch viele verfallen in Depression, weil man mit Angst nicht gut leben kann: Öko-Angst („eco-anxiety“) ist inzwischen eine anerkannte Krankheit bei jungen Menschen.

2/ Oder ich wende mich einfach ab. Die Nachrichten interessieren mich nicht mehr. Ich kümmere mich um mein eigenes Glück und flüchte in den Konsum oder in den Genuss, und versuche darin Sinn und Erfüllung zu finden.

3/ Es gibt noch eine dritte Variante. Ich erkenne, dass das, was wir sehen, nur ein Teil der Wirklichkeit ist, dass es noch etwas anderes gibt. Dass wir etwas erahnen können, was doch ganz wesentlich unsere Zukunft bestimmt. 

Und ich meine bei dieser dritten Variante jetzt nicht die globalen Verschwörungstheorien, wonach irgendeine geheime Organisation ein weltweiten Plan mit uns verfolgt. Das ist absurd! Oder vielleicht genauer: die Verschwörungstheorien sind die Fehl-Formen einer Sichtweise, die uns tatsächlich helfen könnte. Nämlich einer gläubigen Sicht der Hoffnung!

In der Bibel ist diese Sichtweise überliefert und sie wird Apokalyptik genannt. Wir haben heute in den Lesungen gleich zwei solche apokalyptischen Texte gehört. Apokalyptik meint, dem Wort Sinn nach „Enthüllung“. Diese Schriften offenbaren, was vorher verborgen war. Es geht um Geheimnisse, die erst am Ende der Zeit für alle sichtbar werden, die aber jetzt schon von Bedeutung sind, trotz der immer schwieriger werdenden Situation, in der das Heil sich scheinbar weiter entfernt.

a/ Die erste Lesung ist aus dem Buch Daniel. Das Daniel-Buch wurde in der Zeit der Verfolgung der Juden durch den syrischen Herrscher Antiochos Epiphanes im zweiten Jahrhundert v. Chr. geschrieben. Es behauptet: Das, was die Leser bzw. Hörer im Moment erleben und in noch viel schlimmeren Ausmaß zu erwarten haben, ist nur die eine Seite. Es ist das, was auf der Bühne vor dem Vorhang geschieht: eine Zeit der Not, wie noch keine war. 

Auf der anderen Seite der Bühne jedoch geschieht etwas, das erst später offensichtlich wird: die Rettung des Volkes. Und zwar von jedem, der jetzt schon im „Buch des Lebens“ verzeichnet ist. Mit dieser Rettung geschieht auch Gerechtigkeit, denn es gibt eine Auferstehung von Toten. Gott wird Leben schaffen, wo es im irdischen Sinn keine Gerechtigkeit gab. Das Kriterium ist die Verständigkeit und die Suche nach Gerechtigkeit, jetzt und hier!

Die Pointe ist also: es gibt eine Heilsgeschichte, in die hinein wir verwoben sind; und zwar nicht nur zurück in die Vergangenheit, sondern auch voraus in die Zukunft.

b/ Ebenso gehört das Evangelium zu dieser Form von apokalyptischen Texten, denn es nutzt die Unterscheidung von dem, was man auf der Bühne vor dem Vorhang sieht und was dahinter geschieht. Vorne ist es finster: „In jenen Tagen wird die Sonne verfinstert werden, und der Mond wird nicht mehr scheinen.“ Doch verheißen wird das Licht, das die Wolken durchbricht; und eine weltweite Sammlung der Auserwählten geschieht durch die Engel.

Schon jetzt gibt es Anzeichen dieses neuen Lebens und deshalb braucht es das entsprechende Verhalten von uns. Jesus macht es durch das Gleichnis mit dem Feigenbaum deutlich: Die Zweige und die Blätter am Feigenbaum deuten auf etwas hin, dass man noch nicht sehen kann, und was doch schon verborgen da ist, das Leben in diesem Baum! 

Wie schwer fällt es uns bei all den Kriegen der Dunkelheit und der Gewalt in dieser Welt, diese Zeichen zu sehen und zu erkennen und zu deuten. Doch im Glauben wissen wir, weil wir selbst Teil einer Heilsgeschichte sind, dass nicht nur die Vergangenheit von Gott hier geheilt wird, weil Gott das Leben von Anfang an gewollt hat, sondern dass Gott auch auf Zukunft hin Leben schafft, weil er eben die Auserwählten sammeln und retten wird.

Das bedeutet nicht, dass es die Klimakatastrophe nicht gibt oder dass sie keine Bedeutung für uns hat. Es bedeutet auch nicht, dass uns die Kriege nicht betreffen und wir uns nicht für Frieden einsetzen sollen. Aber es bedeutet, dass Klimakatastrophe und Krieg nicht alles ist, was unser Leben bestimmt.

Jedes Mal, wenn wir her Eucharistie feiern, geschieht diese Offenbarung einer anderen Wirklichkeit. Brot und Wein der Liebe und Hingabe Jesu sind Zeichen dieses neuen Lebens, das in dieser Welt schon verborgen gegenwärtig ist. Wir brauchen keine Angst mehr zu haben! 

Mit Jesus Christus wird der Vorhang im Tempel zerrissen. Wir sehen auf eine neue Weise, dass wir Teil einer großen Geschichte sind, mit Christus und mit anderen verbunden. Die Zeiten kennen wir nicht genau, aber die Zeichen erkennen wir deutlich und wir erwarten, dass es einen Sinn gibt für unser Leben und für das der anderen Menschen. Amen.


Donnerstag, 7. November 2024

Mit dem ganzen Herzen



Predigt B31 Manresa 2024 (Les: Dtn 6, 2-6; Hebr 7,23-28; Mk 12,28b-34)

Es gibt nach meiner Erfahrung drei Missverständnisse, die häufig den lebendigen Glauben und die erfüllende christliche Beziehung zu Gott und der Welt verhindern.

1/ Der Glaube wird als eine Reihe von Glaubenssätzen angesehen, als Regeln und Dogmen, die man als Christ zu akzeptieren hat, auch wenn man sie nicht versteht. Es ist die Vorstellung, dass der Glaube gegen das Wissen steht bzw. nichts mit der Vernunft bzw. mit dem Denken zu tun hat. „Man muss in der Kirche den Verstand an der Garderobe abgeben“ – so befürchten manche oder leben es so.

2/ Der Glaube wird als ein reiner Kult angesehen, als eine Form von einem religiösem „Extra“ am Sonntag, das mit meinem Leben in Beruf und Alltag im Grunde nichts zu tun hat. Vielleicht betrifft der Glaube noch die eigene Ernährung oder Sexualität, aber in meiner Tagesgestaltung oder in meinem Verhalten gegenüber anderen ist Religion doch Privatsache – so sagen manche oder leben es so.

3/ Der Glauben wird als ein Gefühl angesehen, als das ein Wohlfühlfaktor im Leben, als eine Form von innerem Empfinden; und wenn ich keine besondere Erleuchtung habe, dann glaube ich nicht richtig – so denken manche oder leben es so.

Die Botschaft, die Jesus uns heute im Evangelium wieder in Erinnerung ruft: Gott ist einer! Und der Mensch ist einer! Der Menschen ist Leib und Seele, Denken und Fühlen. Ganzheitliches Denken ist nicht eine Erfindung von new age, sondern sehr biblisch! Der Mensch lebt vielleicht in unterschiedlichen Zusammenhängen, aber er lebt nicht zerstückelt, atomisiert in unterschiedliche Lebenswelten, sondern am Ende hat das ganze einen Sinn und eine Richtung – oder nicht.

Und deshalb ist Religion nicht eine feine, aber überflüssige Zutat zum Leben, das Sahnehäubchen der Wohlfühl-Oase, sondern entweder ist der Glaube etwas, das meinen Sonntag und meinen Alltag bestimmt – oder er ist am Ende hohl.

*

Heute erzählen uns die Lesungen vom ersten aller Gebote, dem wichtigsten für unser Leben mit Gott und den Menschen. Und vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass wir es dreimal gehört haben, jedes Mal auf eine andere Art und Weise, mit einer etwas anderen Formulierung.

In der ersten Lesung (Buch Dtn 6,4-5): „Höre, Israel! Der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig (einer!). Darum sollst du den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“

Im Evangelium (Mk 12,29-30) aus dem Mund Jesu: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft.“ - Jesus variiert etwas. Er fügt das Denken hinzu, das mit dem Verstand durchdringen, eigentlich das Nachdenken. Die Exegeten verweisen dabei auf den Zusammenhang mit der Frage nach dem Gesetz bzw. den Geboten. Diese Formulierung könnte sich [weil sie sich so ähnlich schon in der Geschichte um König Joschija (2Kön 23, 25) findet, der das ganze Gesetz zu halten geboten hat] auf das Nachdenken über das Gesetz beziehen.

Und schließlich im Evangelium im Mund des Schriftgelehrten (Mk 12, 32-33): „Gott allein ist der Herr und es gibt keinen anderen außer ihm und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer.“ Dort ist der opferkritische Aspekt hinzugefügt.

Im Wesentlichen jedoch wiederholen alle drei Texte den einen Gedanken über das wichtigste Gebot der Gottesliebe und der Nächstenliebe: Dass die Liebe geschieht mit dem Herzen, mit der Seele, mit dem Denken und Handeln.

Ich merke mir das angedeutet in den vier „Ebenen“ des Menschen. Die Seele sitzt nach hebräischer Vorstellung in der Kehle, dort wo wir den Atem empfangen, wo wir verletzlich sind, wo wir mit unserer Stimme antworten: Herz – Kehle – Kopf - Hände

Gerade hat Papst Franziskus eine neue Enzyklika veröffentlicht „über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi“, in der er im ersten Kapitel zunächst einmal die Frage stellt: Was meinen wir, wenn wir vom Herzen sprechen. Denn es ist ja nicht allein das medizinische Organ, um das es hier im Glauben geht. Es geht um das seelische und geistige Zentrum der Person, wo Denken und Fühlen zusammenkommen.

Er schreibt (DN 2): „Um die Liebe Christi auszudrücken wird oft das Symbol des Herzens verwendet. Manche fragen sich, ob es heute noch eine gültige Bedeutung besitzt. Aber wenn wir versucht sind, uns an der Oberfläche zu bewegen, in Hektik zu leben, ohne letztendlich zu wissen, wozu, wenn wir Gefahr laufen, zu unersättlichen Konsumenten werden, zu Sklaven eines Marktsystems, das sich nicht für den Sinn unseres Lebens interessiert, dann tut es not, die Bedeutung des Herzens wieder neu zu entdecken.“

https://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/20241024-enciclica-dilexit-nos.html

Wenn jemand mich fragt, warum ich Jesuit geworden bin, dann antworte ich meist, dass es wegen der Geistlichen Übungen, der Exerzitien sei, die ich bei den Jesuiten kennen gelernt habe. Tatsächlich hat erst diese Gebetsform für mich einen Weg eröffnet, dass ich meine Gedanken und Gefühle, meine inneren Bewegungen und Vorstellungen irgendwie in einen Kontakt bringen konnte.

Ich habe einerseits viel nachgedacht, Physik, Philosophie und Theologie studiert, habe andererseits Meditation geübt und so gebetet; hatte viele Wünsche und Sehnsüchte und Ideale und andererseits eine wache Wahrnehmung von der Welt und von dem, was alles nicht gut ist. Und erst in dem Moment, wo alles das in mir, in eine Beziehung kommen konnte, wo es miteinander da sein durfte und Raum bekam, nicht verdrängt wurde, aber an seinem Platz im Orchester mitspielen durfte, da konnte ich wirklich Entscheidungen treffen.

Sie kennen wahrscheinlich den Pixar-Film „Alles steht Kopf!“ (engl. inside out), wo von einem Mädchen erzählt wird, das mit seiner Familie umzieht – und dann im Film das gezeigt wird, was innen geschieht – im Herzen, in der Seele, im Denken und in all ihrer Kraft. Wie da die verschiedenen Gefühle und Grunderfahrungen, wie Ressourcen und Stimmungen, wie Gedanken und Ideale und alles das miteinander streiten – und wer dann in welchen Situationen bestimmt. Ein wunderbarer Film.

Gott ist einer! Und der Mensch ist einer! Und am Ende werden wir auf die Liebe mehr antworten können, wenn wir das Herz als den Ort unserer Mitte wiederentdecken – weil wir geliebt sind. Daran mag uns das Herz Jesu erinnern, als das Symbol und Zeichen der unwiderruflich für den Menschen entschiedenen Liebe Gottes zu uns Menschen, die uns im Leben und Sterben und in der Auferstehung Christi begegnet ist. Das feiern wir, wenn wir Eucharistie feiern. Amen.