Predigt 27C (ursprünglich französisch), Hamburg 2025
Les: Hab 1, 2–3; 2, 2–4; 2 Tim 1, 6–8.13–14; Lk 17, 5–10
Kennen Sie das Imposter-Syndrom? Ich hoffe, Sie kennen es
nicht! Menschen, die unter dem Imposter-Syndrom leiden, zweifeln an den eigenen
Fähigkeiten und der eigenen Leistung.
Diese Menschen leben oft in einer höheren sozialen Schicht,
sie sind erfolgreich, aber sie sind überhaupt nicht zufrieden, sie sind nicht
glücklich oder dankbar für ihren Erfolg, weil sie tief im Herzen glauben, dass
der Erfolg nicht echt ist.
Sie lehnen daher mehr oder weniger systematisch das
Verdienst ihrer Arbeit ab und schreiben den Erfolg ihrer Unternehmungen äußeren
Faktoren zu, wie Glück, Beziehungen oder besonderen Umständen.
In manchen Fällen kann eine betroffene Person sich sogar als
eine Art Betrüger oder Hochstapler sehen, der seine Kollegen, Freunde und
Vorgesetzten täuscht und erwartet, eines Tages entlarvt zu werden.
Die Psychologie gibt Tipps, um Selbstzweifel abzubauen (vgl. Barmer)
- Erfolge und Fähigkeiten schriftlich festhalten
- Herausforderungen trotz der Ängste annehmen
- mit anderen reden und andere Meinungen einholen
- Komplimente annehmen und einfach mal „Danke“ sagen
Das ist sicherlich sinnvoll als erste Hilfe. Doch Woher
kommt dieser Zweifel? Warum fällt es Menschen so schwer, die
Selbstwahrnehmung mit der Wahrnehmung anderer zu vereinbaren?
Es handelt sich um ein komplexes Phänomen und es mag viele
Ursachen geben, aber ich denke, die Wurzel des Problems liegt darin, zu
akzeptieren, ein Mensch zu sein und nicht Gott. Ich bin ein Mensch, mit meinen
Talenten und Stärken, meinen Schwächen und Fehlern. Indem ich akzeptiere, dass
Gott Gott ist, kann ich als Mensch leben.
Ich muss nicht ständig gelobt werden, denn ich lebe nicht
von der Anerkennung anderer. Ich lebe, weil Gott es gewollt hat und weil er
mich liebt. Ich habe eine unveräußerliche Würde als Kind Gottes, egal ob ich
Erfolg habe oder nicht. Ich muss keine Angst haben, Fehler zu machen, denn Gott
kommt mir entgegen und vergibt mir immer, wenn ich mich ihm zuwende. Er zeigt
mir den Weg. Ich kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand.
Ja, unser Selbstvertrauen und unser Glaube an diese Liebe
Gottes sind manchmal sehr schwach. Und dann können wir mit den Aposteln bitten:
„Stärke unseren Glauben!“ (vgl. Lk 17,5) Es wird wichtig sein, anzuerkennen,
dass wir Diener sind, wir müssen unsere Aufgaben erfüllen. Wir sind nicht die
Herren der Welt oder der Menschen.
Für mich ist das Beispiel dieser demütigen Liebe der heilige
Franziskus von Assisi, der am 3. Oktober 1226 gestorben ist. Er lebte „die
Weisheit eines Armen“ (vgl. Buch von Eligius Leclerc).
Er lebte nicht, um von den Menschen geliebt und beklatscht
zu werden, sondern er lebte in Armut aus Liebe zu Gott und gab diese Liebe an
alle seine Nächsten weiter. Er lebte in Armut, damit er in keiner Weise auf
sich selbst zählen konnte, sondern alles von Gott erwartete. Er lebte arm, weil
es für ihn der Weg war, aus Gottes Reichtum, aus seiner Barmherzigkeit zu
schöpfen.
Das ist das Geheimnis des Glaubens: Es gibt einen
erheblichen Unterschied zwischen Gott und uns. Wir sind nicht auf Augenhöhe.
Und doch ist er gekommen, um uns zu suchen. Gleichheit und Solidarität können
trösten und stärken. Aber sich daran zu erinnern, dass Gott viel größer ist als
wir und daher viel mehr Macht und Möglichkeiten hat, kann ebenso stärkend sein
(vgl. Mauritius Wilde, CiG 40/2025, S.1)
Zu verstehen, dass Gott sich weder manipulieren noch
beanspruchen lässt, kann uns aus unserem engen Horizont herausholen. Das
erinnert mich an die Worte eines geistlichen Liedes: „Leben wie Christus, immer
der Liebe hingegeben, um seinen Lebensweg in Vertrauen, Kraft und Lobpreis zu
gehen.“ Das Lob Gottes macht uns frei!
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