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| Chwalek/v. Hauff / Erzbistum Hamburg |
Predigt am Weihetag der Lateranbasilika (9. 11.25): Heilige Orte
Les: Ez 47,1-2.8-9.12; 1Kor 3,9c-11.16-17; Joh 2,13.22
Ende Oktober waren wir mit der GCL in Rom, als Teil der großen Wallfahrt des Erzbistums Hamburg im Heiligen Jahr 2025. Es waren über 500 Erwachsene aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg in die Hauptstadt des christlichen Abendlandes gereist. Dazu 150 Jugendliche und junge Erwachsene. Zum Abschluss der Wallfahrt feierten wir gemeinsam die Heilige Messe in der Lateran-Basilika.
Die Kirche „San Giovanni in Laterano“, dem Allerheiligsten Erlöser geweiht, ist die älteste und wichtigste päpstliche Basilika in Rom. Sie gilt als Mutter und Haupt aller Kirchen. Sie wurde 324, also vor nun 1700 Jahren von Papst Silvester I. eingeweiht. Wir feiern heute ihren Weihetag.
Die Kirche liegt im Innenstadtbereich an der südöstlichen Seite, nahe der alten Stadtmauer Roms. Ihren Namen erhielt sie von den Stadtpalästen der römischen Adelsfamilie, der Lateran, die sich bis ins vierte Jahrhundert in der Nähe befanden. Nachdem Sieg über Maxentius an der Milvischen Brücke schenkte Kaiser Konstantin als Dank an Gott der römischen Gemeinde ein großes Grundstück, auf dem sich eine Kaserne der kaiserlichen Garde Truppe befand. Er finanzierte zudem den Bau einer Kirche für den Bischof von Rom.
Sie war von Anfang an groß und großartig: 100 m lang, 55 m breit, im Mittelschiff 16 rote Granitsäulen, dazu jeweils zwei Seitenschiffe, das alles im Stil einer antiken königlichen Versammlungshalle. Sie wurde nach nur drei Jahren Bauzeit eingeweiht. Ihr Baustil wurde bestimmend für alle weiteren christlichen Kultbauten. Unmittelbar angrenzend steht seit dem fünften Jahrhundert ein Baptisterium, d.h. ein eigenes Gebäude für die Taufe von Erwachsenen (und dann zunehmend auch von Kindern).
Die Kirche wurde mehrfach umgebaut, doch die grundlegende Gestalt lässt sich bis heute bewundern. Es gab von Anfang an große Fenster oben im Mittelschiff, soviel ein indirektes, helles Licht in den prächtig geschmückten Festsaal. Der Außenbau war schmucklos, aber innen waren die Säulen aus rotem Granit, grünem und weißen Marmor. Auch der Fußboden und die Wände waren mit buntem Marmor verkleidet. Im oberen Teil gab es Wandbilder mit biblischen Szenen, Statuen der Apostel und der Engel, vergoldete Holzbalken, eine vergoldete Kassettendecke, in der Apsis ein großes Mosaik.
Die Basilika bot den Monumentalrahmen für eine feierliche Liturgie, die sich in Anlehnung an Formen staatlicher und kaiserlicher Repräsentanz bildete. Mich erfüllt es mit Staunen, wenn ich in diese Kirche komme. Dort werden die wichtigsten Reliquien verehrt: die Häupter der Apostel Petrus und Paulus. Dort residierten vom 4. bis 14. Jahrhundert, also 1000 Jahre lang, die Päpste, bis sie dann zum Petersdom zogen. Dort fanden wichtige Konzilien statt. Dort haben wir ergreifenden Gottesdienst gefeiert mit den Menschen dem Erzbistum Hamburg, zum Abschluss der Wallfahrt.
Doch inwiefern ist dieser Raum heilig? Was bewundern wir und ehren wir? Das Gebäude? Die Menschen? Die Feier? Das, was in mir drin geschieht?
Kirchen sind heraus gehobene Orte, sie sind Freiräume des Gebets und der Nähe Gottes. In gewisser Weise sind sie heilige Orte. Sie unterscheiden Sie sich von der Welt, sie sind sakrale Räume, abgegrenzt vom Profanen. Da latscht nicht jeder einfach so durch den Altarraum. Doch inwiefern sind Kirchen heilige Orte? Inwiefern ist die Lateranbasilika, deren Weihetag wir heute feiern, ein heiliger Ort?
Kirchen sind keine Tempel! Ein Tempel ist eine Kultstätte, ein abgegrenzter, heiliger Raum, der nur bestimmten Personen vorbehalten ist.
Im Judentum gab es nur einen Tempel, und zwar in Jerusalem. Dort wurde das Allerheiligste aufbewahrt, zudem nur die Priester und nur einmal im Jahr Zugang hatten, dort war die Gegenwart Gottes, dort wurden die Opfer dargebracht.
Der Prophet Ezechiel sieht in einer Vision den Tempel als heiligen Ort der Gegenwart Gottes. Er kritisiert das Verhalten der Könige Israels, die Unzucht betrieben, d.h. falschen Götzen anhingen. Er sieht deshalb in einer Vision einen neuen Tempel, der nicht mehr neben dem Königspalast steht, sondern auf dem Tempelberg. In ihm zieht die Herrlichkeit Gottes ein. Er bekommt genaue Angaben für den Bau des Tempels, und verkündet: Gott wird für immer dort wohnen.
Aus diesem Tempel, von der Tempelquelle auf dem Tempelberg, wird dann Wasser fließen, so haben wir es in der Lesung gehört (Ezechiel 47). Es fließt nach Osten und Süden, d.h. in die Wüste hinein. Es fließt in die Araber hinab, d.h. in das Jordantal, und es macht das Tote Meer gesund und heil.
„Wohin der Fluss gelangt, da werden alle Lebewesen, alles, was sich regt, leben können. Und sehr viele Fische wird es dort geben. Weil dieses Wasser dorthin kommt, werden sie gesund. Wohin der Fluss kommt, dort bleibt alles am Leben.“ (Ez 47, 9) Vom Tempel geht Leben aus.
Jesus hat nicht nur den Missbrauch des Tempels in Jerusalem kritisiert, er hat nicht nur die Händler und Geldwechsler vertrieben. Er hat auch den Tempel als Institution kritisiert. Wenn wir im Johannes-Evangelium lesen: „Er meinte den Tempel seines Leibes.“ (Johannes 2,21), dann ist darin eine sehr grundsätzliche Tempelkritik offenkundig. Auch wenn er selbst zum Tempel ging: Jesus sieht die Gegenwart Gottes in seinem eigenen Leben. Sein Leben ist heilig, von Gottes Liebe erfüllt.
Die Christen glauben: seine Hingabe am Kreuz hat die Opfer des Tempels ein für alle Mal erfüllt. Er hat uns den Weg zu Gott eröffnet. Als er starb, riss der Vorhang des Tempels entzwei. Von nun an braucht es keinen Tempel mehr! Denn Gottes Tempel ist Jesus Christus, und in seiner Nachfolge sind es alle Christen.
So kann Paulus schreiben: „Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1Kor3, 16)
Die Kirche, also die Gemeinschaft der Glaubenden, die zum Herrn gehören (kyriake), die Herausgerufen sind, die heilige Versammlung (ekklesia), sie sind der Tempel Gottes! Nicht die Kirche als Bau ist der Tempel, sondern die Menschen!
Bedeutet das nun, dass es keine heiligen Orte ergeben soll, dass wir keine Kirchen als Orte mehr brauchen, dass es nur funktionale Versammlungsraum geben soll, wie wir es bei den Freikirchen sehen?
Das würde bedeuten, dass Kind mit dem Bade auszuschütten. Denn es hilft uns Menschen, es hilft der Gemeinschaft der Kirche, sich ihrer heiligen Berufung zu erinnern, wenn wir uns in heiligen Räumen versammeln. Es hilft uns, im Leben Raum für Gott zu schaffen, wenn es einen Ort gibt, der für den Gottesdienst reserviert ist. Es hilft uns Menschen, uns an unsere ursprüngliche Heiligkeit zu erinnern. Es hilft uns, die Schönheit des Lebens zu feiern, Gott zu danken und ihn zu loben
Dom kommt vom lateinischen „domus“. Das bedeutet Haus. Es ist das Haus Gottes. Eigentlich braucht Gott ein solches Haus nicht, um bei uns Menschen zu sein, um mitten unter uns zu wohnen, aber es tut uns gut, einen solchen Ort zu haben, wo wir ihm nahekommen können. Die vielen Gotteshäuser inmitten unserer Welt erinnern uns an den Namen Gottes: „Ich bin da“ - ich bin mit euch und für euch da!
Vor einer Woche ging ein Lied aus Hamburg viral, das mit einem Video aus dem Miniatur Wunderland pfiffig inszeniert wurde: Bildschirm-Blick.
«Ich scroll' durch mein Leben, verpasse den Tag. Meine Freunde im Kreis, doch jeder starrt ins Glas. Wir posten Gefühle mit Filter und Glanz. Doch reden? Digga, keine Chance!».
Kirchen erinnern uns daran, den Blick zu heben. Wie ein Zeigefinger steht der Kirchturm und weist auf den Himmel hin. Wie ein Vorgeschmack auf den Himmel ist die Schönheit mancher Kirchen.

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