Donnerstag, 29. März 2018

Woher kommtst Du? Heimat ... Predigt am Hohen Donnerstag 2018

Liebe Schwestern und Brüder,
„woher kommst Du?“ – so fragen wir, wenn wir jemanden kennen lernen. Dann meinen wir den Ort, wo er lebt und arbeitet. Die Frage „woher kommst Du?“ kann man aber auch verstehen als die Frage nach der Heimat. Bei vielen Menschen ist der Wohnort heute längst nicht mehr der Ort, aus dem sie stammen. Sie sind umgezogen aus beruflichen oder anderen Gründen. Und dann wird es schon schwieriger die Frage zu beantworten. Denn Heimat – was ist das überhaupt? Der Ort, wo man aufgewachsen ist? Eine Gegend, in der man die gleiche Sprache, den gleichen Dialekt spricht? Gemeinsame Erinnerungen und Bräuche? Oder eher ein Gefühl? Was ist deine Heimat? Die Menschen, die du liebst? Was würden Sie auf die Frage antworten?
In der aktuellen politischen Situation hat die Frage „woher kommst du?“ bzw. „was ist deine Heimat?“ eine große Bedeutung gewonnen. Flüchtlinge suchen in Europa eine neue Heimat. Andere haben Angst vor Veränderungen und sehnen sich nach Halt und festen Strukturen. In Deutschland haben wir mit der neuen Regierung zugleich auch einen Minister bekommen, der sich um die Heimat kümmern soll (so steht es in der Amtsbezeichnung!). Und schließlich hat die Caritas in Deutschland als Jahresmotto das Thema Heimat gewählt: „Zusammen sind wir Heimat“.[i] Heimat hat eine neue Bedeutung in unserer globalisierten Welt bekommen.
In den heutigen Lesungen ist auf eine ganz besondere Art und Weise von Heimat die Rede. Das Volk Israel, das in Ägypten im Exil lebte, sehnt sich nach seiner Heimat (Ex 12). Mose tritt als Führer auf und verhandelt mit dem Pharao. Die Plagen kommen von Gott über das Volk der Ägypter, damit der Pharao sie ziehen lässt, bis zur zehnten Plage, die in jener Nacht des Passahfestes zum Nachgeben des Pharao geführt hat: In jener Nacht wurde jeder Erstgeborene getötet, im ganzen Volk, sogar beim Vieh. Die Kinder mussten sterben, gerettet wurden nur die Kinder der Israeliten. Als Zeichen galt das Blut des Lammes an den Türpfosten der Israeliten, in den Häusern, in denen das Fest gefeiert wurde, das deshalb Passah-Fest heißt, „Vorübergang“, denn an diesen Häusern ging der Herr vorüber und schützte sie. Das Blut als Zeichen für die Bewahrung des Volkes vor dem Verderben.[ii] Es ist das entscheidende Ereignis der Befreiung, der entscheidende Abend, in dem die Sklaven ausziehen durften und sich auf den Weg gemacht haben als freie Menschen in die Heimat. Es lag noch ein weiter Weg vor ihnen, aber dieses Fest der Befreiung hat ihnen schon Heimat geschenkt: nämlich ihren Glauben, ihr Vertrauen auf Gott, ihre Gemeinschaft und das verheißene Land - das war für sie Heimat.
Im Evangelium (Joh 13) hören wir von der Fußwaschung Jesu. Jesus, der Meister, von Gott gekommen, setzt sich wie ein Diener zu Füßen der Jünger. Er schafft Beziehung und zeigt noch einmal den Kern seiner Botschaft. Er tritt in Verbindung mit unserem Leben, indem er hinabsteigt in unseren Alltag und in unsere Geschichte wie einer, der uns dient. Petrus will sich darauf nicht einlassen, er weist ihn zurück. In der Antike war die Fußwaschung eine Geste für einen erwarteten und willkommenen Gast, der müde vom langen Weg endlich im Haus angekommen war. Es war die Aufgabe der Knechte und Mägde – und für Petrus war es unvorstellbar, dass Jesus diese Geste der Unterordnung und Ehrerbietung den Jüngern gab. Eher sollte es doch umgekehrt sein! Doch Petrus versteht noch nicht. Jesus übernimmt diese Geste und zeigt, dass sie nach einer langen gemeinsamen Reise mit diesem Abend des Brotbrechens in Jerusalem, endlich angekommen sind, im Haus des Vaters, in einer neuen Heimat. Auch hier liegt noch ein langer Weg vor ihnen, aber dieses Fest, das Mahl mit Jesus, ist ein Fest der Befreiung, das ihnen Heimat schenkt. Drei Jahre waren sie unterwegs gewesen mit ihm auf der Suche nach dem Reich Gottes, von dem er sprach. Und nun erleben sie die Hingabe seines Lebens aus Liebe zu ihnen. Ihr Glaube, ihr Vertrauen in Gott und ihre Gemeinschaft mit Jesus und untereinander, das ist ich neues zu Hause, ihre Heimat.
Heimat in einem christlichen Sinn ist keine sentimentale oder romantische Folklore, kein rassistischer oder anderswie ausgrenzender Begriff für eine Zusammengehörigkeit. Heimat für Christen ist einen neuen Gemeinschaft aus Frauen und Männern, Juden und Heide, Griechen und Römer, Schweizern und Libanesen, Deutschen und Türken und wie sie heißen mögen, die an Jesus Christus als ihren Herrn glauben und ihm vertrauen, die auf das Reich Gottes hoffen, das schon angefangen hat, aber noch nicht vollendet ist. (Gal 3,28)
Im Philipperbrief heißt es: „Eure Heimat ist im Himmel!“ (Phil 3,20). Ja, das ist wahr. Christen leben auf dieser Erde und hier ihre Heimat und zugleich haben sie aufgrund ihres Glaubens eine zweite Heimat im Himmel.[iii] Christen haben sozusagen eine doppelte Staatsbürgerschaft. Sie tragen Verantwortung und Bürgerrecht hier auf der Erde, in dem Land, in der Stadt, in der sie wohnen und arbeiten, bei den Menschen, die sie lieben. Und sie haben Bürgerrecht im Himmel, in einer anderen Heimat, in der Gemeinschaft der Glaubenden, im Reich Gottes.
Heute Abend feiern wir ein Fest, das uns mit der Fußwaschung und dem Abendmahl an diese neue Heimat, unser Zuhause im Haus des Vaters Jesu Christi erinnern. Möge diese Freude ganz konkret unseren Alltag prägen, wo auch immer wir leben. Amen.
Christian Modemann SJ, 29.3.2018
„Was ist eigentlich Heimat? Ist es der Nordseestrand - der Alpenrand? Ist es der Vater Rhein? Oder Geschichte in Stein? Sind es deutsche Felder, Wiesen und Wälder? Eine Märchenfee? Der Königsee? Sind Orte im Spiel? Oder eher ein Gefühl? Gemeinsame Feste, fröhliche Gäste? Freie Räume - Unsere Kindheitsträume? Sind es die Wunden, die uns alle verbinden? Aber an Heimat erfreuen kann niemand allein. Heimat ist doch Vertrauen auf jemand bauen. Die Hand, die uns hält, bevor man noch fällt. Heimat ist ein rettendes Boot In äußerster Not. Heimat ist ein Freund, der es ernst mit uns meint. Heimat ist Spiel mit gemeinsamem Ziel. Heimat ist ein Gesicht, ein Mund, der zu uns spricht. Heimat geben! Und du wirst Heimat erleben! Zusammen sind wir Heimat.“[iv]
[i] https://www.zusammen-heimat.de/
[ii] Vgl. Romano Guardini, Der Herr. Betrachtungen über die Person und das Leben Jesu, Würzburg 1940, S. 483 (Getsemane)
[iii] Vgl. Brief an Diognet, Kapitel 5; übersetzt in: Seele der Welt. Texte von Christen der ersten Jahr­hunderte. Ausgewählt in Taizé, Herder, Freiburg-Basel-Wien 2001, S. 11-12.
[iv] https://www.zusammen-heimat.de/heimatfilm/

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