Predigt am vierten Sonntag der Osterzeit C – Hamburg, Kleiner Michel
(Apg
13,14.43b-52); Offb 7,9.14b-17; Joh 10,27-30
Liebe Schwestern und Brüder,
Vor ein paar
Tagen sagte mir mein Vater am Telefon: „Du hast nur ein Leben!“ Wir sprachen über
meine Krebs-Erkrankung und die notwendige Nachsorge, bei der ich nach seiner Meinung nicht sorgsam genug bin. Ich vertraue darauf, dass alles gut wird. Ich
weiß nach den Erfahrungen der letzten Monate, dass ich mich mit den Ärzten
zusammen bemühen soll, dass es aber so viele Unwägbarkeiten gibt und mein Leben
letztlich in Gottes Hand liegt.
Doch stimmt die
Aussage für uns Christen eigentlich: „Du hast nur ein Leben!“? Glauben wir nicht als Christen,
dass wir wiedergeboren werden zu neuem Leben? Dass wir in den Himmel kommen? So
wie bei einem Computerspiel ein weiteres Leben haben?
In einem zentralen
Abschnitt aus der Mitte des Johannes-Evangeliums wird Jesus im Gespräch mit den
Juden dargestellt, die ihn nach seiner Identität fragen: Wer bist du? Wer bist
Du, dass Du behauptest Du kämest von Gott her? Wer bist Du, dass Du sagen
kannst, dass Du ewiges Leben schenkst?
Das Gespräch
findet am Tempelweihfest in Jerusalem statt, in der Halle des Salomo, also
mitten im Tempel. Es geht um den Kern, die eigentliche Mitte der Verkündigung:
Kann man Jesus glauben? Und was bedeutet es, ihm zu glauben? Welche
Konsequenzen hat das für unser Leben?
Drei
wichtige Hinweise gibt es in diesem Evangelium, worum es im Glauben an Jesus
Christus geht. Es ist ein argumentativer Text, gleichsam die Katechese für die Jüngerinnen und Jünger, um zu entdecken, was es bedeutet: Leben von ihm
zu empfangen.
1/ „Meine Schafe hören auf meine
Stimme, ich kenne sie und sie folgen mir.“ (Joh 10, 27)
Glauben
bedeutet auf Jesus zu hören, um unter den vielen Stimmen seine Stimme erkennen
und unterscheiden zu können. Man erkennt seine Stimme am Inhalt und am Klang,
denn sie ist die Stimme Gottes. Diese Stimme hat für jeden von uns einen
persönlichen Klang, der zu mir passt, der das Gute in mir weckt, das, was in mir
zutiefst angelegt ist. Der Klang, d.h. die Art und Weise, wie ich seine Stimme
in mir höre, erzeugt eine Resonanz. Gehorsam ist dann nicht aufgezwungen und
blind, sondern entspricht der eigentlichen Sehnsucht des Menschen nach dem
Leben in Fülle, das Jesus schenkt. Jesus spricht zu uns durch Menschen, durch
Erfahrungen, durch Gefühle. Also: Glauben bedeutet, mitten im Alltag seine
Stimme unter den viele Stimmen zu entdecken und zu hören.
2/ „Ich gebe Ihnen ewiges Leben. Sie
werden niemals zu Grunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen.“
(Joh 10,28)
Glauben
bedeutet an der Hand Jesu durchs Leben gehen, vertrauensvoll, ohne Angst; sich
als Teil eines größeren Ganzen erleben; eine Richtung zu finden; Gemeinschaft
erleben; getröstet werden (vgl. Offb 7,19-17).
Ewiges Leben
bedeutet nicht unendlich lange leben. Es ist keine Zeitangabe, sondern eine
Qualität. Ewiges Leben bedeutet zu keinem Zeitpunkt vom Leben Gottes getrennt
zu sein, auch im persönlichen Tod nicht. Wie gehen an der Hand Jesu im Tod
nicht verloren, ja durch sein Leben ist die kritische Schwelle des Todes
aufgehoben. So wie Jesus es im Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen
sagt: „Das Wasser, das ich Dir geben werde, wird zu einer Quelle werden, deren
Wasser ins ewige Leben fließt.“ (Joh 4,14)
Ja, es
stimmt: Wir haben nur ein Leben. Das irdische Leben wird durch den Tod beendet.
Es findet keine Fortsetzung über den Tod hinaus. Aber das Leben wird im Tod von
Gott gewandelt und vollendet – ohne Zeit und Raum, in seiner Nähe.
Ich glaube
an ein Leben nach dem Tod. Ich glaube aber auch an ein Leben vor dem Tod: Das
irdische Leben wird schon vor dem Tod gewandelt. Es verändert sich durch das
Leben, das Jesus schenkt. Durch das Leben und den Tod Jesu hat das Leben
gewonnen, ist der Stachel des Todes gebrochen. Der Stachel des Todes, so
Paulus, ist die Sünde (1Kor 15). Sünde entsteht aus der Angst um sich selbst, nämlich
dem Irrglauben, ich müsse im Leben allein klarkommen.
„Deine
Sünden sind dir vergeben“, so haben wir es in der Taufe gehört. Die Last ist
uns genommen, wir gehen frei durchs Leben - an der Hand Jesu. Wir gehen nicht
zugrunde, sondern wir gehen ins Leben. Dieses Miteinander-Gehen aus der Gnade
der Taufe ist schon das neue, ewige Leben.
3/ „Mein Vater, der sie mir gab, ist
größer als alle und niemand kann sie die Hand meines Vaters entreißen. Ich und
der Vater sind eins.“ (Joh 10,29-30)
Der dritte
Hinweis, was Glaube an Jesus Christus bedeutet, ist gleichsam die Begründung
für die Gabe des Lebens. Jesus sagt uns, warum wir auch in schlimmen Situationen
und selbst im Tod an seiner Seite keine Angst mehr zu haben brauchen: Es ist
die Vertrautheit, die Lebensgemeinschaft, die Einheit Jesu mit dem Vater.
„Ich und der
Vater sind eins“: diese Einheit hebt die Unterschiedlichkeit der Personen nicht
auf, Gott insgesamt bleibt einzig, aber er ist nicht mehr hinter den Wolken
verborgen, sondern wird in Jesus Christus sichtbar.
Es geht hier
nicht um die Glaubenslehre, dass Jesus der Sohn Gottes ist, „Gott von Gott,
Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“. Es geht hier um eine
Lebensweise, ein Lebensstil, den die Gläubigen nachahmen können. Einheit
untereinander geschieht, wenn wir verbunden sind mit gemeinsamen Lebensregeln,
die auf dem Willen des Herrn beruhen. Wenn wir „an einem Strick ziehen“,
dasselbe wollen, das in konkreten Worten und Taten sichtbar wird. Dabei werden
die Differenzen und Divergenzen nicht einfach akzeptiert und gleichberechtigt
nebeneinanderstehen gelassen, nach dem Motto: jeder soll nach seiner Fassung
glücklich werden beziehungsweise wir alle einigen uns auf den kleinsten
gemeinsamen Nenner. Jesus geht es um eine Einheit, die in aller Unterschiedlichkeit im
Miteinander Freude schenkt und das Leben in Fülle erahnen lässt.
Gerade haben 20 Kinder hier am Altar zum ersten Mal in ihrem Leben den Leib des Herrn empfangen. Sie haben sich darauf vorbereitet und feiern nun noch weiter; mit ihren Familien und Freunden. Sie werden friedlich miteinander feiern, sich freuen und Einheit erleben, wenn sie miteinander essen. Denn beim Festmahl nimmt nicht jeder eine Mahlzeit ein, wann er gerade Zeit hat, sondern Menschen leben miteinander und teilen Freude und Sorgen. Das ist die Einheit, die Jesus mit dem Vater lebt und die er auch den Seinen wünscht. Wenn wir diese Einheit erleben, dann stärkt das den Glauben.
„Du hast
nur ein Leben!“ Doch dieses Leben wird durch den Glauben an Jesus Christus gewandelt.
Wir empfangen sein Leben, wenn wir auf seine Stimme hören. Wir empfangen ewiges
Leben, wenn wir an den glauben, der Frieden und Einheit schenkt, weil er mit
dem Vater eins ist. Amen.
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