Sonntag, 29. Mai 2022

Einheit der Kirche?



Predigt 7. Sonntag der Osterzeit C – Hamburg, 11.30 Uhr

Einheit der Kirche - oder woher wir überhaupt wissen, dass Jesus auferstanden ist.
(Apg 7, 55-60; Ps 97; Offb 22,12-14.16-17.20; Joh 17, 20-26)

Liebe Schwestern und Brüder, 

Jesus bittet den Vater um die Einheit der Gemeinschaft der Jüngerinnen und Jünger und aller, die an ihn glauben. „Alle sollen eins sein.“ (V 21) „Einsein ist ein Gefühl inniger Verbundenheit mit allem, was ist.“ (Bettina Wissert) Frieden. Jesus weiß, dass das nicht leicht ist und dass die Seinen das nicht von allein hinbekommen. 

Dieses Gebet Jesu gewinnt im aktuellen Kontext der Spaltung der Christenheit in verschiedene Konfessionen eine besondere Bedeutung, das ist jetzt im Ukraine-Krieg deutlich geworden. Genauso stellt sich die Frage nach der Einheit im Kontext der Auseinandersetzungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. 

Beim Synodalen Weg und auf dem Katholikentag werden viele Fragen besprochen, wie die Reformen in der katholischen Kirche umgesetzt werden sollen. Ich bin froh, dass alle friedlich und respektvoll miteinander sprechen. Das ist der erste Schritt zu mehr Einheit. Wichtig ist auch, dass wir mit Jesus verbunden bleiben und die Größe und die Schönheit des Glaubens immer mehr erkennen – Jesus spricht von der „Herrlichkeit“. (V 22)

Es ist eine scheinbar kleine Frage aus den Diskussionen, die ich herausgreifen möchte: Soll die Amtszeit der Bischöfe begrenzt werden? Die Frage gibt es schon länger, aber sie stellt sich mit neuer Dringlichkeit, weil viele Gläubige mit der Arbeit einiger Bischöfe nicht zufrieden sind, z.B. in Köln oder Regensburg. Manch einer wünscht sich dort einen anderen Bischof und sieht mit Grauen, was ein Bischof oder Erzbischof in seiner langen Amtszeit noch anrichten wird.

Nun ist die Amtszeit der Bischöfe schon begrenzt. Mit 75 Jahren gehen sie in den Ruhestand. Aber es geht um eine zusätzliche zeitliche Begrenzung der Dauer der Amtsführung eines Bischofs. In vielen Ordensgemeinschaften ist es so, dass die Verantwortlichen für eine begrenzte Zeit gewählt werden. Auch bei den Jesuiten wird der Obere, d.h. Leiter unsere Region, der Provinzial, für sechs Jahre ernannt. Danach übernimmt ein anderer die Aufgabe. Der Generalobere der Jesuiten wird allerdings bei uns auf Lebenszeit gewählt. 

Was ist der Vorteil von einer Wahl auf Lebenszeit? Der Obere ist unabhängiger in seinen Entscheidungen, er muss nicht auf Machtinteressen schauen. Zudem gibt es mehr Stabilität, wenn nicht alle nur bis zur nächsten Wahlperiode denken. 

Was ist der Nachteil einer Wahl auf Lebenszeit? Wenn ein Oberer schlecht regiert, gibt es keine Möglichkeit nach einer gewissen Zeit einen neuen zu wählen. Zudem ergibt sich eine andere Dynamik der Ausübung von Macht, wenn alle Amtszeiten begrenzt sind. 

Nun sagen manche: Wie bei einem Politiker, der für eine bestimmte Zeit ein Dienstamt (Ministerium) hat, würde es auch für den Bischof gut anstehen, eine begrenzte Zeit zu regieren. Sozusagen Demokratie plus Evangelium. Das ist bei den evangelischen Bischöfen so. Die evangelischen Bischöfe werden deshalb auch sinnvollerweise für eine begrenzte Zeit gewählt, zum Beispiel zwölf Jahre. Sie haben allerdings faktisch keine Macht, sie repräsentieren. Die wichtigen Personalentscheidungen trifft die Synode beziehungsweise das Presbyterium. 

Andere sagen: Bischöfe sind keine Politiker. Sie haben ein geistliches Amt. Sie werden nach der Wahl und der Bestätigung durch den Papst zum Bischof geweiht. Die Weihe ist ein Sakrament, d.h. ein sichtbares und wirksames Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen. Dieses Zeichen gilt nicht nur für kurze Zeit. Wie bei der Ehe, die man auch nicht nur für ein paar Jahre verspricht, gehört es gerade dazu, dass es in guten und in schweren Zeiten gilt. Es kann nicht rückgängig gemacht werden, es bleibt. Es kann sein, dass der Bischof schlecht reagiert, dass er betrügt, dann wird er aus dem Amt entlassen, aber er bleibt Bischof. So wie Geschwister stets Geschwister bleiben: Man kann sich zu streiten, aber deshalb hören Sie nicht auf Geschwister zu sein. 

Die Bischofsweihe ist das eigentliche Sakrament der Weihe in der Kirche. Ein Bischof kann Priester und Diakone als Mitarbeiter weihen. Doch damit sind wir unversehens bei einer anderen Frage gelandet. Nämlich: Brauchen wir überhaupt die Weihe der Amtsträger? Ist das nicht veraltet? Auch diese Frage wird beim Synodalen Weg diskutiert.

Die Weihe der Bischöfe und ihrer Mitarbeiter ist tatsächlich sehr alt. Sie gab es in der Kirche sicher schon im zweiten Jahrhundert. Die Apostel und Apostelinnen waren Zeugen der Auferstehung und haben von Jesus den Auftrag bekommen, das Evangelium zu verkünden. Als die Kirche wuchs, suchte man unterschiedliche Formen, um diesen apostolischen Auftrag zu erfüllen. 

Schon im Timotheus-Brief ist davon die Rede, dass es Episkopen, Presbyter und Diakone gab. Diese Bischöfe wurden später als die Nachfolger der Apostel gesehen. Eine Kirche ohne einen Bischof, d.h. ohne jemanden, der als Nachfolger der Apostel das Zeugnis der Auferstehung glaubwürdig verkündet und weitergibt, hängt quasi in der Luft. Ihr fehlt ihr der Grund, das Fundament, die Verbindung zu Jesus Christus. 

Zugespitzt formuliert: Eine Kirche braucht einen Bischof, damit sie Kirche ist. Das macht deutlich, warum es bei der Frage nach dem Bischof und der Bischofsweihe tatsächlich nicht nur um ein Detail geht, sondern um das sichtbare Zeichen der Einheit: die Einheit durch die Zeit hindurch mit den Christen vor uns und mit den Aposteln - und die Einheit über die verschiedenen Regionen der Welt hinweg, mit den Christen in anderen Ländern. 

Unsere Kirche ist katholisch, d.h. weltumspannend, und sie apostolisch ist, d.h. auf das Fundament der Apostel und ihrer Nachfolger gegründet. Die Bischofsweihe ist deshalb ein Zeichen, das uns hier und heute mit der menschgeworden Liebe Gottes verbindet. Dass viele Menschen heute diese Zeichen nicht mehr verstehen, mag sein. Dass die Verantwortlichen in der Kirche sich nicht immer so verhalten, dass sie dieser Würde und Aufgabe gerecht werden, mag auch sein. Bischöfe sind Menschen und machen Fehler. Aber es ist ein Ideal, auf das hin man den Bischof ansprechen kann: Lieber Bischof, das ist deine Würde und Aufgabe: Nachfolger der Apostel zu sein. Das Zeichen gibt eine Orientierung und es ist für den, der glaubt, eine Realität, die Wirklichkeit verändert und verwandelt: Ein Sakrament lässt etwas von der Herrlichkeit aufscheinen, von der Ehre, von dem Gewicht des Glaubens, von seiner Schönheit. Und es mahnt uns zur Einheit und zum Frieden. 

Jesus ist nicht mehr da. Er ist in den Himmel aufgestiegen. Er ist zum Vater gegangen. Aber wir sind noch hier. Wir leben noch auf der Erde; und selten sehen wir den Himmel offen. Doch wir haben das Zeugnis der Apostel, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Dass die Liebe, mit der Gott Jesus geliebt hat, auch unter uns lebendig ist. 

Das löst nicht die Frage, ob die Amtszeit der Bischöfe begrenzt werden soll. Es gibt meine ich, gute Argumente dafür und dagegen. Wesentlich aber scheint mir zu sein, dass wir die Bedeutung der Sakramente und die Aufgabe der Bischöfe besser verstehen und dass wir nicht aufhören, darum zu bitten, dass Gott seiner Kirche gute Bischöfe schenken möge, die im Dienst für die Einheit der Kirche wirken und als Zeichen für den Frieden in der Welt einstehen. Amen.


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