Montag, 5. Dezember 2022

Konflikte


Predigt Zweiter Sonntag im Advent A, 4.12.2022

Liebe Geschwister!

Johannes der Täufer ging in der Wüste. Die Wüste ist ein Ort, an dem es sich nicht gut leben lässt. Am Tag ist es heiß und die Sonne scheint. Und nachts ist es kalt. In der Wüste gibt es wenig Wasser, kaum frische Quellen. Die Wüste ist der Ort der wilden Tiere, und gefährlich. Und außerdem ist sie der Ort der Dämonen, ein inneres Schlachtfeld. Kurz gesagt: ein Ort der Konflikte!

Johannes der Täufer ging in die Wüste und verkündete dort die Bekehrung, weil er wollte, dass die Menschen neu anfangen. Er blieb nicht in Jerusalem, weil er sie an die privilegierte Zeit des Volkes Israel in der Wüste erinnern wollte. Er wollte sie gleichzeitig an die Botschaft des Propheten Jesaja und seinen Aufruf zur Umkehr erinnern. 

Johannes der Täufer in der Wüste provozierte Konflikte. Er konfrontierte die Menschen in Jerusalem mit ihren Sünden. Die Frommen, die Pharisäer und Sadduzäer beschimpfte er: "Ihr Schlangenbrut!" Und er warnte sie: Denkt nicht, dass ihr nicht gerichtet werdet, weil ihr die Juden seid, die Söhne Abrahams. „Jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen." Was für ein Typ! Was für eine Persönlichkeit der Konflikte! 

Manche nennen es „kommunikativer Klimawandel“; ich persönlich mag keine Konflikte. Ich mag es, wenn Menschen sich gut verstehen, wenn sie friedlich miteinander auskommen. Ich mag keine Konflikte, weil es im Moment zu viele davon gibt: Der Krieg in der Ukraine. Die Konflikte um Energie und Ökologie. Die Konflikte auf der Arbeit, in der Familie. Ich habe genug davon. Wie sehr ich mir Versöhnung und Frieden wünsche, Gerechtigkeit für die Menschen!

Aber ich habe entdeckt, dass es Menschen gibt, die Konflikte lieben. Nicht weil sie rachsüchtig sind oder auf Krawall gebürstet. Sie sind offenbar der Meinung, dass Konflikte uns etwas Gutes bringen können. 

Oft entstehen Konflikte mit dem, der anders ist. Der Fremde lässt uns die Andersartigkeit entdecken. Der Philosoph Michel de Certeau SJ hat darüber nachgedacht. Er sagt, dass Konflikte in der Gesellschaft und in der Familie, politische Konflikte, ökologische Konflikte usw. für Christen immer eine religiöse Dimension haben, weil - auch wenn eine Lösung bzw. eine von der Liebe geleitete Versöhnung nicht möglich ist - Konflikte Situationen sind, um den anderen und damit seine Andersartigkeit anzuerkennen und zu erkennen, dass wir noch den Weg zum Frieden suchen, den Christus uns gelehrt und eröffnet hat. 

Die Wahrnehmung der Realität wird auf die Probe gestellt. "We agree to disagree". Wir erkennen, dass Frieden und Gerechtigkeit noch nicht verwirklicht sind. Und wir entdecken die Unterschiede. Vielleicht ist dies der erste Schritt, um einen Konflikt für das Gemeinwohl zu nutzen.

Konflikte sind in gewissem Sinne das Gesetz unserer Existenz. Es wird immer Konflikte geben, weil wir auf diese Weise unsere persönlichen Interessen, Wünsche, Rechte usw. entdecken. Ein Konflikt ist die Art und Weise, wie wir die Rechte und Interessen anderer erkennen. Beispielsweise wurden die Menschenrechte durch eine ganze Reihe von Konflikten in Europa geformt. 

Auch in der Kirche gibt es Konflikte. Die aktuellen Diskussionen zum Synodalen Weg, der Besuch der Bischöfe in Rom, immer neue Meldungen über Beschwerden oder Rücktritte. Der heilige Paulus hat viele Konflikte in seinen Gemeinden erlebt. Er schreibt ihnen von seinem Wunsch nach Versöhnung: „Der Gott der Geduld und des Trostes aber schenke euch, eines Sinnes untereinander zu sein, Christus Jesus gemäß, damit ihr Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, einmütig und mit einem Munde preist. Darum nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes!“ (Röm 15)

Paulus lehrt uns viel über Konflikte: Der Konflikt zwischen dem Fleisch und dem Geist. Zwischen Griechen und Hebräern. Zwischen den Reichen und den Armen. Im ersten Brief an die Korinther schreibt er: „Zunächst höre ich, dass es Spaltungen unter euch gibt, wenn ihr als Gemeinde zusammenkommt; zum Teil glaube ich das auch. Denn es muss Parteiungen geben unter euch, damit die Bewährten unter euch offenkundig werden.“ (1Kor 11,18-19).

Paulus zeigt, dass Konflikte uns eine doppelte Gnade verleihen. Jene, dass wir uns selbst in Frage stellen, eine Revision unseres Lebens beginnen und jene, dass wir bei anderen etwas Neues entdecken. 

Zum Beispiel die Entdeckungen über den Missbrauch von Minderjährigen durch Priester und Bischöfe. Es ist schrecklich, was sich da gezeigt hat: Sünde, Gewalt und das Böse innerhalb der Kirche. Aber es gibt trotz allem eine Gnade. Durch die Presse und die Medien, die sich in den Konflikt begeben haben, die sich der Macht der Kirche widersetzt haben, die nicht sehen wollte, was man entdeckt hat, hat das Volk Gottes eine Gnade erhalten. Die der Wahrheit. Da bin ich mir sicher.

Wir sehen uns nach Versöhnung und Frieden unter den Menschen. Der Prophet Jesaja kündigt uns diese messianische Versöhnung mit dem Bild eines Zweiges an, der „aus dem Baumstumpf Jesse hervorgehen“ wird. Ein Baumstumpf ist ein abgetrennter, toter Baum. Dort, wo es keine Hoffnung auf Leben mehr gibt, wo alles tot zu sein scheint, wird etwas Neues hervorgehen.

Der Prophet Jesaja verkündet uns diese Neuigkeit mit seinen Bildern vom messianischen Frieden zwischen Tieren und Menschen: „Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie. Kuh und Bärin nähren sich zusammen, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter und zur Höhle der Schlange streckt das Kind seine Hand aus.“

Diese Vision von der Vielfalt und Schönheit des Lebens inspiriert mich persönlich dazu, Gutes zu tun. Es gibt ein Ziel, ein Ideal: Die Versöhnung und die Gerechtigkeit des Messias. Sie wird nicht - wie so oft - auf dem Rücken der Kleinen stattfinden. Im Gegenteil: „Er richtet nicht nach dem Augenschein und nach dem Hörensagen entscheidet er nicht, sondern er richtet die Geringen in Gerechtigkeit und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist.“

Zum Abschluss bleibt eine Frage: Was motiviert mich Gutes zu tun - inmitten all der Konflikte? Woher kommt die Inspiration, um für den Frieden zu arbeiten? Wo finde ich die Energie, um eine Versöhnung für möglich zu halten?

Tue ich etwas Gutes, einfach weil es gut ist? Ist es die Belohnung im Himmel, die mich motiviert und mir Durchhaltevermögen verleiht? Ist es das Versprechen Christi, am Ende der Zeit mit ihm in seinem Reich zu sein? Vielleicht ist all das eine Motivation für Christen. Aber die heutigen Lesungen bieten uns eine andere Motivation als diese. Es gibt eine geistliche Motivation:

Johannes der Täufer sagt es uns: Der aber, der nach mir kommt, …  wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“

Der Prophet Jesaja kündigt den Messias an als denjenigen, auf dem der Geist des Herrn ruhen wird: „der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.“

Dieser Geist zeigt sich in einer inneren Haltung. Dieser Geist zeigt sich im kleinen, konkreten Alltag des menschlichen Lebens. Dieser Geist zeigt sich in der Art und Weise, wie Konflikte ohne Gewalt gelöst werden: „Er schlägt das Land mit dem Stock seines Mundes und tötet den Frevler mit dem Hauch seiner Lippen.“ Gewaltlos. Seine Rüstung ist Gerechtigkeit und Treu.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Ja, wir erleben überall Konflikte. Und ja, wir hoffen auf Versöhnung und Frieden. Adventliche Menschen leben in diesen Konflikten mit dieser Hoffnung auf Frieden. Und sie bekommen immer neue Kraft dazu durch Heiligen Geist. Sie lassen sich in ihrer Hoffnung beschenken, motivieren, inspirieren. Amen.


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