2022 Predigt Vierter Adventssonntag - Lesungen: Jes 7 und Mt 1 – „Zeichen“
Liebe Geschwister im Glauben!
Wir treffen in unserem Alltag andauernd kleine und große Entscheidungen, über deren Auswirkungen wir uns nur selten im Klaren sind. Wir sehnen uns nach einem geglückten Leben, und wir versuchen, gute Entscheidungen zu treffen. Doch was ist das Gute? Wie kann ich beurteilen, worauf es ankommt? Manchmal ist das Gute nicht so einfach erkennbar. Entweder, weil man nicht daran denkt, oder weil es nicht klar ist, welcher Weg dort hinführt.
Sicherlich gibt es Gebote und Regeln, es gibt moralische Kriterien. Aber oft gibt es mehrere Möglichkeiten, die alle gut sind. Was ist das bessere? Wie schön wäre es, von Gott ein Zeichen zu bekommen, ein Hinweis! Wir schön wäre es persönlich zu spüren, dass er da ist und uns begleitet. Einfach, weil seine Gegenwart uns befreit, uns hilft und Frieden schenkt.
König Ahas ist ein Herrscher, der von seiner eigenen Machtfülle und Intelligenz so überzeugt ist, dass er keine Zeichen von Gott braucht. Obwohl der Prophet Jesaja ihn auffordert, Gott um ein Zeichen zu bitten, lehnt er es ab, mit einer scheinbar frommen Begründung, scheinheilig könnte man sagen. Denn seine Aussage spielt Gottesfurcht vor, doch in Wirklichkeit hat er seine eigenen Pläne im Kopf. Er will in dem politischen Konflikt in der Region sich nicht mit dem Nordreich Israel gegen die heraufziehenden Assyrer verbünden, sondern er meint selbstbewusst, durch eine Allianz mit den feindlich Assyrern könnte er der lachende Dritte sein und geschickt die Oberhand behalten. Der Prophet Jesaja warnt ihn vor diesem Bündnis. Er soll nicht auf politische Machenschaften setzen, sondern auf Gott vertrauen.
Anders Josef, der mit Maria verlobt ist. Er scheint betrogen worden zu sein, eine furchtbar demütigende Situation für ihn. Die Eheschließung steht kurz bevor, doch seine Verlobte ist schwanger, nicht von ihm. Das Vertrauen zerbricht. Was soll er tun? Wie soll er sich entscheiden? Eine Lösung muss gefunden werden. Er will sie nicht bloßstellen.
Ob er um ein Zeichen gebeten hat, ist nicht überliefert, aber sein Glaube prägt ihn bis hinein in seine Träume. Er rechnet mit dem Eingreifen des lebendigen Gottes. Im Traum hört er, wer selbst ist („Sohn Davids“) und er bekommt auch ein Zeichen, was er tun soll. Diesem Zeichen folgt er. Dreimal übrigens wird Joseph in der Kindheitsgeschichte nach Matthäus wesentliche Entscheidungen aufgrund seiner Träume treffen: Nach der Hochzeit mit Maria auch die Flucht nach Ägypten und die Rückkehr nach Nazareth. Dreimal erfährt Joseph im Traum, was zu tun ist.
Wie berührt uns Gott? Der heilige Ignatius ist davon überzeugt, dass Gott mit den Menschen in Beziehung tritt, in der Gegenwart kommuniziert, und zwar nicht allgemein im Wort Gottes, das uns in der Bibel überliefert ist, oder in den Lehren der Kirche, sondern auch persönlich mithilfe von Gedanken und Gefühlen, die in uns entstehen. Er nennt es den „guten Geist“ oder den „guten Engel“, der die Seele sanft berührt, leicht und lind wie ein Tropfen Wassers, der in einen Schwamm eindringt. Die Berührung Gottes kann im Gebet, bei wachem Bewusstsein geschehen, oder auch im Traum. Beide Male geht es um die tiefen Schichten der Seele, in den Gott wirkt auf eine unglaublich feine, aber nachhaltige Art und Weise – und um die Wahrnehmung dieses Wirkens. Es geschieht, wenn wir uns innerlich loslassen können, wenn wir vertrauen, wenn wir nicht nur mit dem Verstand und dem eigenen Willen arbeiten, sondern tiefere Schichten unserer Seele in Bewegung kommen.
Drei Dinge sind dafür wichtig:
1/ Grundlage dieser Spiritualität ist erstens die Ausrichtung auf Gott und die entsprechende Lebens-gestaltung nach der nach dem Evangelium, wie Ignatius es in dem Text Prinzip und Fundament beschreibt: „Der Mensch ist geschaffen dazu hin, Gott Unseren Herrn zu loben, Ihn zu verehren und Ihm zu dienen, und so seine Seele zu retten.“
Josef ist so ein Mann, der weiß, wie man nach Gottes Geboten lebt, „gerecht und fromm“, so heißt es im Text. Ein integrer Mann, und seine Frömmigkeit ist zutiefst menschlich. Er ist mit den heiligen Schriften vertraut, und er weiß, was Gott für sein Volk verheißen hat.
2/ Grundlage dieser Spiritualität ist zweitens die Relativierung aller irdischen Dinge. Nichts ist Gott gleich. Gott steht immer an erster Stelle, weil er das Gute für den Menschen will. Ignatius formuliert diese Haltung so: „Die andern Dinge auf Erden sind zum Menschen hin geschaffen, und um ihm bei der Verfolgung seines Zieles zu helfen, zu dem hin er geschaffen ist. Hieraus folgt, dass der Mensch sie so weit zu gebrauchen hat, als sie ihm zu seinem Ziele hin helfen, und so weit zu lassen, als sie ihn daran hindern.“
Josef ist dafür ein Beispiel. Er ist kein Fanatiker, er will nicht, dass sie gesteinigt wird. Er geht bis an die Grenze des für ihn denkbar Möglichen. Er will sich von Maria trennen, in aller Stille, ohne Aufsehen zu erregen. Die schonendste Lösung in dieser komplizierten Lage. Das suchen, was hilft.
3/ Grundlage dieser Spiritualität ist drittens das Bewusstsein, dass wir Gott nicht begreifen können, dass Gott seine eigenen Wege hat und „Erfolg“ keiner der Namen Gottes ist. Sein Heil ist misst sich nicht nach mensch¬lichen Maßstäben. Wenn wir für Gottes Zeichen aufmerksam werden und empfänglich werden, dann braucht es ein achtsames Hinhören und Zuhören, das nicht schon von vorne rein weiß, was gut und richtig ist. Ignatius nennt es die Indifferenz: „Darum ist es notwendig, uns allen geschaffenen Dingen gegenüber gleichmütig (indiferentes) zu machen, überall dort, wo dies der Freiheit unseres Wahlvermögens eingeräumt und nicht verboten ist, dergestalt, dass wir von unserer Seite Gesundheit nicht mehr als Krankheit begehren, Reichtum nicht mehr als Armut, Ehre nicht mehr als Ehrlosigkeit, langes Leben nicht mehr als kurzes, und dementsprechend in allen übrigen Dingen, einzig das ersehnend und erwählend, was uns jeweils mehr zu dem Ziele hin fördert, zu dem wir geschaffen sind.“
Josef ist nicht gleichgültig in dem Sinne „jetzt ist eh alles egal“ oder „wie man es macht, ist es falsch“, sondern er ist gleichmütig, d.h. offen für die unerwarteten Wege und Lösungsmöglichkeiten Gottes. So wie ein Tor¬wart vorm Elfmeter sich nicht schon vor dem Schuss entscheiden sollte, ob er nach rechts oder links springt (denn in 50 % der Fälle läge er statistisch gesehen falsch!), so darf auch ein Christ, der mit dem Wirken des Heiligen Geistes in seinem Leben rechnet, nicht immer schon selbst wissen, was eigentlich zu tun ist, sondern er soll sich offen halten für das Wirken Gottes, für seine Zeichen. Indifferenz ist nicht Depression oder Dunkelheit, sondern eine freudige, achtsam, gespannte, energievolle, wache Aufmerksamkeit der Seele für die Wirkungen des Geistes, die sich in den Gedanken und Gefühlen zeigen; „adventliche Freude“ trotz einer Traurigkeit, könnte man auch sagen.
Zurück zu den Zeichen. Alles in dieser Welt kann uns zum Zeichen Gottes werden. Es liegt am Kontext, an der Deutung, an der persönlichen Erfahrung. Eine Begegnung mit einem Freund kann führ mich zum Zeichen werden; ein Wort, das ich höre; ein Buch, das ich lese; ein Bild, das ich sehe; in allem kann Gott Begegnung feiern.
Letzte Woche leuchtete während der Messe der französischen Gemeinde plötzlich die Liedanzeige im Altarraum auf. Die Anlage war sicherlich ausgeschaltet, das Programmiergerät lag in der Sakristei und es war auch nur auf der Seite des Altarraums etwas zu sehen, nichts bestimmtes, keine lesbaren Ziffern. Es werden irgendwelche merkwürdigen Stromstöße im Kabel gewesen sein, Schwingungen im Funkverkehr, keine Ahnung. Aber es ist für mich ein Zeichen geworden, das mich wach gemacht hat, gegen meine eigene Unaufmerksamkeit in der Messe.
Das Zeichen, das Gott uns schenkt, an Weihnachten und – wenn wir es wahrnehmen auch hier und heute - ist die eindeutig für den Menschen entschiedene Liebe, die uns im Leben, im Tod und in der Auferweckung Jesu offenbar wird. Sie ist ein Zeichen für alle Menschen. Es wird uns jetzt gegenwärtig, wenn wir zusammenkommen, zwei oder drei in seinem Namen und Eucharistie feiern, das Zeichen des Bundes, dass Gott mit uns ist. Immanuel. Amen.
„Gott will, dass wir sehen, was er will und was er tut. Daher gibt er uns die großen Zeichen. Wer die Zeichen sehen kann, kann auch das Gemeinte erkennen. Die Jungfrau und das Kind: Zeichen dafür, dass unsere Hoffnung in Schwachheit und Armut geboren wird.“ (Schott, Einführung)
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