Predigt Ostermontag 2023 – Manresa | Hamburg – „Da gingen ihnen die Augen auf!“
In Piemont, sagt man, laufen die Menschen beim ersten Osterläuten zum Brunnen in der Mitte des Dorfes. Dort waschen sie sich die Augen aus. Die Ich-will-dich-haben-Augen. Die Machen-wir-ein-Geschäft-Augen. Die Geh-mir-aus-den-Augen-Augen. Sie wollen Osteraugen bekommen. Darum waschen sie die kalten, die gierigen, die listigen, die misstrauischen Blicke fort. Sie spülen die Schleier der Angst weg. Und das kalte Wasser, sagt man, schwemmt heraus den Dreck eines langen Jahres. Sie heben den Kopf und schauen sich mit guten Augen an. (Bernhard Langenstein)
Nicht alle Menschen glauben an Jesus Christus. Manche möchten es nicht. Andere möchten es, aber versuchen vergeblich, einen Zugang zu finden. Einige haben einen gleichsam natürlichen Glauben, können sich gar nicht vorstellen, was es bedeutet, nicht zu glauben. Für wieder andere ist der Glaube mit Zweifeln und mit Dunkelheit verbunden, ein manchmal mühsames Unterfangen.
Der Glaube verändert unsere Sicht auf die Welt. Das scheint mir offensichtlich. Wer glaubt vertraut. Wer glaubt, ist nicht allein. Wer glaubt, lebt aus der Dankbarkeit, dass er sich nicht selbst das Leben verdankt. Wer glaubt, findet, wer er sein kann, in der Beziehung mit Gott, mit Jesus Christus.
Der Glaube ist eine Tugend. Was bedeutet das? Er wird uns einerseits geschenkt, wir können ihn nicht machen. Andererseits aber bedarf für unsere Zustimmung, unsere Suchens und Übens, er ist eine Einstellung und Sichtweise, die entwickelt und entfaltet werden will. Um im Bild aus Piemont zu bleiben: was sind die Augen, die wir als Menschen haben? Was ist das Wasser, dass unseren Blick wäscht? Und was sind die Hände, die waschen? Oder anders gefragt: Was ist natürlich gegeben? Was ist übernatürlich? Und was ist unser Anteil am Glauben als eine Handlung?
Glaube ist nicht machbar. Es nicht ein Ding, dass ich mit dem Einsatz von Mitteln, durch Überlegungen und Entscheidungen, durch eigenen Willen einfach herstellen kann. Glaube bedarf allerdings unserer Zustimmung. Er ist wie alles, was wächst und sich entwickelt, ein lebendiges, komplexes Geschehen. Viele Einflüsse und Faktoren spielen eine Rolle. Eben auch unsere Disposition, unsere Einstellung unser Mittun. Wenn jemand nicht glaubt, weil er nicht will, weil es ihn einfach nicht interessiert, dann kommt er nicht in den Himmel. Irgendetwas dazwischen? Die Theologen sagen: Glaube ist Gnade und Freiheit!
1/ Glaube ist Gnade. Die christliche Verkündigung wird im Glauben „nicht als Menschenwort, sondern - was es in Wahrheit ist - als Gotteswort angenommen“ (1Thess 2,13). Der letzte Grund der Glaubenszustimmung sind nicht menschliche Beweisgründe, sondern es ist Gott selbst in seinem Zeugnis, in seiner Zuwendung. Dabei werden die menschliche Einsicht und die menschliche Vernunft nicht ausgeschaltet, sondern aktiviert.
2/ Glaube ist Freiheit. Kein Mensch muss glauben. Wir haben die Möglichkeit, uns zu entscheiden. Wir können Gründe suchen und finden, Argumente abwägen und vor der Vernunft und dem Gewissen prüfen. Wenn es etwas unglaubwürdig vorkommt, dann sollen wir vorsichtig sein. Glaube ist kein blindes Vertrauen. Vorsicht, vor allen Versuchen der Vereinnahmung, die uns letztlich für dumm verkaufen wollen!
3/ Glaube, ist etwas, das Kopf, Herz und Hand in Beziehung bringt und eine Kohärenz im Leben bewirkt. Dabei geht es eigentlich nicht um die Mitteilung von irgendwelchen göttlichen Wahrheiten, Werten oder moralischen Ansichten, die verstehen und halten soll, sondern die Offenbarung Gottes ist eine Selbst-Mitteilung. Gott teilt nicht nur irgendetwas von sich mit, dass ich für wahr halten soll, sondern er teilt sich selbst mit und schenkt sich in Jesus Christus den Menschen. Darin besteht das Evangelium.
Genau wie wir es gerade in der Erzählung von Lukas über die Jüngern gehört haben, die nach Emmaus wandern. Sie können nicht glauben und verstehen, dass Jesus auferstanden ist. Sie sehen nicht, dass er mit ihnen unterwegs ist und zu ihnen spricht, bis sie sich beim Brechen des Brotes an das Geschehen in Jerusalem beim Abendmahl erinnern und an sein Leben, das er hingegeben hat; wie er sich selbst hingegeben hat. Erst in diesem Moment gingen in die Augen auf, und sie erkannten ihn (V 31).
Der letzte und eigentliche Grund des Glaubens ist somit das Evangelium selbst. Es bringt sein eigenes Licht mit, dass wir mit den Augen des Glaubens sehen können.
Die „Augen des Glaubens“ sind eine Metapher. Diese Formulierung will darauf hinweisen, dass es natürliche Anhaltspunkte oder Ähnlichkeiten mit dem natürlichen Sehen unserer Vernunft gibt. Gleichzeitig macht sie deutlich, das ist tatsächlich um eine andere, gnadenhafte, d.h. geschenkte Haltung und Lebensweise geht, in der das unbedingte Vertrauen und die Einsicht etwas ermöglichen, was weit über unsere Vorstellungen hinaus reicht.
Ich glaube, dass diese Art und Weise des Sehens mit den Augen des Glaubens, vor allem im Dialog und in der Gemeinschaft möglich wird. Wenn wir miteinander unterwegs sind und anderen von unseren Erfahrungen erzählen. Und dabei spüren, dass sich das Gespräch öffnet für eine neue Sichtweise, eine Dimension des Lebens, die unser Herz öffnet und Vertrauen, Sinn, Freude, Hoffnung, Liebe ermöglicht, weil wir die Nähe Jesu „sehen“.
Der verstorbene Bischof von Aachen, Klaus Hemmerle, hat es so ausgedrückt: „Ich wünsche uns Osteraugen, die im Tod bis zum Leben, in der Schuld bis zur Vergebung, in der Trennung bis zur Einheit, in den Wunden bis zur Herrlichkeit, im Menschen bis zu Gott, in Gott bis zum Menschen, im Ich bis zum Du zu sehen vermögen. Und dazu alle österliche Kraft!“
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