Dienstag, 15. August 2023

Gekrönt

Predigt Mariä Himmelfahrt Hamburg 2023

St. Marien-Dom Hamburg / Foto: A.Lechtape

Im St. Marien-Dom zu Hamburg, der Kathedralkirche des Erzbistums, unweit von hier, findet sich in der Apsis, an der Decke, über dem Altar, ein großes Mosaik. Es zeigt auf Goldgrund in strahlenden Farben die Krönung Mariens im Himmel. Jesus und Maria sitzen nebeneinander auf einer Thronbank, in festlichen Gewändern, Jesus hat ein Buch in der einen Hand – und in der anderen eine Krone, die er seiner Mutter aufsetzt. Um sie herum ein Sternenkranz und rechts und links Engel, die jeweils ein Weihrauchfass schwenken. „assumpta est Maria in coelum“ - aufgenommen ist Maria in den Himmel. 

Das kostbare Mosaik zeigt drei wesentliche Aspekte unseres Glaubens: 

1/ Es zeigt die besondere Würde der Gottesmutter und die liebevolle Zuwendung und den Respekt ihres Sohnes. Ihr irdisches Leben, ihre Mitwirkung in der Heilsgeschichte werden von ihm anerkannt und gewürdigt. Ihr Leben wird vollendet und gekrönt durch Aufnahme in die Gemeinschaft des Himmels.

2/ Es zeigt, was wir als Christen erwarten: Dass wir dereinst, wenn Christus in Ewigkeit herrscht, mit ihm und in der Gemeinschaft der Heiligen im Himmel an der ewigen Freude teilhaben werden. So wie Maria jetzt schon in den Himmel aufgenommen wurde, mit Leib und Seele, so wird es auch uns verheißen.

3/ Es zeigt schließlich, wer wirklich herrscht. Nicht die Könige und Fürsten der Erde, sondern die Königin des Himmels ist die, zu der wir aufschauen. Sie ist unsere Orientierung. Sie ist mächtig. Deshalb brauchen wir unseren Glauben im Alltag nicht zu verteidigen. „Wer die Verteidigung des Gottes übernimmt, den er verehrt, der bekennt damit die Ohnmacht dieses Gottes!“ (Kunz, Konstantin, S. 44). Wer allerdings weiß, dass Gott in Jesus Christus herrscht und dass Maria als Himmelskönigin bei Gott für uns eintritt, der braucht keine Angst zu haben, was auch immer geschieht.

Mariä Himmelfahrt war deshalb schon immer ein besonderes Fest; auch ein politisches Fest! Das wird auch bei diesem Mosaik deutlich. Es wirkt nämlich älter als es tatsächlich ist. 

Heute vor 133 Jahren, am 15. August 1890, erfolgte in Hamburg die Grundsteinlegung von St. Marien durch den Osnabrücker Bischof Bernhard Höting. Die durch die industrielle Revolution rasch wachsende Freie und Hansestadt Hamburg hatte einen neuen Kirchenbau durch die Katholiken lange abgelehnt, nun sollte er im Hinterhof eines Waisenhauses und mit Hilfe einer Crowd-Funding-Aktion ermöglicht werden. Der Bischof wollte eine Kirche im „ruhig und gemessen wirkenden romanischen Stil“ errichten, um einerseits einen eigenen Akzent zu setzen, aber auch historische Kontinuität zu betonen. Die zwei Türme sollten an den Bremer Dom erinnern, den der hl. Ansgar hatte errichten lassen.

Der katholische Reichstagsabgeordnete Ludwig Windthorst, führender Repräsentant der Zentrums¬partei und Antagonist Bismarcks, hatte sich für das Projekt eingesetzt. Unter anderem ermunterte er die Hamburger Katholiken, sich nicht mit einer kleinen Lösung zufrieden zu geben. Er schrieb: „Hamburg ist das Tor Deutschlands zur Welt. Die Deutschen, welche in die Welt hinausgehen, hier sprechen sie das letzte Gebet auf deutschem Boden. Es muss ein Tempel gebaut werden katholischen Glaubens, der allen Nationen imponiert. Die Kirche muss Marienkirche heißen – stella maris.“

Der Bau schritt rasch voran, schon im September 1891 konnte Richtfest gefeiert werden. Doch die Gestaltung des Innenraums fehlte. 30 Jahre nach der Kirchweihe wurde der Kunstmaler Eduard Goldkuhle aus Wiedenbrück beauftragt, die Ausmalung der St. Marien-Kirche vorzunehmen. Der Künstler gestaltete Szenen aus dem Marienleben. Beherrschend war die Krönung Mariens auf Goldgrund in der Apsis - als ein Wandbild. 

Fünfzig Jahre nach der Kirchweihe, 1943, sollte dieses große Wandbild durch ein Mosaik ersetzt werden. Beauftragt wurde die Mayer'sche Hofkunstanstalt in München. Zwar war das Mosaik noch im gleichen Jahr versandfertig verpackt, wegen des großen Bombenangriffs auf Hamburg blieb es vorerst aber in München und wurde erst 1948 angebracht. Das kostbare Mosaik ist also nun 75 Jahre alt. Unmittelbar nach dem Krieg, inmitten einer vernarbten Stadt, hat es seine Wirkung sicherlich nicht verfehlt. 

Das Mosaik lehnt sich in Bildaufbau, Stil und Technik an das Apsis-Mosaik von Santa Maria Maggiore in Rom an, das Jacopo Torriti im Mittelalter (1295) als Zusammenfassung der Mosaikzyklen des fünften Jahrhunderts geschaffen hatte. 

Ist es Zufall, dass in diesen Tagen im St. Marien-Dom eine Ausstellung von Königinnen und Königen gezeigt wird – kleine Holzfiguren des Bildhauers Ralf Knoblauch? Es sind schlichte Schnitzereien, aufrechtstehend, mit einem weißen Hemd oder Kleid und einer schwarzen Hose und mit einer Krone. Sie erinnern an die Würde eines jeden Menschen, die ihm von Gott zukommt; und an die Würde, die wir als Getaufte haben, in der Gemeinschaft mit Christus, der König ist, Prophet und Priester.

Vielen Menschen wird heute ihre Würde abgesprochen; viele Menschen erleben, dass sie in ihrer Würde nicht respektiert werden. Viele Menschen leben unter unwürdigen Bedingungen, sei es in der Arbeit oder in den Beziehungen, sei es im Krieg.

Maria, aufgenommen in den Himmel, ihr Leben gekrönt wird von Gott – diese Fest ist eben auch immer schon ein politisches Fest, weil es uns nicht nur an die Würde der Gottesmutter erinnert; weil es uns nicht nur an unsere eigene Hoffnung erinnert, dass wir dereinst im Himmel leben werden; sondern, weil es uns auch jetzt schon an unsere Würde als Menschen und als Christen erinnert, weil wir schon jetzt in der Gemeinschaft mit Gott leben, Christus nachfolgen, auf seine Mutter als Himmelskönigin schauen. Wir haben als Christen eine Würde, die wir vielleicht manchmal vergessen und nicht leben. 

„Du krönst uns mit Barmherzigkeit!“ (Ps 103,4) Wenn wir uns dieser Würde bewusstwerden, dann können wir aufrecht stehen und für andere eintreten. Und unseren Glauben mit Freude bekennen.

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