Montag, 1. April 2024

Neuanfang

Foto von Daniel Jericó auf Unsplash

Predigt Ostern 2024, Manresa | Hamburg

Küken und Ei

„Frohe Ostern“, das wünsche ich Ihnen von Herzen. Wenn ich Ihnen das nicht persönlich sage, sondern per SMS schreibe, dann schlägt mir mein Mobiltelefon als Ergänzung ein passendes „Emoticon“ vor: ein halboffenes Ei, aus dem gerade ein Küken schlüpft. Nun kann man sich fragen, was das Ei und das Küken mit Ostern zu tun hat. Ostern ist doch das Fest von Tod und Auferstehung Jesu, der höchste christliche Feiertag, das Geheimnis und Zentrum des Glaubens. Und dann kommen Sie uns überall mit Osterglocken, Ostereiern und Osterhasen. Ist das christlich?

Das Ei wird tatsächlich schon in den ersten Jahrhunderten bei den Christen als ein Symbol für Ostern verwendet. Seit dem zwölften Jahrhundert sind bunte Eier bezeugt, zunächst in Rot, dann auch in anderen Farben. Das Küken, das aus dem Ei schlüpft, zeigt den neuen Anfang, das neue Leben. Es beginnt nicht von einem Moment zum anderen, sondern es entsteht, es gibt eine Phase des verborgenen Wachstums im Ei. Doch irgendwann kommt der Moment des Durchbruchs. Das neue Leben wird sichtbar. Es zeigt sich. Es bewegt sich. Es braucht mehr Platz. Das Ei mit dem Küken zeigt uns: Neuanfang ist möglich! 

Neuanfang im Glauben

Und das ist ja auch Ihre Erfahrung; die von Julia, die heute getauft und gefirmt wird, aber auch die der anderen, die heute in die katholische Kirche aufgenommen bzw. gefirmt werden: „Du kannst neu anfangen!“ „Du darfst neu anfangen!“ Neues Leben ist möglich, hier und jetzt! 

Wenn Sie das heute öffentlich bezeugen und es Ihnen in der Taufe und der Firmung zugesagt wird, dann ist das nicht unvermittelt von einem Moment auf den anderen. Es gab eine Phase des verborgenen Wachstums im Glauben. Sie alle haben schon mehr oder weniger Erfahrungen im Glauben gemacht. Sie beten, sie haben sich mit anderen über den Glauben ausgetauscht haben. Sie haben sich umgeschaut. Sie haben seit September an einem Kurs der KGI teilgenommen. Sie haben sich der Gemeinde vorgestellt. Sie haben das Glaubensbekenntnis übergeben bekommen. Doch irgendwann kommt der Moment, in dem ihre Entscheidung sichtbar wirkt, sich zeigt und durch die Kirche bestätigt wird. In der Taufe, so glauben wir, sagt Gott zu dir, Julia: „Du bist meine geliebte Tochter, an der ich Gefallen habe.“

Dass neues Leben möglich ist, dass Neubeginn geschieht, wo niemand es erwartet hat, - das ist im Grunde die Erfahrung Jesu und die Erfahrung seiner Jünger zu Ostern. Das Kreuz ist nicht das Ende, das Scheitern, sondern es spricht zu uns von einer Liebe, die das Böse und die Sünde besiegt. Es wird zum Neuanfang, der in der Auferstehung sichtbar wird.

von Gott auferweckt

Diese Initiative geht von Gott aus. Das ist für die Jünger klar: Nicht Jesus selbst steigt aus eigener Kraft aus dem Grab, sondern Gott hat ihn auferweckt. Darauf weist Petrus in seiner Rede hin, die wir in der ersten Lesung gehört haben. „Gott aber hat ihn am dritten Tag auf erweckt und hat ihn erscheinen lassen, zwar nicht im ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorher bestimmten Zeugen.“ (Apg 10, 40f.) Daher hat die Auferstehung den Charakter der göttlichen Kreativität, einer neuen Schöpfung.

Unter den Jüngern Jesu, die ihn vor seinem Tod erlebt haben, gibt es nicht wenige, die daran zweifeln, dass so etwas wie Auferweckung möglich ist. Sie haben noch das blutige Drama von Golgatha vor Augen und sind in Traurigkeit und Verzweiflung gefangen. Ist das alles eine Selbsttäuschung? Autosuggestion? Kollektive Halluzination? 

Die Evangelien von Ostern sind überraschend zögerlich und tastend. Und daher, so glaube ich, auch überraschend ehrlich. Es ist eben nicht alles gleich von Anfang an klar. Es ist nicht der Sieger, der im Triumph aus dem Grabe erstand. Die Evangelien überliefern den Zweifel, das Unverständnis. 

Die Jünger verstehen am Ostertag eben noch nicht, was eigentlich geschehen ist. „Sie sind verzweifelt, sie trauern, sie ziehen sich zurück, sie haben Angst und machen die Türen hinter sich zu. Nur Maria von Magdala traut sich im Schutz der Morgendämmerung zum Grab. Und sie berichtet Seltsames: Der Stein - weggewälzt, das Grab – leer. Was soll man davon halten? Was ist geschehen? Wie wird es weitergehen? Fragen über Fragen, Ungewissheit, Verunsicherung, Ratlosigkeit. Aber plötzlich macht ein Wort die Runde: auferstanden! Heißt das: Jesus lebt?“ (Andrea Schwarz)

Und dann laufen sie zum Grab, Petrus und der andere Jünger, den Jesus liebte. Zunächst schaut Petrus ins Grab, so wird erzählt, und dann auch der andere Jünger. „Und er sah (wie es darin aussah) und er glaubte (dass Jesus auf erweckt worden ist und lebt). Denn damals,“ so erklärt uns das Evangelium, „hatten sie ja noch nicht die Heilige Schrift verstanden, wonach Jesus von den Toten auferstehen soll.“ (Joh 20, 8-9; vgl. Übersetzung von Klaus Berger)

Sie kannten noch nicht, was wir heute kennen. Sie verstanden noch nicht, was wir heute aus dem Zeugnis der Apostel besser verstehen, selbst wenn wir es nicht endgültig und bis ins Letzte begreifen können. Doch es fügt sich, dass will wohl das Johannes-Evangelium sagen: der Neuanfang ist in den Schriften des Alten Bundes angekündigt. Es ist der Neue Bund in seinem Blut, den Gott uns schenkt, der Neuanfang, der möglich ist.

Auferstehung braucht Zeit

Das alles zu verstehen, braucht Zeit. „Für die Freunde Jesu findet Ostern nicht am dritten Tag statt. Sie brauchten Zeit, um zu erahnen und zu verstehen, damit auch in ihnen Auferstehung werden kann.“ Und das gilt genauso für uns heute. Wir sind eingeladen, Ostern werden zu lassen, d.h. uns selbst in die Dynamik von Tod und Auferstehung hineinziehen zu lassen, mit Jesus. „Er geht uns voraus, aber wenn wir nicht mitgehen, bleibt er allein.“ (Andrea Schwarz)

Das ist das Geheimnis der Taufe. Das ist das Fest von Ostern, dass heute beginnt und bis Pfingsten dauert. 50 Tage haben wir Zeit, diesen Neuanfang reifen zu lassen, jeden Tag neu Auferstehung zu üben.

Gebet (nach einem Text von Pierre Teilhard de Chardin): „Hab’ Vertrauen in das langsame Arbeiten Gottes. Ganz natürlich drängen wir in allen Dingen ungeduldig dem Ziele zu. Wir möchten die Zwischenstufen überspringen. Wir leiden voller Ungeduld darunter, zu etwas Unbekanntem, Neuen unterwegs zu sein. Dabei ist es das Gesetz jedes Fortschreitens, dass sein Weg über das Unbeständige führt – das eine sehr lange Zeit andauern kann. Deine Gedanken reifen ganz allmählich, lass sie wachsen, lass sie Gestalt annehmen, ohne etwas zu überstürzen! Versuche nicht, sie zu zwingen, so als könntest du heute schon sein, was die Zeit (das heißt die Gnade und die Umstände, die auf deinen guten Willen Einfluss nehmen werden) morgen aus dir machen wird. Schenke unserem Herrn Vertrauen, und denke, dass seine Hand dich gut durch die Finsternisse und das Werden führen wird – und nimm aus Liebe zu ihm die Angst auf dich, dich im Ungewissen und gleichsam unfertig zu fühlen.“ 



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