Montag, 29. April 2024

Drei Worte


Predigt – Fünfter Sonntag der Osterzeit B – 28.4.2024 – 19 Uhr Manresa, Hamburg (Vorstellung Katechumenen), Les: Apg 9,26-31; 1Joh 3,18-24; Joh 15,1-8

Liebe Schwestern und Brüder!

Der Tisch des Wortes ist heute, am fünften Sonntag der Osterzeit, mal wieder reichlich gedeckt und angesichts so vieler köstlicher Speisen weiß man kaum, wo man anfangen soll. Bei der Lesung aus der Apostelgeschichte, die vom Wachstum dennoch jungen Kirche erzählt? Oder bei der Lesung aus dem ersten Johannesbrief, mit seiner ganz eigenen, besonderen Ausdrucksweise? Oder beim Evangelium, bei den Abschiedsreden Jesu und dem eindrucksvollen Bild vom Weinstock und den Reben? 

Ich möchte heute Abend drei Worte herausnehmen, drei Probierhäppchen erwähnen aus diesem großartigen Menü. Ich habe sie im Blick auf die neu Hinzugekommenen ausgewählt. Sie verdeutlichen für mich eine gewisse Haltung im Glauben, und sie zeigen eine Richtung für unser Verhalten als Christen in dieser Welt auf.

1/ freimütig

Fangen wir bei der Apostelgeschichte an. Dort ist von einem Konflikt die Rede. Für den neu bekehrten Saulus/Paulus war es nicht leicht, den Anschluss an die Gemeinde von Jerusalem zu finden. Es gab noch viel Misstrauen ihm gegenüber und gegenüber seinem Freund Barabbas. Gleichzeitig gerät er in den Konflikt mit den früheren „eigenen Leuten“, zu denen er gehört hatte, den Griechisch sprechenden Juden, den so genannten Hellenisten. Sie wollten ihn umbringen. In dieser aufgeheizten und zugleich deprimierenden Situation der jungen Kirche fällt ein Wort auf: „freimütig“. Gleich zweimal ist es erwähnt. Barnabas berichtet, wie Saulus in Damaskus von seinen Erfahrungen im Glauben berichtet habe und wie er „freimütig im Namen Jesu“ aufgetreten sei. Und dann in Jerusalem: dass Paulus „freimütig im Namen des Herrn“ auftrat. 

Freimut (parrhesia), das bedeutet Redefreiheit, über alles sprechen zu können. Das ist etwas Besonderes in der jungen Kirche. Es ist die Grundlage für ein Gespräch, dass nach Wahrheit sucht. Nichts verschweigen müssen. Keine klugen Worte oder politische Rücksichtnahme, sondern der Mut offen sprechen zu können. Das, was man denkt und glaubt, zu sagen. Keine Denkverbote. Keine Redeverbote. Ich glaube, das ist für jeden und jeden in der Gemeinde wichtig, aber ganz besonders für die, die neu dazukommen. Und ich glaube auch, dass dies genau der Weg ist, wie wir Konflikte heute in der Kirche angehen sollten. Selbstverständlich respektvoll, aber eben vor allem mit Freimut.

2/ in Tat und Wahrheit

Ein Wort aus der Lesung aus dem ersten Johannesbrief. Dort werden wir aufgefordert, „in Tat und Wahrheit zu lieben“. Was meint denn das? Es ist offenbar das Gegenteil von „mit Wort und Zunge lieben“. Man soll also nicht nur reden, viele Worte machen, was man alles tun könnte und sollte und müsste oder was der Glaube einem alles bedeutet, sondern man soll den Glauben tun! „Verkünde das Evangelium, und wenn es sein muss, auch mit Worten!“, so hat es der heilige Franziskus einmal ausgedrückt. 

Glaube, will gelebt, werden, sich im Alltag bewähren, damit er authentisch ist. Das ist die innere Haltung, um die es geht, für die die neu dazukommen, aber für alle anderen auch, den Glauben wahr werden zu lassen! „Und daran werden wir erkennen, dass wir in der Wahrheit sind“, so heißt es im Johannesbrief. 

Dann kommt aber zu diesem Wort von „Tat und Wahrheit“ noch ein zweiter wichtiger Gedanke dazu: „Wir werden vor ihm unser Herz überzeugen.“ Vor ihm unser Herz überzeugen: Das ist für mich ein wunderschöner Ausdruck von Gebet. Vor ihm da sein. Gott als gegenüber, als du und die Aufgabe ist es einfach, sich vor ihm von ihm verändern zu lassen, verwandeln zu lassen. Wie? Das eigene Herz darin überzeugen, dass Gott barmherzig ist, dass er liebt, trotz allem und mehr, als wir denken. Johannes, sagt es so: „… unser Herz überzeugen, dass wenn unser Herz uns verurteilt, Gott größer ist als unser Herz, und alles weiß.“

Es ist also wichtig, den Glauben zu leben, konkrete Taten der Nächstenliebe zu üben und den Glauben wahr werden zu lassen. Genauso wichtig ist es, zu beten und die innerliche Beziehung zum Herrn zu suchen, nämlich das eigene Herz immer wieder von der Liebe Gottes zu überzeugen, beziehungsweise überzeugen zu lassen. Gott zu trauen, d.h. ihm etwas zuzutrauen.

3/ in Christus sein – vom Weinstock und den Rebzweigen 

Und ein letzter großartiger Gedanke, das Bild vom Weinstock aus dem Evangelium. Das Wort ist in sich missverständlich, weil nicht klar ist, was mit dem Wort „Rebe“ im Deutschen eigentlich gemeint ist. Was ein Weinstock ist, das wissen wir, aber Rebe?

Weinrebe ist im Deutschen einerseits die ganze Pflanze, die Rebsorte. Der Weinstock ist die kultivierte Wuchsform der Weinrebe. Eigentlich sind also Weinstock und Weinrebe synonym. Hier im Text ist das allerdings nicht so. Hier sind mit Rebe die Rebzweige gemeint, d.h. die Äste, an denen die Trauben wachsen. 

Weinstock und Rebzweige sind ein Bild dafür, wie wir mit Christus verbunden sind. Die Zweige sind ein Teil des Ganzen. Letztendlich lässt sich Weinstock und Rebzweige nicht unterscheiden. Das eine gibt es nicht ohne des andere oder es ist ein toter Weinstock. 

Doch würde das dann bedeuten: die Weise, wie Christus in dieser Welt gegenwärtig ist, das sind wir alle, die vielen Zweige zusammen? Der lebendige Christus: die Menschen, die mit ihm verbunden sind?

„Wenn ich uns Christen anschaue und wie wir uns vor der Welt präsentieren, dann kann das doch nicht Christus sein. Das wäre auch eine gefährliche Vorstellung, nachdem wir schwache Menschen auf einmal zu perfekten Teilen des großen Christus werden, der Gottes Sohn in unserer Zeit ist. Oder ich blende aus dem Bild die vielen Sünder aus und meine, da gäbe es doch die Heiligen, die wären dann die waren Zweige am Weinstock. Nur: Auch die Heiligen waren Sünder, manche sogar heftig. Es muss also noch einmal etwas Anderes sein. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Jesus ein Bild aus der Biologie nimmt. Denn dort ist es immer so, dass das Ganze mehr ist als der Teil, der Organismus sich nicht ableiten lässt von den verschiedenen Teilen, als würden diese herumliegen, auf ihre Funktion immer schon festgelegt sein und sobald sie zusammengesetzt werden, würde daraus ein einheitliches Ganzes entstehen. Vielmehr ist es umgekehrt. Ohne Organismus wären die Teile nur tote Masse. Erst dadurch, dass sie im lebendigen Leib sind, bekommen sie ihre Bedeutung und Funktion. Von sich aus haben die Teile die Möglichkeit dazu. Es ist in ihnen angelegt. Aber erst durch das Ganze des Organismus werden sie zu den einzelnen Zellen, Nerven, Organen – Teilen die einen Sinn ergeben. Die heutige Naturwissenschaft weiß darum, dass man komplexe Dinge nicht allein aus den Teilen erklären kann, sondern erst das neu entstandene Ganze es möglich macht, die Teile zu verstehen. Man nennt dies Emergenz.“ (Martin Löwenstein, Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2021)

Christus und die Kirche, das ist doch nicht identisch. Aber das Bild ist hilfreich, insofern es nämlich um den Zusammenhang der einzelnen Teile geht. Die Reben sind nur am Weinstock sinnvoll. Und mit ihm verbunden, können sie leben und Frucht bringen. Und der Weinstock selbst ist nur lebendig, wenn er Reben hat und Frucht bringt.

Insofern ist es auch für die neu Hinzukommenden ein gutes Bild: Glaube ist eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus, aber Glaube geht nicht ohne die Kirche, die anderen, die mit ihm verbunden sind. Nur dann ist Glaube lebendig und bringt Frucht.

Diese drei Haltungen (Freimut, Authentizität und Verbundenheit) sind gute Haltungen für den Glauben, der lebendig ist und Leben schenkt. Amen.


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