Montag, 17. Juni 2024

Womit vergleichen?


Predigt 11. Sonntag im Jahreskreis B 2024 | Hamburg

„Er redete nur in Gleichnissen zu den Leuten; seinen Jüngern aber erklärte er alles, wenn er mit ihnen allein war.“ (Mk 4,34) - Ich lese und höre diese Notiz des Evangelisten am Ende und denke: „Wie gerne wäre ich dabei gewesen, wenn Jesus mit seinen Jüngern allein war und er ihnen alles erklärte!“ Zu den vielen Leuten, zu der Menge, und heute auch zu uns, redet Jesus nur in Gleichnissen von dem, was ihm am wichtigsten ist, vom Reich Gottes. 

Auf das Reich Gottes ist seine Verkündigung und sein heilsames Wirken ausgerichtet. Das sind die ersten Worte seines öffentlichen Auftretens, nach seiner Taufe: „Erfüllt ist die Zeit, nahegekommen ist das Königtum Gottes!“ (Mk 1,14). Von diesem Reich Gottes redet er in Bildern und Gleichnissen.

Gleichnisse sind oft mehrdeutig, der Alltagsbezug ist wichtig und er ist für uns heute nicht mehr so erfahrbar wie damals. Gleichnisse erschließen sich uns oft nicht direkt. Aber vielleicht bleibt es unsere Aufgabe, als Jüngerinnen und Jünger Jesu ihn immer wieder zu bitten, wenn wir mit ihm allein sind: „Erkläre es uns!“ 

1/ sichtbar und unverfügbar

Das erste Gleichnis handelt von einem Landwirt, der Samen auf den Acker sät, der dann wächst und reift. Im Zentrum dieser Erzählung steht das Geschehen selbst, der Prozess in der Erde und auf der Erde, der wie von selbst geschieht: „und der Mann weiß nicht, wie.“ (Mk 4,27) Es geschieht erfahrbar, sichtbar, wunderbar zu bestaunen, ohne dass man alles im Einzelnen kennen und verstehen muss.

Letzte Woche war ich mit zwei Männern, die am Samstag hier im Erzbistum Hamburg zu Diakonen geweiht werden, für eine Woche der Besinnung im Kloster Nütschau. Ich begleite sie nun schon einige Monate auf ihrem Weg. Und nichts war in diesen Tagen so gegenwärtig, wie das Staunen darüber, was in der letzten Zeit gewachsen ist, was sich verändert hat, was alles geschehen ist und geschieht - und meistens, ohne dass im Einzelnen zu wissen warum und wie. Man kann nur, im Rückblick, eine Veränderung wahrnehmen. 

Deshalb ist es gut, wenn man von Zeit zu Zeit einmal anhält und zurückschaut, was ist und was war und sich erinnert. Glaubende Menschen machen diese Erfahrung, dass es zwar eine gute Umgebung, gute Menschen um einen herum, Zuwendung, Gebet und so weiter bedarf, aber das vieles im Glauben unverfügbar ist und manchmal wie von selbst (automatisch) geschieht.

2/ groß und unaufhaltsam

Das zweite Gleichnis handelt vom Senf. Senf war im Altertum eine Feldfrucht, ein Gartenkraut. Der kleine Senf-Samen brachte viele Wurzeln und eine große, bis zu 3 m hohe Senfstaude hervor. Und jeder wusste: Wenn man dieses Kraut einmal im Garten hat, bekommt man es nicht mehr weg. Es ist deshalb nicht nur der Kontrast zwischen klein und groß, der hier erwähnt wird, sondern auch der Aspekt, dass die Dynamik des Glauben untergründig und unaufhaltsam ist.

Oft kommen Menschen zu mir, die vom Glauben erzählen, der sich trotz Widerständen nicht wegdiskutieren lässt. Aus einem kleinen Anfang geschieht und wächst etwas, dass sie irgendwann nicht mehr verbergen können und möchten, wo sie Austausch und Begegnung, wo sie die Begleitung in der Kirche suchen. 

3/ Mehr als nützlich

Und das ist der dritte Aspekt, der in beiden Gleichnissen zum Vorschein kommt. Was da entsteht und wächst, ist etwas Gutes, d.h. es hat nicht nur einen Nutzen für sich selbst, sondern auch einen Nutzen für andere.

Die Ähren der Körner geben Nahrung. Der große Baum spendet Schatten, in seinen Zweigen nisten die Vögel. Es gibt wahrscheinlich für einen Semiten am Oststrand des Mittelmeer nichts Schöneres als einen Baum, der Schatten spendet und in dem die Vögel nisten können. 

Zugleich klingt eine messianische Verheißung an: Der Baum, der Früchte trägt und in dem die Vögel nisten können – davon haben wir beim Propheten Ezechiel gehört. Es heißt dort: „Alle Vögel wohnen darin, alles, was Flügel hat, wohnt im Schatten der Zweige.“ (Ez 17,23) Alle Vögel, nicht nur bestimmte. Alle Vögel, das meint Heiden und Juden. Der Frieden der Völker, der mit dem Messias und seinem Reich verheißen ist.

Mehrere Aspekte des Reiches Gottes werden in diesen beiden Gleichnissen heute deutlich. Es ist (1) sichtbar und unverfügbar, es ist (2) groß und unaufhaltsam, es ist (3) mehr als nützlich. 

Jesus spricht vom Reich Gottes in Gleichnissen, und alles deutet darauf hin, dass das, was er meint, schon jetzt für uns erfahrbar ist. 

Wir erleben gerade die EM in unserem eigenen Land, und vielfach drängt sich der Vergleich zwischen Fußball, Kult und Religion auf. In einem Interview sagte Ralf Rangnick, langjähriger Fußballtrainer: vieles sei ganz ähnlich zwischen einem Fußballspiel und einem Gottesdienst, der entscheidende Unterschied sei: die Religion verspricht den Himmel im Jenseits, der Fußball schafft die Freude schon im Diesseits: „wenn zum Beispiel Deutschland Europa-Meister wird und ich dabei bin!“

Ich glaube, Ralf Rangnick hat viel verstanden vom Fußball, aber wenig von der Botschaft vom Reich Gottes. Denn das Reich Gottes, das mit Jesus begonnen hat, ist nicht nur das Jenseits, sondern es wächst schon, es ist schon im Kommen. Und es vermag heute schon Freude zu geben, vollkommene Freude. Amen.


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