Predigt 12. Sonntag im Jahreskreis C Hamburg 2025
Sach 12,10-11; 13,1; Gal 3,26-29; Lk 9,18-24
„Kennen Sie dieses peinliche Schweigen, wenn ein Bekannter in
gemeinsamer Runde ein Bekenntnis ablegt, mit dem viele offenbar nichts
anzufangen wissen, zum Beispiel ein tiefgläubiger Christ zu sein, also an Gott
als allmächtigen Schöpfer zu glauben, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen
Sohn? – Ernsthaft? Machst du jetzt Witze? Nur, damit wir uns richtig verstehen:
Eine Frau bringt den Sohn Gottes zur Welt, der am Kreuz stirbt für unsere
Sünden und seitdem zur Rechten Gottes thront. Und das glauben Sie?“ - Diese Situationen
kennt der Journalist Tobias Haberl und er berichtet davon in seinem Buch „Unter
Heiden. Warum ich trotzdem Christ bleibe“ (2024).
Das Bekenntnis zu Jesus als dem Christus, d.h. als dem
Messias ist heute in München oder Hamburg genauso wenig selbstverständlich, wie
es zur Zeit des Evangelisten Lukas in Griechenland war, von dem wir gerade
gehört haben. Und auch zu Lebzeiten Jesu war es alles andere als selbstverständlich.
Dieser Jesus hat provoziert.
Die Begegnung mit Jesus machte den Menschen damals deutlich:
hier ist mehr als nur ein Mensch. Sie nannten ihn Retter, Erlöser, Heiland. Vor
allem sein eigener Anspruch, dass er im Namen Gottes handelte und Sünden
vergab, d.h. dass er die Menschen von allem, was sie von Gott trennt, befreite
– was eigentlich nur Gott selbst tun kann – hat irritiert und provoziert.
Ihm gegenüber gab es - und gibt es am Ende auch für uns nur drei
Möglichkeiten: Entweder war Jesus verrückt und wusste nicht, was er da sagt,
oder er war ein Betrüger, der uns ganz bewusst belogen hat, oder es stimmt und
er ist wirklich der, der er zu sein behauptet. Der englische Schriftsteller
C.S. Lewis drückt es so aus: „Du musst selbst entscheiden. Entweder war und ist
dieser Mann Gottes Sohn, oder verrückt, oder noch Schlimmeres [...] Aber lassen
wir uns nicht auf diesen Unsinn ein, er sei ein großer ethischer Lehrer der
Menschheit. Diese Möglichkeit hat er uns verwehrt, und zwar aus Absicht.“
Bleibt also die Frage: Wer ist dieser Jesus? Für wen halten
Sie diesen Jesus?
1/ Bekenntnis zum Sohn Gottes
Sein Name ist uns bekannt: Jesus Christus. Dieser Name
bedeutet: Gott rettet. Christus ist eine Ehrenbezeichnung: Messias, Gesalbter. Dieser
Name ist uns offenbart worden. Darin ist eigentlich alles enthalten. Wer mit
diesem Namen und in diesem Namen betet, wird erfahren: Dieser Name ist heilsam,
wirksam, denn er ist der höchste aller Namen (vgl. Apg 4,13). Das Bekenntnis zu
Jesus Christus ist ein Bekenntnis zum Sohn Gottes, dessen Namen wir kennen.
Später, auf dem Konzil von Nizäa vor nun genau 1700 Jahren,
hat man gesagt: Jesus sei „wesensgleich“ bzw. „eines Wesens mit dem Vater“. Und
man hat Bildworte dafür gesucht, um diese enge Beziehung auszudrücken: „Licht
vom Licht“. Oder, wie wir auch sagen könnten: Das Wesen Gottes ist in sich
Liebe. Das kommt nicht bei Gott dazu; Gott ist der ewig Liebende und ewig
Gebende; in sich selbst und für uns. (Rowan Williams)
2/ Bekenntnis zum Leidenden
Das Bekenntnis zu Jesus Christus ist sodann ein Bekenntnis
zu seinem Leiden. Das, was der Prophet Sacharja ankündigt, lesen wir als
Christen eine Ankündigung Jesu, eine Ankündigung seines Leidens. Denn der
Messias kommt nicht als Sieger, als Held, sondern als der Liebende, der bereit
ist, Leiden zu ertragen und auf sich zu nehmen, ohne dabei irgendetwas von
seiner Botschaft einzubüßen oder zu verleugnen. Im Gegenteil. Seine Botschaft
und sein Lebenszeugnis sind dadurch noch klarer, noch verständlicher, noch
glaubwürdiger geworden.
Es muss so geschehen; das ist kein Schicksal oder ein blöder
Zufall; sondern es ist das Zusammenspiel von dem leider so erwartbaren
Verhalten der Menschen, die in der Sünde gefangen waren, und der Freiheit Jesu
in seiner Liebe und Ausrichtung auf Gott zu leben, trotz des Widerstands. „Denn
am Abend, an dem er ausgeliefert wurde und sich aus freien Willen dem Leiden
unterwarf,“ - so heißt es im Hochgebet der Messe.
3/ Bekenntnis zum Leiden
Und das Bekenntnis zu Jesus Christus ist schließlich auch
ein Bekenntnis zum Leiden im eigenen Leben und im Leben der Menschen, die wir
lieben. Ich rede selten davon. Dieser Aspekt ist sehr missverständlich und auch
oft in der Verkündigung verdreht und teilweise sogar missbraucht worden für
eigene Interessen. Aber ich glaube, es liegt darin eine große Gnade und eine tiefe
Wahrheit darin, die heilsam ist, anzuerkennen, dass es im eigenen Leben Leiden
gibt und dass ich leben und lieben kann trotz Leiden und ja, auch manchmal
durch das Leiden hindurch. Denn Jesus spricht nicht nur vom eigenen Kreuz, das
er tragen musste; sondern er spricht vom Kreuz im Leben einer und eines jeden
von uns.
Wenn Sie ignatianische Exerzitien machen, gibt es vielfach
auch das Angebot einer Leibübung am Morgen. Und bei mehreren Exerzitien habe
ich schon als eine dieser Übungen das Stehen im Kreuz angeleitet. Der Text dazu
lautet: „Ich bin ausgespannt zwischen Himmel und Erde. Zwischen Göttlichem und
Menschlichem, Vergangenem und Zukünftigem, Geburt und Tod, zwischen Menschen,
Beziehungen. Ich trage mein Leben und manchmal fühlt es sich an wie Kreuz.“
Es gibt immer wieder Menschen, die mich darauf ansprechen
und sich in diesen Worten angesprochen fühlen. Und die spüren, dass die
Bereitschaft wahrzunehmen und zuzulassen, dass es im eigenen Leben auch das Leid
gibt, das ich nicht möchte und nicht suche, tatsächlich heilsam sein kann. Dass
nicht alles perfekt sein muss. Dass Gott möchte, dass wir glücklich werden, glaube
ich. Dass der Schmerz, Verlust, Leid und auch das Gefühl der Gottesferne nicht
bedeuten müssen, dass Gott wirklich abwesend ist, auch das glaube ich. Weil ich
in der Hingabe des Lebens Jesu etwas Tröstliches sehe, hoffe ich auch in der
Hingabe meines Lebens um Jesu willen etwas Tröstliches zu finden ist.
Es geht nicht darum, wie wir es in diesen Kriegstagen von
Politkern hören, dass wir um eines großen Zieles willen zusammenstehen und
Schwierigkeiten ertragen müssen. Nicht darum, den eigenen Individualismus
hinter die Interessen der Gemeinschaft zu stellen. Das kann manchmal angebracht
sein, manchmal nicht. Aber es geht hier nicht um Erfolg, sondern um den
Verzicht auf den eigenen Vorteil und die Akzeptanz von Grenzen.
4/ Jesus fragen
Wenn Sie das Bekenntnis zu Jesus schwierig finden; wenn Sie
das Bekenntnis zum Leidenden schwierig finden und vielleicht noch mehr das
Bekenntnis zum Leid; dann ist es vielleicht eine gute Idee, wenn Sie versuchen,
zu beten und Jesus selbst mal zu fragen, statt über ihn zu reden.
Jesus fragt seine Jüngerinnen und Jünger: Wer bin ich für Euch?
Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Wie wäre es, Jesus selbst mal zu fragen: Wer
bist Du für mich? Denn so wichtig wie das Bekenntnis zu Jesus ist das Gespräch
mit ihm, dem Auferstandenen: Was würden Sie Jesus fragen?