Les: Apg 7, 55–60; Offb 22, 12–14.16–17.20; Joh 17, 20–26
Als Papst Leo XIV. am 8. Mai gewählt wurde, begann er seinen
Pontifikat mit dem österlichen Friedensgruß: „Der Friede sei mit euch allen!“.
Mit vielen Menschen auf der Welt teilt er den Wunsch nach Frieden. Ihm sind das
Geschenk des Friedens und der Einsatz für den Frieden durch das Gebet, den
Dialog und die Begegnung wichtig. Damit verband er ein zweites Thema, nämlich
die Einheit der Kirche: „Wir müssen gemeinsam herausfinden, wie wir eine
missionarische Kirche sein können, eine Kirche, die Brücken baut.“
Auch in seinem Wahlspruch findet sich der Gedanke der
Einheit: „in illo uno unum“ – „in dem Einen sind wir eins“. Dies ist ein Zitat
aus einem Kommentar des Augustinus zu Psalm 127 und meint, dass die Christen,
obwohl sie viele sind, in Christus vereint sind. „Denn obwohl wir viele
Christen sind, sind wir in dem einen Christus eins.“
Einheit und Frieden. Diese zwei Worte gehören zusammen! Noch
einige Beobachtungen:
Über dem klassizistischen Hauptportal unserer Kirche steht
die lateinische Inschrift: „servate
unitatem spiritus in vinculo pacis“ - „Bewahrt die Einheit des Geistes
durch das Band des Friedens“. Das ist ein Zitat aus dem Brief des Apostels
Paulus an die Gemeinde in Ephesus. Dort heißt es: „Seid demütig, friedfertig
und geduldig, ertragt einander in Liebe und bemüht euch,
die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens!“ (Eph 4,2-3)
Im Hochgebet der Liturgie heißt es nach dem Vaterunser:
„Herr, Jesus Christus, schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben
deiner Kirche und schenke ihr nach deinem Willen Einheit und Frieden.“ – so
wird es in jeder hl. Messe vom Priester gebetet. Und dann kommt der Gruß: „Der
Friede des Herrn sei allezeit mit Euch.“
Einheit und Frieden. Diese zwei Worte gehören zusammen! Aber
wie? Was kommt zuerst: die Einheit oder der Friede? Ist die Einheit ein Weg und
ein Mittel, um Frieden zu schaffen? Oder ist der Friede notwendig, damit die
Einheit wächst?
Schauen wir mal zunächst uns selbst und unsere eigenen
Erfahrungen: wie oft kommt es in unseren Beziehungen, am Arbeitsplatz, in
unseren Familien, in Freundschaften, in Ordensgemeinschaften, in unseren
kirchlichen Gemeinden, zu Missverständnissen, zu Streit, zu
Meinungsunterschiede, Konflikte, Auseinandersetzungen. Diese Konflikte sind
unangenehm, ein Streit kann eine Freundschaft extrem belasten. Andererseits
kann ein Streit aber auch klären, er kann wie ein reinigendes Gewitter sein. (vgl.
Hermann Kügler, Streiten lernen, Würzburg 2012, Ignatianische Impulse Nr. 56).
Unterschiedliche Meinungen sind wichtig. Das muss nicht
immer notwendigerweise feindselig sein. Wir Menschen sind einmalig und
unterschiedlich und selbst wenn zwei Menschen die gleiche Auffassung in der
Sache teilen, kann der Weg dahin oder die Verhaltensweisen so unterschiedlich
sein, dass es zu Konflikten kommt. Streit ist wichtig, um eine bessere Lösung
zu finden. Unterschiedliche Ziele müssen nicht schlecht sein. Unterschiedliche
Perspektiven sind natürlich.
Fragen Sie zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall mal fünf
Zeugen nacheinander und sie werden sechs Varianten zu hören bekommen.
Vermutlich werden ihn die meisten Zeugen auch gleich Erklärungen liefern, wer
schuld ist oder wer was falsch gemacht hat. Das liegt nicht daran, dass die
Zeugen lügen, sondern daran, dass unsere Wahrnehmung und Interpretationen
unterschiedlich sind, unsere Einstellungen und Wertungen. Doch wie kann man
dann zusammenkommen? Wie kann aus Streit und Auseinandersetzung etwas Gutes entstehen,
etwas Positives, dass uns bereichert und zu mehr „Leben in Fülle“ führt?
In den großen Auseinandersetzungen und Konflikten, in diesen
Tagen, im Krieg in der Ukraine und dem Krieg im Heiligen Land, muss zunächst
einmal ein Waffenstillstand verhandelt werden, muss zunächst einmal eine
bestimmte Form von Frieden erreicht werden, bevor weitere Schritte getan werden
können. Solange die Bomben fallen, solange kein Friede kommt, ist eine
Aussprache und eine Versöhnung unmöglich und absurd. Von Einheit nicht zu
sprechen.
Genauso ist in den Auseinandersetzungen in unserem Land
zwischen links und rechts die Demokratische und friedliche Weise des Umgangs
miteinander eine Voraussetzung, um sich über das Miteinander zu verständigen.
Auf der anderen Seite ist aber auch der Wunsch nach Einheit
und Einigkeit eine starke Motivation, um Wege des Friedens und der Versöhnung
zu suchen und zu finden. Einigkeit und Recht und Freiheit sind es Glückes
Unterpfand, so heißt es in der Nationalhymne.
Und auch in den Kirchen ist bei allen Auseinandersetzungen
zum Beispiel um den Synodalen Weg in Deutschland der Wunsch nach Einheit und
der Glaube an den einen Herrn, eine Voraussetzung, um Frieden zu schaffen und
eine bessere Form des Miteinander zu finden.
Was sagt das Evangelium nun zu dieser Frage von Einheit und
Frieden?
Das Evangelium beginnt mit dem Frieden: Es ist das Geschenk
Jesu am Ostertag an seine Jünger. Der Friede, der aus dem Herzen kommt. So
haben wir es am vergangenen Sonntag gehört. Frieden hinterlasse ich euch.
Meinen Frieden gebe ich euch! (Joh 14,27)
Dieser Friede ist eine Gabe für den Weg – und das Ziel ist
die Einheit. Die Jünger und alle, die durch ihr Wort und Jesus glauben, sollen
eins sein, und zwar nicht nur irgendwie idealerweise, sondern wirklich, „so wie
der Vater im Sohn ist und der Sohn im Vater.“ Einheit des Wollens und Einheit
der Liebe. Was für ein großes Ziel!
Dieses Ziel stellt allerdings selbst nochmals ein Mittel dar:
Für den Glauben. Die Welt soll glauben, dass der Sohn vom Vater gesandt ist und
dass Gott die Menschen liebt, mit unendlicher Liebe!
Um diese Einheit zu wirken, hilft den Jüngern zudem die Herrlichkeit
des Sohnes, die er ihnen gegeben hat: Die Schönheit, die Würde, das Geheimnis
der Liebe am Kreuz. Die Herrlichkeit ist ein großartiges Geschenk, das der Sohn
den Seinen gegeben hat, und dies ist es, was zur Einheit hilft.
Ich fasse zusammen: der Friede, der von Jesus kommt, ist
eine Voraussetzung und ein Grund, eine Motivation und ein wirksames Mittel für
die Einheit der Kirche. Und zwar nicht irgendein Friede, sondern dieser Friede,
der von Jesus kommt.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Kirche als Sakrament der Einheit
beschrieben: „Die Kirche ist in Christus gleichsam das Sakrament, das
heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott und für die
Einheit des ganzen Menschengeschlechts“ (LG 1). In Christus (!) ist sie dieses
Sakrament!
Einheit und Frieden bedeuten nicht, dass wir uns alle immer
super verstehen, dass es kein Streit und keine Auseinandersetzungen geben darf.
Einheit ist nicht Einheitlichkeit. Einheit ist nicht Friede, Freude,
Eierkuchen. Einheit bedeutet aber auch nicht, dass jeder macht, was er will. Einheit
in der Kirche wächst durch den Frieden, der von Christus kommt und dieser
Friede entsteht in uns, je mehr wir selbst (jede und jeder) mit Christus
verbunden sind, dessen Leib die Kirche ist.
Konkret, in meiner Ordensgemeinschaft: wir sind nicht alle
Freunde, aber wir alle sind Freunde von Christus, Freunde im Herrn. Und deshalb
sage ich oft zu Jesus, wenn es schwierig ist mit den Mitbrüdern: „Deine Freunde
sind auch meine Freunde!“
Für mich persönlich ist der Friede das größte Geschenk des
Herrn. Er bleibt vorläufig bruchstückhaft. Einheit und Friede, das ist nicht
immer leicht und manchmal frage ich mich, ob die Art und Weise, wie ich und
andere diese Einheit und Freundschaft leben, dem wirklich gerecht wird, was
Jesus von uns erwartet und wünscht.
Und dann bete ich mit den Worten aus der Offenbarung: „Jesus, komm bald!“ und höre die Worte: „Ja, ich komme bald!“ (Offb 22,20) Und dann vertraue ich darauf, dass er selbst uns die Kraft geben wird, bis dahin mehr Einheit und Frieden zu leben.
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