Predigt Erster Adventssonntag 2025 - Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein (Joel 3,1)
Les: Jes 2,1-5; Röm 13,11-14; Mt 24,37-44
Wir haben die erste Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja gehört. Jesaja lebte im achten Jahrhundert vor Christus, am Königshof von Jerusalem, und seine Verkündigung enthielt eine eine politische Botschaft. Besonders bekannt und von großer Bedeutung sind seine messianischen Weissagungen geworden.
1/ Was ist das eigentlich ein Prophet? Haben Sie schon mal einen Propheten getroffen?
Ein Prophet sagt, was ist. Prophetie ist keine Wahrsagerei!
Der Prophet schaut nicht in die Glaskugel und sagt die Zukunft voraus, sondern
er schaut auf die Gegenwart. Er offenbart, was andere nicht sehen. Er sagt
Weisheit. Er sieht in dem, was ist eine andere Dimension.
Propheten verkünden, was sie von Gott erfahren haben. Wenn
sie verkünden, was nicht von Gott ist, sind es falsche Propheten.
Propheten sind von Gott berufen, berufene Rufer (Alfons
Deisler). Sie rufen zur Umkehr auf, zu Gerechtigkeit, zum Widerspruch gegen die
Sünde. Jesaja verkündet die nahende Gerechtigkeit und das nahende Heil. Das
bedeutet, seine Botschaft ist auf die Zukunft ausgerichtet, aber er sagt das,
was heute schon am Kommen ist. Propheten sagen das „Heute Gottes“ (Jon Sobrino)
2/ Was verkündet ein Prophet?
Jesaja verkündet eine Vision, das, was er „über Juda und
Jerusalem geschaut hat.“ Nämlich: die Wallfahrt der Völker nach Jerusalem, zum
Berg Zion, zum Tempel.
Die Nationen, d.h. die fremden Völker, sind eingeladen und
nehmen Teil am Projekt Gottes mit seinem Volk. Diese Wallfahrt öffnet einen Weg
zum Frieden. Die Nationen bilden die „Vereinten Nationen“, mit Gott in der
Mitte. Die vielen Völker und das eine Volk Israel und sie leben in Frieden
miteinander.
Diese Vision bildet den Rahmen des gesamten Jesaja-Buchs.
Und sie klingt in jeder heiligen Messe an, wenn der Priester im Hochgebet über
den Kelch spricht: „mein Blut, das für euch und für alle vergossen wurde“.
Gemeint ist hier „für euch“, d.h. für das Volk Israel und „für alle“, d.h. für
die anderen Völker, die Nationen.
Die Völker verwandeln ihre Waffen in Landgeräte. Schwerter
zu Pflugscharen. Lanzen zu Winzermessern. Sie erfüllen damit eigentlich, was
von Anfang an als Aufgabe der Menschen vorgesehen war: die Erde zu bauen und
sie fruchtbar zu machen.
3/ Was sagt uns das?
Der Prophet ruft zur Wachsamkeit auf. Indem er verdeutlicht,
wie in der gegenwärtigen Krise und Ungerechtigkeit eine Verheißung Gottes
geschieht, wie die Gerechtigkeit Gottes schon im Kommen ist, d.h. nahe
bevorsteht, ruft er auf, die Tiefendimension der Wirklichkeit wahrzunehmen.
Es gibt Krieg und Unfrieden? Ja, das stimmt! Aber es gibt
auch das heilvolle und heilbringende Wirken Gottes, der uns jetzt schon
entgegenkommt. Seht ihr es nicht?
In gleicher Weise tritt auch Jesus uns heute im Evangelium
als Prophet entgegen.
Gegenüber jenen, die essen und trinken und heiraten wie in
den Tagen des Noah ruft er zu Wachsamkeit. Und das nicht, weil essen und trinken
und heiraten schlecht sind, sondern weil diese Menschen in der Generation des
Noah nichts anderes kannten, als essen und trinken und heiraten. Er ruft zur
Wachsamkeit und Achtsamkeit. Er mahnt die Jünger so zu leben, dass sie zugleich
mit ihrem essen und trinken und heiraten mit der Wiederkunft des Menschensohnes
rechnen. Dass sie in allem, was ist, eine tiefere, geistliche Dimension
erkennen, eine unscheinbare Bewegung, die nur der sieht, der wirklich wach ist
und darauf achtet.
Jesus tritt uns heute als Prophet entgegen, und er lädt uns
ein, unsere prophetische Gabe zu entdecken, d.h. wach zu sein, für den Frieden
und für die Gerechtigkeit einzustehen und den Verheißungen Gottes zu trauen und
entsprechend zu leben.
In unserer Taufe sind wir mit Christus zu Priestern, Königen und Propheten, zu Priesterinnen, Königinnen und Prophetinnen gesalbt worden. Mögen wir diese Berufung leben! Amen.
