Montag, 22. Januar 2024

Sogleich

 


Predigt Dritter Sonntag im Jahreskreis B | Manresa - „sogleich“
Les: Jon 3,1-10; 1Kor 7,29-31; Mk 1,14-20

Am vergangenen Dienstag fand der zweite Abend in der Reihe mehr vom Leben statt, zu dem junge Erwachsene eingeladen sind. Der Titel lautete: „Jein ist keine Antwort“. Es ging um Tipps und Methoden zur Entscheidungsfindung aus der ignatianischen Spiritualität. Wie auch beim ersten Abend war eine schöne Gruppe zusammengekommen, und es gab einen lebendigen und inspirierenden Austausch.

Der erste Schritt der Entscheidungsfindung, so haben wir gesagt, ist die Frage für sich zu beantworten, ob eine Entscheidung ansteht. Diese Frage stelle ich mir besonders dann, wenn ich verwirrt bin oder unter großem Druck stehe. Ist es notwendig, jetzt, sogleich, eine Entscheidung zu treffen? Manchmal trage ich einen Gedanken schon lange mit mir herum, oder ich spüre in einem guten Sinn, dass eine Veränderung möglich ist. Dann ist es richtig, den nächsten Schritt zu gehen, um zu einer Entscheidung zu kommen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Entscheidung? Wann ist der Moment etwas nicht mehr aufzuschieben, sondern zu verändern? Wann ist die Situation geeignet, für ein gutes Wort, ein offenes Herz, den nächsten Schritt? Oft braucht es so etwas, wie ein inneren Impuls, um die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen; die Erfahrung, dass die Zeit reif ist.

Was mich am Evangelium des heutigen Sonntags fasziniert, ist die Bereitschaft der ersten Jünger Jesu, ihm sogleich nachzufragen. Jesus hat, so der Evangelist Markus, in Galilei gerade erst mit der öffentlichen Verkündigung begonnen. Er geht noch allein umher und spricht vom Reich Gottes, das schon nahegekommen ist, von der Umkehr und eben davon, dass die Zeit erfüllt ist, d.h. reif ist für eine Entscheidung.

Jesus sieht Simon und Andreas. Sie hören seinen Ruf: „Auf! Mir nach!“ – „Und sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach.“ Jakobus und Johannes genauso. Jesus sieht sie an, „sogleich rief er sie“, und sie ließen alles zurück, Familie und Beruf, und folgten ihm nach.

Gibt es das? Kann es so gewesen sein? Schon der Evangelist Lukas baut uns eine Brücke, wenn er vor der Berufung des Simon die Antritt Rede Jesu in Nazareth und eine erste Heilung in Kafarnaum umsetzt. Simon kannte Jesus, es war kein Blinder Gehorsam. Aber das ist auch nicht das, was Markus hier sagen will: mit fliegenden Fahnen, unüberlegt, überstürzt. Im Gegenteil: für Markus ist es der rechte Moment für Simon, weil Jesus ihn gesehen hat, ihn angesehen hat. Weil die Beziehung stimmt. Weil der innere Impuls da ist

Woher kommt dieser innere Impuls, die Gelegenheit zu ergreifen, aufzustehen, in diesem Moment zu sprechen, zu handeln, beziehungsweise eine Entscheidung zu treffen?

In der Lesung aus dem Buch Jona war von einer kollektiven Entscheidung die Rede. Das Volk aus der Megacity Ninive entscheidet sich samt König, auf den Ruf des Propheten Jona zu hören und umzukehren. Sie rufen ein Fasten aus, ziehen Bußgewänder an. Der König lässt das nochmals per Dekret verkünden: „Sie sollen mit aller Kraft zu Gott rufen, und jeder soll umkehren von seinem bösen Weg und von der Gewalt, die an seinen Händen klebt.“

Woher kommt der Impuls? Ich glaube, er findet sich kurz vorher in dem Wort: „und die Leute von Ninive glaubten Gott.“ Gott glauben: Das meint nicht einfach nur glauben, dass es Gott gibt. Das meint auch nicht nur, Gott zu glauben, im Sinne von: annehmen, dass er nicht lügt, dass er die Wahrheit spricht. Sondern es meint (mit alldem und darüber hinaus), ihm zu vertrauen, sein Leben auf ihn zu setzen, und zu glauben, dass dieser Gott, der mich geschaffen hat, etwas Gutes für mich und mein Volk will und die Geschichte zu einem guten Ende führt. Dass das alles einen Sinn hat.

Vorgestern haben viele Menschen in Hamburg gegen Rassismus und Antisemitismus, gegen Rechtsextremismus und für eine demokratische Gesellschaft demonstriert. Angesichts der Gewalt auf allen Seiten und den Polarisierung sah es lange so aus, als würde die schweigende Mehrheit machtlos zusehen. Doch irgendwann gab es diesen Impuls, aufzustehen und sich zu zeigen, für Zusammenhalt, einzutreten, bei allen unterschiedlichen Meinungen, die man angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen haben kann. Woher kam der Impuls? Ich glaube, dass die Menschen neues Vertrauen gefunden haben, dass es sich lohnt, für unsere Verfassung und die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Dass es Sinn hat!

Sicherlich ist eine Entscheidung zur Nachfolge Jesu damals wie heute mit Kosten verbunden. Für Jakobus und Johannes bedeutete es, die Familie und die Firma des Vaters zu verlassen. Auch für uns heute ist das Leben in der Nachfolge Jesu nicht nur Glück und unbeschwerte Zeit. Es gibt Schwierigkeiten, Auseinandersetzung mit anderen und vielleicht auch manchmal eine Traurigkeit in mir selbst.

Da hilft mir das Wort Jesu an Simon und Andreas, er werde sie zu „Menschenfischern“ machen. Oft hat man das Wort missverstanden, als ob Menschen gegen ihren Willen im Glauben gefangen werden sollen. Das ist sicherlich nicht gemeint. Ich denke, es geht mehr darum, dass auch das Leben mit der Nachfolge mit Mühe und mit Arbeit zu tun hat. Fischer stehen mit Wurfnetzen oft knietief stundenlang im Wasser, um wieder und wieder zu versuchen, die Netze auszuwerfen. Sie müssen früh aufstehen oder über Nacht arbeiten. Es ist körperlich anstrengend, es geht auf den Rücken, gebückt den schweren Fang zu heben. Und es braucht viel Geduld, die Netze zu säubern, wenn sie mal wieder verheddert bzw. voller Tang und Unrat sind. Kein Zuckerschlecken dieser Beruf. Und doch eine schöne Mühe, verbunden mit der Natur und dem Wasser für die Nahrung der Menschen zu sorgen. Und vor allem: hier und jetzt den Moment zu ergreifen, achtsam zu sein, wach und aufmerksam zu wissen, wann der richtige Moment gekommen ist, das Netz aus dem Wasser zu ziehen.

Angesichts der Ewigkeit und Größe, der Zeitlosigkeit Gottes kann man sich fragen, welche Bedeutung es hat, ob wir uns im richtigen Moment entscheiden oder nicht. Doch Jesus sagt: ja, der Moment ist da, die Zeit ist erfüllt. Deine Entscheidung ist bedeutsam, weil unser Gott ein Gott der Geschichte ist. Er schenkt Sinn und im Vertrauen auf ihn findest du den Impuls, zu handeln.

In einem Gedicht von Joseph Whelan SJ, das auch der ehemalige Generalobere der Jesuiten, Pedro Arrupe SJ, zitiert hat, ist dies schön zusammengefasst: „Nothing is more practical than finding God, than falling in Love in a quite absolute, final way. What you are in love with, what seizes your imagination, will affect everything. It will decide what will get you out of bed in the morning, what you do with your evenings, how you spend your weekends, what you read, whom you know, what breaks your heart, and what amazes you with joy and gratitude. Fall in Love, stay in love, and it will decide everything. “

https://www.ignatianspirituality.com/ignatian-prayer/prayers-by-st-ignatius-and-others/fall-in-love/

21.1.2024

 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen