Predigt Dritter
Sonntag im Jahreskreis B | Manresa - „sogleich“
Les: Jon 3,1-10; 1Kor 7,29-31; Mk 1,14-20
Am vergangenen Dienstag fand der
zweite Abend in der Reihe mehr vom Leben statt, zu dem junge Erwachsene
eingeladen sind. Der Titel lautete: „Jein ist keine Antwort“. Es ging um Tipps
und Methoden zur Entscheidungsfindung aus der ignatianischen Spiritualität. Wie
auch beim ersten Abend war eine schöne Gruppe zusammengekommen, und es gab einen
lebendigen und inspirierenden Austausch.
Der erste Schritt der
Entscheidungsfindung, so haben wir gesagt, ist die Frage für sich zu
beantworten, ob eine Entscheidung ansteht. Diese Frage stelle ich mir besonders
dann, wenn ich verwirrt bin oder unter großem Druck stehe. Ist es notwendig,
jetzt, sogleich, eine Entscheidung zu treffen? Manchmal trage ich einen
Gedanken schon lange mit mir herum, oder ich spüre in einem guten Sinn, dass
eine Veränderung möglich ist. Dann ist es richtig, den nächsten Schritt zu
gehen, um zu einer Entscheidung zu kommen.
Wann ist der richtige Zeitpunkt
für eine Entscheidung? Wann ist der Moment etwas nicht mehr aufzuschieben,
sondern zu verändern? Wann ist die Situation geeignet, für ein gutes Wort, ein
offenes Herz, den nächsten Schritt? Oft braucht es so etwas, wie ein inneren
Impuls, um die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen; die Erfahrung, dass die
Zeit reif ist.
Was mich am Evangelium des
heutigen Sonntags fasziniert, ist die Bereitschaft der ersten Jünger Jesu, ihm
sogleich nachzufragen. Jesus hat, so der Evangelist Markus, in Galilei gerade
erst mit der öffentlichen Verkündigung begonnen. Er geht noch allein umher und
spricht vom Reich Gottes, das schon nahegekommen ist, von der Umkehr und eben
davon, dass die Zeit erfüllt ist, d.h. reif ist für eine Entscheidung.
Jesus sieht Simon und Andreas.
Sie hören seinen Ruf: „Auf! Mir nach!“ – „Und sogleich ließen sie ihre Netze
liegen und folgten ihm nach.“ Jakobus und Johannes genauso. Jesus sieht sie an,
„sogleich rief er sie“, und sie ließen alles zurück, Familie und Beruf, und
folgten ihm nach.
Gibt es das? Kann es so gewesen
sein? Schon der Evangelist Lukas baut uns eine Brücke, wenn er vor der Berufung
des Simon die Antritt Rede Jesu in Nazareth und eine erste Heilung in Kafarnaum
umsetzt. Simon kannte Jesus, es war kein Blinder Gehorsam. Aber das ist auch
nicht das, was Markus hier sagen will: mit fliegenden Fahnen, unüberlegt,
überstürzt. Im Gegenteil: für Markus ist es der rechte Moment für Simon, weil
Jesus ihn gesehen hat, ihn angesehen hat. Weil die Beziehung stimmt. Weil der
innere Impuls da ist
Woher kommt dieser innere Impuls,
die Gelegenheit zu ergreifen, aufzustehen, in diesem Moment zu sprechen, zu
handeln, beziehungsweise eine Entscheidung zu treffen?
In der Lesung aus dem Buch Jona
war von einer kollektiven Entscheidung die Rede. Das Volk aus der Megacity
Ninive entscheidet sich samt König, auf den Ruf des Propheten Jona zu hören und
umzukehren. Sie rufen ein Fasten aus, ziehen Bußgewänder an. Der König lässt
das nochmals per Dekret verkünden: „Sie sollen mit aller Kraft zu Gott rufen,
und jeder soll umkehren von seinem bösen Weg und von der Gewalt, die an seinen
Händen klebt.“
Woher kommt der Impuls? Ich
glaube, er findet sich kurz vorher in dem Wort: „und die Leute von Ninive glaubten
Gott.“ Gott glauben: Das meint nicht einfach nur glauben, dass es Gott gibt.
Das meint auch nicht nur, Gott zu glauben, im Sinne von: annehmen, dass er
nicht lügt, dass er die Wahrheit spricht. Sondern es meint (mit alldem und
darüber hinaus), ihm zu vertrauen, sein Leben auf ihn zu setzen, und zu
glauben, dass dieser Gott, der mich geschaffen hat, etwas Gutes für mich und
mein Volk will und die Geschichte zu einem guten Ende führt. Dass das alles
einen Sinn hat.
Vorgestern haben viele Menschen
in Hamburg gegen Rassismus und Antisemitismus, gegen Rechtsextremismus und für
eine demokratische Gesellschaft demonstriert. Angesichts der Gewalt auf allen
Seiten und den Polarisierung sah es lange so aus, als würde die schweigende
Mehrheit machtlos zusehen. Doch irgendwann gab es diesen Impuls, aufzustehen
und sich zu zeigen, für Zusammenhalt, einzutreten, bei allen unterschiedlichen
Meinungen, die man angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen haben
kann. Woher kam der Impuls? Ich glaube, dass die Menschen neues Vertrauen
gefunden haben, dass es sich lohnt, für unsere Verfassung und die freiheitlich-demokratische
Grundordnung einzutreten. Dass es Sinn hat!
Sicherlich ist eine Entscheidung
zur Nachfolge Jesu damals wie heute mit Kosten verbunden. Für Jakobus und
Johannes bedeutete es, die Familie und die Firma des Vaters zu verlassen. Auch
für uns heute ist das Leben in der Nachfolge Jesu nicht nur Glück und
unbeschwerte Zeit. Es gibt Schwierigkeiten, Auseinandersetzung mit anderen und
vielleicht auch manchmal eine Traurigkeit in mir selbst.
Da hilft mir das Wort Jesu an
Simon und Andreas, er werde sie zu „Menschenfischern“ machen. Oft hat man das
Wort missverstanden, als ob Menschen gegen ihren Willen im Glauben gefangen
werden sollen. Das ist sicherlich nicht gemeint. Ich denke, es geht mehr darum,
dass auch das Leben mit der Nachfolge mit Mühe und mit Arbeit zu tun hat.
Fischer stehen mit Wurfnetzen oft knietief stundenlang im Wasser, um wieder und
wieder zu versuchen, die Netze auszuwerfen. Sie müssen früh aufstehen oder über
Nacht arbeiten. Es ist körperlich anstrengend, es geht auf den Rücken, gebückt
den schweren Fang zu heben. Und es braucht viel Geduld, die Netze zu säubern, wenn
sie mal wieder verheddert bzw. voller Tang und Unrat sind. Kein Zuckerschlecken
dieser Beruf. Und doch eine schöne Mühe, verbunden mit der Natur und dem Wasser
für die Nahrung der Menschen zu sorgen. Und vor allem: hier und jetzt den
Moment zu ergreifen, achtsam zu sein, wach und aufmerksam zu wissen, wann der
richtige Moment gekommen ist, das Netz aus dem Wasser zu ziehen.
Angesichts der Ewigkeit und
Größe, der Zeitlosigkeit Gottes kann man sich fragen, welche Bedeutung es hat,
ob wir uns im richtigen Moment entscheiden oder nicht. Doch Jesus sagt: ja, der
Moment ist da, die Zeit ist erfüllt. Deine Entscheidung ist bedeutsam, weil
unser Gott ein Gott der Geschichte ist. Er schenkt Sinn und im Vertrauen auf
ihn findest du den Impuls, zu handeln.
In einem Gedicht von Joseph
Whelan SJ, das auch der ehemalige Generalobere der Jesuiten, Pedro Arrupe SJ, zitiert
hat, ist dies schön zusammengefasst: „Nothing is more practical than finding God, than falling in Love in a
quite absolute, final way. What you are in love with, what seizes your
imagination, will affect everything. It will decide what will get you out of
bed in the morning, what you do with your evenings, how you spend your
weekends, what you read, whom you know, what breaks your heart, and what amazes
you with joy and gratitude. Fall in Love, stay in love, and it will decide everything.
“
https://www.ignatianspirituality.com/ignatian-prayer/prayers-by-st-ignatius-and-others/fall-in-love/
21.1.2024
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen