Dienstag, 21. Mai 2024

Advocatus


2024 Predigt Pfingstsonntag B – 19 Uhr – Manresa, Hamburg, Eucharistiefeier mit Taufe, Aufnahme, Erwachsenenfirmung, Les: Apg 2, 1-11; 1 Kor 12, 3-13; Joh 15,26–27; 16,12–15.

Wer oder was ist der Heilige Geist? Wo und wann erfahre ich den heiligen Geist? Wie wirkt der Heilige Geist? Letzten Freitag haben wir in einer GCL-Gruppe uns über diese Fragen ausgetauscht und es gab viele verschiedene Antworten, wo und wie diese Christen in ihrem Leben das Wirken des Heiligen Geistes erfahren oder zumindest erahnt haben: seine Leben spendende, ermutigende, tröstende, bewegende und faszinierende Kraft. 

Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Korinther davon, dass der Heilige Geist die Kraft der Auferstehung Jesu im persönlichen Leben der einzelnen Glaubenden entfaltet und wirksam werden lässt, nämlich indem er hilfreiche und gute Gaben schenkt: Charismen nennt Paulus sie. Viele von uns haben ein Charisma, das sieht man: ein Gabe, die anderen nützt, wenn sie in Liebe gelebt und geteilt wird, die uns miteinander verbindet wie einen Leib, weil jeder seine Aufgabe findet. Der Heilige Geist ist dann die Power, die unsichtbare Lebensenergie, der Atem der Liebe Gottes in uns.

Diese paulinische Vorstellung vom Heiligen Geist ist uns vertraut. Auch diejenigen, die heute getauft und / oder gefirmt werden, haben, diesen Geist schon erfahren oder erahnt. Das können die bezeugen, die sie in den vergangenen Monaten begleitet haben. Sie erfahren oder bekommen den Geist Jesu nicht erst heute in der Taufe und der Firmung, sondern sie wurden doch schon von ihm hierher geführt. Diese Erfahrung des Geistes wird heute besiegelt, bestätigt und eröffnet neue Erfahrungen in der Liebe Gottes.

Das Johannes Evangelium setzt heute allerdings noch einen etwas anderen Akzent. Dort wird vom Heiligen Geist als dem „Beistand“ gesprochen. Ein altes Wort, was ist damit gemeint? Wo braucht man vielleicht einen Beistand? Vor Gericht! Einen „Rechtsbeistand“. Das ist die eigentliche Bedeutung des griechischen Wortes: der Herbeigerufene, der Advokat, der Anwalt, d.h. der Beistand im Gerichtsprozess.

a/ Es zunächst einmal der Beistand in einem Prozess vor Gericht gegenüber anderen, die mich anklagen. Das ist die Erfahrung der Gemeinde des Johannes gewesen, dass sie sowohl von jüdischen „Traditionalisten“ als auch von heidnischen „Leuten von Welt“ angeklagt und vor die Gerichte gestellt wurden. Gotteslästerung, staatsschädigendes Verhalten. Zeugnis ablegen für Jesus, das war in den ersten Jahrhunderten der Kirche im römischen Reich tatsächlich zeitweise lebensgefährlich. Doch die Jünger erfahren: sie sind in dieser „Stunde der Wahrheit“ nicht allein. Sie haben einen Beistand, der vom Vater kommt, und er legt Zeugnis ab. Sie müssen sich nicht überlegen, was sie sagen sollen. Der Beistand ist es, der Zeugnis ablegt. Und die Jünger sind es die Zeugnis ablegen. Das sind schon einmal mindestens zwei, denn vor Gericht braucht es, so wissen seit Alters her, zwei Zeugen, damit eine Aussage glaubwürdig ist.

Immer wieder wurden und werden Christen wegen ihres Glaubens angeklagt und verfolgt. In der Nazizeit standen in Deutschland Christen vor Gericht und wurden gefoltert und ermordet. Rupert Mayer, Alfred Delp, Edith Stein, Dietrich Bonhoeffer, usw.

Und heute werden in vielen Ländern der Erde Christen wegen ihres Glaubens verfolgt: in Afrika, in Indien, im Nahen Osten. Das Rot des Pfingstfestes erinnert nicht nur an das Feuer des Geistes von damals, sondern auch an das Blut der Märtyrer von heute, der Zeugen für Christus. Sie waren und sie nicht allein, denn der Beistand ist für immer bei ihnen. (vgl. Joh 14,16).

Wenn Sie heute in Hamburg gefirmt werdet, dann wissen Sie, dass Sie Zeugnis ablegen werden. Sie werden keine Märtyrer sein, aber wenn man Sie blöd anmacht wegen Ihres Glaubens, dann wissen Sie, dass Sie nicht allein sind. Und Sie werden innerlich wissen, wie Sie sich verteidigen sollen, auf welche Weise Sie klug reagieren. Warum Sie das wissen werden? Damit sind wir beim zweiten Aspekt.

b/ Der Heilige Geist in nämlich auch ein Beistand für mich selbst. Luther hat mit „Tröster“ übersetzt, es ist ein innerer Lehrer, der mich persönlich an die Worte Jesu erinnert und mir ihre Bedeutung erschließt. „Er wird euch in der ganzen Wahrheit leiten,“ so heißt es im Johannes-Evangelium (Joh 16,13). Und an einer anderen Stelle sagt Jesus: „der Beistand wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ (Joh 14,26) Heute im Evangelium ist schließlich noch ein prophetischer Aspekt angesprochen: „er wird euch verkünden, was kommen wird“ (Joh 16, 14), aber vor allem lehrt und erschließt er uns die Wahrheit über Jesus Christus. Das ist die Art und Weise, wie Jesus selbst in den Jüngern wohnt und anwesend ist, indem sie ihn erkennen und verherrlichen, d.h. ihm den Platz in ihrem Leben geben, der ihm zukommt, in Ehren: indem Sie ihn innerlich erkennen und immer besser kennen lernen.

Das hat Kraft! Die Worte Jesu haben Kraft. Die lebendige Erinnerungen an Jesus Christus hat Kraft! Denn wir erkennen in dieser Wahrheit nicht nur, wer Jesus ist, der Sohn Gottes, sondern wir erkennen auch, wer wir selber sind. 

Haben Sie sich schon einmal gefragt: „Wer bin ich? Wer bin ich eigentlich?“ Wenn ich mich in einer neuen Runde vorstelle, dann sage ich meist, wie ich heiße, wo ich wohne, welchen Beruf ich habe und ob ich verheiratet bin oder nicht, usw., das ist alles richtig. Aber wer bin ich eigentlich? Weiß ich das?

Der Beistand führt mich in diese Wahrheit: Dass ich mit Christus ein „geliebtes Kind Gottes“ bin und dass ich von ihm beim Namen gerufen werde. Oft glauben wir das nicht bzw. zweifeln an dieser Liebe. Ich? Geliebt? Wirklich? Ich glaube, das hat sich jeder schon einmal gefragt, oder? Kann ich dieser Botschaft wirklich trauen, dass ich von Gott geliebt bin und dass ich mich nicht vergleichen muss ob der ein oder andere mehr geliebt ist als ich? 

„Der Geist wird von dem, was mein ist, nehmen und er wird es euch verkünden.“ Was wird er nehmen und verkünden? Die „Sohnschaft“. Du bist mit Christus „Sohn“ und Erbe. Erbin auch. Aber bitte den Sohn nicht gendern, weil wir nicht nur „Kinder Gottes“ sind, das auch. Aber wir haben tatsächlich mit Christus diese Würde der „Sohnschaft“. Versöhnung. Wir werden beim Namen gerufen.

Die Schriftstellerin, Sibylle Lewitscharoff, die vor einem Jahr gestorben ist, begann eine ihrer Poetik Vorlesungen in Zürich mit dem Hinweis auf die Bedeutung des Namens: „Werden wir bei unserem Namen gerufen, kehrt unser im Vagen herumtreibendes Ich, das unablässig in Aufflug- und Unterwindungsgeschäften unterwegs ist, augenblicks zu uns zurück. Beim Namen gerufen, sind wir in der innersten Substanz berührt, die uns zusammenhält. […] Niemals war der Name Schall und Rauch, niemals nur ein leicht obenauf sitzendes Häubchen, zufällig und ephemer, immer war zwischen dem Namen und dem, der ihn trägt, eine innige Beziehung gestiftet. Im Namen wohnt eine Zwingkraft. Sie zwingt die Gestalt zu bleiben, und sie verbürgt, daß der windige, sich selbst immerzu entflatternde Mensch sich in seiner Gestalt wieder versammeln kann. Ist mehr als ein Name da, können die Namen in die Wechselrede eintreten und darin belebend wirken.“

Alles, was wir heute Abend feiern und tun, ist: die Erinnerung an Jesus lebendig werden zu lassen oder besser: uns erinnern zu lassen an Jesus und die Wahrheit über uns und unser Leben und sie uns sagen zu lassen: Dass wir geliebt sind! Bedingungslos geliebt!

Gleich, in der Taufe bekennen Sie den Glauben an diesen Gott, der sie liebt. Ihnen wird alles vergeben, was sie von Gott trennt, sie werden mit Christus verbunden in Tod und Auferstehung und bekommen Anteil an der „Sohnschaft“ und werden in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen. In der Firmung wird diese Verbindung, die wir Glauben nennen, und die uns trägt, besiegelt, gefestigt, damit sie Zeugnis ablegen können und Zeugen werden durch den Heiligen Geist. Er ist der Beistand, quasi der Doppelgänger Jesu auf Erden, der in ihnen ist und mit ihnen ist. Sie sind nicht allein! Amen.


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