Montag, 2. Dezember 2024

Ausblick und Rückblick


 

Predigt Erster Adventssonntag C 2024 | Hamburg

Les: Jer 33,14-16; 1Thess 3,12-4,2; Lk 21,25-28.34-36

Der Philosoph Sören Kierkegaard sagte einmal: „Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muss man es aber vorwärts.“

Die ganze Bibel ist auf die Zukunft und die kommende Welt hin orientiert, ohne die Zukunft vorherzusagen oder wahrzusagen. Die Propheten im Alten Testament und die heiligen Schriften im Neuen Testament erinnern unermüdlich daran, dass die letzte Zukunft des Menschen und des Universums in den Händen des lebendigen Gottes liegt.

1/ Zukunft

An diesem ersten Adventssonntag hören wir aus dem Buch des Propheten Jeremias, aus den Briefen des Apostels Paulus und aus dem Evangelium nach Lukas. Alle drei Texte bezeugen, dass Gott seinen Verheißungen treu bleibt, auch wenn die Ereignisse scheinbar etwas anderes nahe legen. Sie sprechen von dem, was vor uns liegt, was kommen wird.

Was auf uns zukommt ist das Gericht! Gott wird Gerechtigkeit schaffen. Das ist unsere Hoffnung. Das ist keine Drohung, denn Gott ist nicht der Ankläger, sondern der Richter. Er wird aufrichten, was zerbrochen ist, er wird die verwundeten Herzen heilen. Und er wir für Recht und Gerechtigkeit sorgen.

Alle drei Texte sprechen von dieser Hoffnung. Im Buch Jeremia wird Israel und Juda ein Nachfahre versprochen, der für Recht und Gerechtigkeit im Land sorgen wird. Der Apostel Paulus spricht von der Ankunft des Herrn mit allen seinen Engeln und Heiligen. Und das Evangelium schließlich spricht von jenem Tag, der über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen wird, dann nämlich, wenn der Menschensohn auf einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.

Wie genau jener Tag sein wird, bleibt offen. Klar ist aber, dass es ein Augenblick der Freude ist, der Erlösung! Deshalb ist das der Blick in die Zukunft nicht von Angst geprägt, sondern von Hoffnung. Entscheidend ist für die Texte allerdings die Zeit bis dahin. Sie stellen uns vor die Frage: Wenn das alles kommt, wie möchte ich dann gelebt haben - im Rückblick sozusagen? Die Lesungen bieten uns ein paar sehr konkrete Hinweise, was helfen kann in dieser Situation, wenn wir darauf vertrauen, dass Gott seinen Verheißungen treu bleibt.

2/ Bis dahin: wachsen in der Liebe  - und wachen und beten

Im Brief an die Gemeinde in Thessaloniki lädt Paulus die Christen ein, in der Liebe zueinander und zu allen Menschen zu wachsen. Das ist ihr eigentlicher Reichtum! Warum? Weil die Liebe die Herzen stärkt. Sie lässt unsere Herzen weit werden und stark – und das hilft dabei, aufrecht, aufrichtig vor dem Herrn zu stehen: „untadelig in Heiligkeit vor Gott unserem Vater, bei der Ankunft Jesu, unseres Herrn.“

Das Evangelium ruft uns auf, zu wachen und zu beten: Was bedeutet es eigentlich zu wachen bzw. wach zu sein?

  • achtsam sein für das, was geschieht, nicht in Gedanken oder Sorgen zu versinken.
  • bei mir selbst sein, nicht mich in die Arbeit oder das reine tun zu verlieren
  • aufmerksam sein für den Moment und das was und wer mir begegnet; nicht zu träumen, was alles sein könnte
  • kritisch zu sein und zu hinterfragen, was andere behaupten oder tun
  • sich zu engagieren, innerlich bei einer Sache dabei zu sein

Das alles hört sich ziemlich anstrengend an - und dann soll man auch noch beten! Wäre es nicht viel schöner und einfacher loszulassen den lieben Gott einen guten Mann sein lassen? Relaxen und genießen?

Das Beten kommt aber, so glaube ich, beim Wachen nicht zusätzlich hinzu, als sollte man zwei Dinge tun, sondern es ist mit dem Wachen verbunden, es ist der Inhalt des Wachens und es gibt die Haltung des Wachens an: nämlich zu vertrauen! Deshalb ist wachen und beten hier nicht doppelte Kraftanstrengung, sondern die halbe!

Beten ist die Kunst, Gott etwas anzuvertrauen, ihm zu vertrauen, in den Dialog mit ihm zu treten und zu wissen, dass ich nicht allein bin.

„Beten konfrontiert uns mit der eigenen Wahrheit. Es wird alles auftauchen, was uns innerlich bewegt. Es tauchen die Konflikte der Vergangenheit auf, die Verletzungen und Wunden unserer Kindheit. Es kommt das in uns hoch, was uns gerade beschäftigt: die Sorgen um die finanzielle Zukunft, das Bangen um die Entwicklung der Kinder, das Leiden an den eigenen Ängsten, die innere Unzufriedenheit, die Unruhe. Beten ist keine Flucht vor der Wirklichkeit. Im Gebet wird die Wahrheit meines Lebens offenbar. Viele fliehen vor der Stille des Gebets. Das Gebet, in dem unsere Wahrheit offenbar wird, ist aber ein Gebet der Stille, in dem wir uns schutzlos Gott aussetzen, in dem wir alles, was in uns ist, vor Gott bringen, damit er es verwandle und heile.“ (Anselm Grün)

3/ Advent

Der Advent ist eine Zeit, in der wir nach vorne schauen und in der wir zurückblicken können. Wir können voll Hoffnung und Vertrauen nach vorne blicken. Und wir können innerlich zurückblicken und uns am Beginn der Adventszeit fragen: Wenn ich dereinst nicht mehr auf Erden bin: Wofür möchte ich gelebt haben? Wofür möchte ich wach gewesen sein? Für wen möchte ich wach geblieben sein? Hoffentlich mag uns das Beten dabei helfen. Amen.

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