Heiligabend 2024 | Hamburg, St. Annen 17 Uhr | Predigt
Les:
Jes 9, 1-6; Tit 2, 11-14; Lk 2, 1-14
Es sind die wohlbekannten Texte, die wir in dieser Nach hören und sie erinnern uns an ein Geschehen vor mehr als 2000 Jahren: Die Geburt des verheißenen Kindes, des Messias. Die nannten ihn „wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Fürst des Friedens.“
Diese
Geschichte lesen wir heute allerdings nicht aus historischem Interesse, wir
hören sie auch nicht wie Anekdoten der Großeltern über die Zeit damals, sondern
das Wort Gottes spricht in unsere Zeit. Das, was damals geschah, will für uns
heute eine Bedeutung gewinnen. Das Evangelium wird erzählt, für einen jeden und
eine jede von uns für heute.
Doch
wie kann das gehen? Wie kann ich das Wort Gottes heute Abend hören? „Wie soll
ich dich empfangen und wie begegn ich dir?“ Der Weihnachtabend ist plötzlich
da, aber so richtig freuen kann ich mich noch nicht. Gerade noch bin ich aus der
geschäftigen Adventszeit eher unsanft hinübergestolpert und im Kopf schwirrt
einem alles Mögliche herum, auch Sorgen und Angst, nur keine frommen,
„besinnlichen“ Gedanken.
Und
recht schnell macht sich eine Enttäuschung breit: Sollte ich als guter Christ
oder als gute Christin nicht mehr erfüllt sein, mehr innerlich „brennen“, d.h.
mehr Freude empfinden, über das, was wir heute Abend feiern? Warum bin ich so
wenig vorbereitet, so wenig eingestimmt auf die Ankunft des Herrn? Bin ich
heute Abend in der richtigen Weise hier, um Gott zu begegnen, der für mich
Mensch werden will?
Am
25. Dezember 1542, also vor bald 500 Jahren, schrieb der Heilige Peter Faber in
seinem geistlichen Tagebuch eine ganz ähnliche geistliche Erfahrung auf, die er
am Weihnachtsmorgen gemacht hatte:
„In der ersten Messe,
als ich mich vor der Kommunion kalt fühlte und betrübt war, dass meine Wohnung
nicht besser bereitet sei, da überkam mich ein recht lebendiger Geist, in dem
ich mit innerer und inniger Andacht … folgende Antwort vernahm: ‚Das bedeutet,
dass Christus in einen Stall kommen will. Wenn du nämlich schon glühend wärest,
fändest du jetzt die Menschheit deines Herrn nicht; denn du sähest
geistlicherweise viel weniger einem Stall ähnlich.‘ So fand ich meinen Trost im
Herrn, der in ein so kaltes Heim zu kommen geruhte.“
Faber
nimmt seine innere Verfassung wahr. Die eigene Wohnung, d.h. seine Seele, in
der Christus geboren werden will, ist noch nicht recht bereitet. Sie gleicht
eher einem Stall. Es wäre einiges aufzuräumen, es ist manches schmutzig und
recht einfach – eben für die vielen Alltagsgedanken, aber nicht für einen
König.
Faber
sieht seine Enge drinnen und die Weite und Größe des Ereignisses, das Heil der
Welt! Und genau darin, in dieser Spannung, sieht er den Zusammenhang: Jesus
wurde in einem Stall geboren, nicht
in der perfekten Umgebung eines Palastes. Jesus wurde in einer Krippe geboren, in Armut und
Niedrigkeit. Und genauso wie Christus diese Situation angenommen hat, wie sie
ist, genauso darf auch ich meine Situation annehmen, nicht weil schon alles gut
ist, sondern weil Christus es durch seine Liebe gut macht. Seine Gegenwart ist
das Entscheidende, das Licht. Und dieses Leuchten in meinem Leben erkenne ich
erst, wenn ich auch mein Leben ehrlich anschaue, so wie es ist.
Wie
soll ich Dich empfangen? Das ist der Weg, um die Menschheit Gottes zu finden,
so sagt Faber: die Welt, deine Welt so wahrzunehmen und anzunehmen, wie sie ist
und sie zu lieben. Einfache Menschen und solche, die wissen, dass in ihrem
Leben nicht alles perfekt ist, können das leichter als reiche Menschen. Darin
finden wir die Menschlichkeit unseres Gottes. Er nimmt dich wahr, so wie du
bist. Er verliert seine Göttlichkeit nicht, indem er Mensch wird, sondern er
kommt als Mensch, um dich, den Menschen, zu retten und zu Gott zu führen.
Das
bedeutet nicht, dass wir ohne Ehrfurcht zu ihm kommen oder dass alles egal ist.
Respekt und Ehrfurcht sind wichtig. Aber sind wir jemals richtig vorbereitet,
um Gott zu empfangen? In diesem Leben jedenfalls nicht, und deshalb lädt er
sich selbst bei uns ein
.
Papst
Franziskus sagt es so: „Gott wollte unser menschliches Leben teilen und ist
deswegen in Jesus, dem wahren Gott und wahren Menschen, eins geworden mit uns.
Aber mehr noch und noch überraschender: Die Anwesenheit Gottes unter den
Menschen ist nicht in einer idealen, idyllischen Welt passiert, sondern in
dieser realen Welt, wo es so viel Gutes und Schlechtes gibt, auch Spannungen,
Bösartigkeit, Armut, Arroganz und Kriege. Er wollte in unserer Geschichte
wohnen, so wie sie ist; und dadurch hat er seine barmherzige und liebevolle
Neigung zu den Menschen gezeigt.“ (18.12.2023)
Wie
soll ich dich empfangen? Was ist die richtige Haltung? Vielleicht probieren Sie
es nachher mal, wenn Sie an der Krippe stehen, eine passende Geste zu finden,
die Hände zu öffnen, um den Herrn zu empfangen. Ohne Scham, ohne Angst. So als
ob sie ein neugeborenes Kind in die Arme gelegt bekommen. Ich bin kein Vater
und dabei meist etwas ungelenk, habe Angst, das kostbare Leben auf die Erde
fallen zu lassen. Ganz vorsichtig halten – und doch festhalten!
Ein
kleines Kind, das man in den Händen hält, ergreift oft den Finger. Wenn wir uns
für Gott öffnen, wenn wir ihm unsere Armen öffnen, dann ergreift er uns. Er
kommt selbst auf uns zu und möchte uns an sich ziehen.
Und
wenn sie nachher an der Krippe stehen, dann können Sie auch überlegen, was sie
ihm geben möchten. Ein Wort des Dankes, ein Lächeln, ein ehrfürchtiges Gebet, -
was ist ihre Antwort heute Abend auf das Wort, das sie anspricht?
Andreas Knapp: des höchsten niederkunft
nicht als wort
kam er zur welt
nicht als fixierter text
oder blutleeres buch
sondern fleischlich
schmerzempfindsam
in jede faser
eingeschriebene
sterblichkeit
ein einziger schrei
nach liebe
und sein testament
nichts schriftliches
hat er hinterlassen
nicht papieren
sein vermächtnis
sondern hingabe
mit fleisch und blut
aus: Andreas Knapp: ganz knapp. Gedichte an der Schwelle zu
Gott. Würzburg 2020
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen