Mittwoch, 25. Dezember 2024

Im Stall


Heiligabend 2024 | Hamburg, St. Annen 17 Uhr | Predigt 

Les: Jes 9, 1-6; Tit 2, 11-14; Lk 2, 1-14

Es sind die wohlbekannten Texte, die wir in dieser Nach hören und sie erinnern uns an ein Geschehen vor mehr als 2000 Jahren: Die Geburt des verheißenen Kindes, des Messias. Die nannten ihn „wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Fürst des Friedens.“

Diese Geschichte lesen wir heute allerdings nicht aus historischem Interesse, wir hören sie auch nicht wie Anekdoten der Großeltern über die Zeit damals, sondern das Wort Gottes spricht in unsere Zeit. Das, was damals geschah, will für uns heute eine Bedeutung gewinnen. Das Evangelium wird erzählt, für einen jeden und eine jede von uns für heute.

Doch wie kann das gehen? Wie kann ich das Wort Gottes heute Abend hören? „Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?“ Der Weihnachtabend ist plötzlich da, aber so richtig freuen kann ich mich noch nicht. Gerade noch bin ich aus der geschäftigen Adventszeit eher unsanft hinübergestolpert und im Kopf schwirrt einem alles Mögliche herum, auch Sorgen und Angst, nur keine frommen, „besinnlichen“ Gedanken.

Und recht schnell macht sich eine Enttäuschung breit: Sollte ich als guter Christ oder als gute Christin nicht mehr erfüllt sein, mehr innerlich „brennen“, d.h. mehr Freude empfinden, über das, was wir heute Abend feiern? Warum bin ich so wenig vorbereitet, so wenig eingestimmt auf die Ankunft des Herrn? Bin ich heute Abend in der richtigen Weise hier, um Gott zu begegnen, der für mich Mensch werden will?

Am 25. Dezember 1542, also vor bald 500 Jahren, schrieb der Heilige Peter Faber in seinem geistlichen Tagebuch eine ganz ähnliche geistliche Erfahrung auf, die er am Weihnachtsmorgen gemacht hatte:

„In der ersten Messe, als ich mich vor der Kommunion kalt fühlte und betrübt war, dass meine Wohnung nicht besser bereitet sei, da überkam mich ein recht lebendiger Geist, in dem ich mit innerer und inniger Andacht … folgende Antwort vernahm: ‚Das bedeutet, dass Christus in einen Stall kommen will. Wenn du nämlich schon glühend wärest, fändest du jetzt die Menschheit deines Herrn nicht; denn du sähest geistlicherweise viel weniger einem Stall ähnlich.‘ So fand ich meinen Trost im Herrn, der in ein so kaltes Heim zu kommen geruhte.“

Faber nimmt seine innere Verfassung wahr. Die eigene Wohnung, d.h. seine Seele, in der Christus geboren werden will, ist noch nicht recht bereitet. Sie gleicht eher einem Stall. Es wäre einiges aufzuräumen, es ist manches schmutzig und recht einfach – eben für die vielen Alltagsgedanken, aber nicht für einen König.

Faber sieht seine Enge drinnen und die Weite und Größe des Ereignisses, das Heil der Welt! Und genau darin, in dieser Spannung, sieht er den Zusammenhang: Jesus wurde in einem Stall geboren, nicht in der perfekten Umgebung eines Palastes. Jesus wurde in einer Krippe geboren, in Armut und Niedrigkeit. Und genauso wie Christus diese Situation angenommen hat, wie sie ist, genauso darf auch ich meine Situation annehmen, nicht weil schon alles gut ist, sondern weil Christus es durch seine Liebe gut macht. Seine Gegenwart ist das Entscheidende, das Licht. Und dieses Leuchten in meinem Leben erkenne ich erst, wenn ich auch mein Leben ehrlich anschaue, so wie es ist.

Wie soll ich Dich empfangen? Das ist der Weg, um die Menschheit Gottes zu finden, so sagt Faber: die Welt, deine Welt so wahrzunehmen und anzunehmen, wie sie ist und sie zu lieben. Einfache Menschen und solche, die wissen, dass in ihrem Leben nicht alles perfekt ist, können das leichter als reiche Menschen. Darin finden wir die Menschlichkeit unseres Gottes. Er nimmt dich wahr, so wie du bist. Er verliert seine Göttlichkeit nicht, indem er Mensch wird, sondern er kommt als Mensch, um dich, den Menschen, zu retten und zu Gott zu führen.

Das bedeutet nicht, dass wir ohne Ehrfurcht zu ihm kommen oder dass alles egal ist. Respekt und Ehrfurcht sind wichtig. Aber sind wir jemals richtig vorbereitet, um Gott zu empfangen? In diesem Leben jedenfalls nicht, und deshalb lädt er sich selbst bei uns ein

.

Papst Franziskus sagt es so: „Gott wollte unser menschliches Leben teilen und ist deswegen in Jesus, dem wahren Gott und wahren Menschen, eins geworden mit uns. Aber mehr noch und noch überraschender: Die Anwesenheit Gottes unter den Menschen ist nicht in einer idealen, idyllischen Welt passiert, sondern in dieser realen Welt, wo es so viel Gutes und Schlechtes gibt, auch Spannungen, Bösartigkeit, Armut, Arroganz und Kriege. Er wollte in unserer Geschichte wohnen, so wie sie ist; und dadurch hat er seine barmherzige und liebevolle Neigung zu den Menschen gezeigt.“ (18.12.2023)

Wie soll ich dich empfangen? Was ist die richtige Haltung? Vielleicht probieren Sie es nachher mal, wenn Sie an der Krippe stehen, eine passende Geste zu finden, die Hände zu öffnen, um den Herrn zu empfangen. Ohne Scham, ohne Angst. So als ob sie ein neugeborenes Kind in die Arme gelegt bekommen. Ich bin kein Vater und dabei meist etwas ungelenk, habe Angst, das kostbare Leben auf die Erde fallen zu lassen. Ganz vorsichtig halten – und doch festhalten!

Ein kleines Kind, das man in den Händen hält, ergreift oft den Finger. Wenn wir uns für Gott öffnen, wenn wir ihm unsere Armen öffnen, dann ergreift er uns. Er kommt selbst auf uns zu und möchte uns an sich ziehen.

Und wenn sie nachher an der Krippe stehen, dann können Sie auch überlegen, was sie ihm geben möchten. Ein Wort des Dankes, ein Lächeln, ein ehrfürchtiges Gebet, - was ist ihre Antwort heute Abend auf das Wort, das sie anspricht?


 

Andreas Knapp: des höchsten niederkunft

 

nicht als wort

kam er zur welt

nicht als fixierter text

oder blutleeres buch

sondern fleischlich

schmerzempfindsam

in jede faser

eingeschriebene

sterblichkeit

ein einziger schrei

nach liebe

 

und sein testament

nichts schriftliches

hat er hinterlassen

nicht papieren

sein vermächtnis

sondern hingabe

mit fleisch und blut

 

aus: Andreas Knapp: ganz knapp. Gedichte an der Schwelle zu Gott. Würzburg 2020

 

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