Montag, 1. September 2025

Demut


Predigt 22. Sonntag im Kirchenjahr C – 2025 Kleiner Michel 19 Uhr

Les: Sir 3,17-18.20.28-29; Hebr 12,18-19.22-24a; Lk 14,1.7-14

Im Evangelium nach Lukas lassen sich einige große Linien ausmachen, Themen oder besser: Haltungen, die seine Perspektive auf Jesus Christus und das, was Gott uns mit ihm geschenkt hat, eröffnen. Es sind dabei drei Motive, die immer wiederkehren, wie in einer großen Sinfonie bestimmte Klangfolgen, die auftauchen und den Zusammenhang verdeutlichen. Es sind drei Wort Paare, die jeweils ein Motiv kennzeichnen: suchen und finden, bitten und empfangen, anklopfen und öffnen.

1/ Das bekannteste Motiv ist das vom „suchen und finden“ bzw. „gefunden werden“. Fallen Ihnen spontan einige Gleichnisse dazu ein? Das verlorene Schaf aus der Herde und die verlorene Drachme, die wieder gefunden wird (Lk 15). Der verlorene Sohn, der vom barmherzigen Vater wiedergefunden wird. Und schließlich der Zöllner Zachäus, bei dem Jesus zu Gast ist. Diese Geschichte, am Ende des Weges Jesu nach Jerusalem, endet mit dem Satz: „Denn der Menschensohn ist gekommen zu suchen und zu finden, was verloren ist.“ (Lk 19).

Viele Menschen sind auf der Suche nach Glück, nach Sinn, nach Erfüllung. Für Lukas ist es wichtig, dass wir selbst uns auf die Suche begeben, vor allem aber, dass wir von Gott gefunden werden. Uns finden zu lassen, aus der Komfortzone heraus gehen, altes loslassen und sich für Neues öffnen: Das ist die Haltung, die zum Gottes Reich passt.

2/ Das zweite Motiv: „bitten und empfangen“. Dieses Motiv klingt vor allem beim Thema Gebet an. Jesus selbst bittet immer wieder. Er zieht sich zum Gebet zurück. Dass man beharrlich bitten soll, wie ein Freund zu einem Freund spricht, ja sogar wie eine nervige Witwe vor dem Richter oder wie ein sündiger Zöllner, ganz einfach hinten im Tempel, mit einem einfachen Satz: Dazu ermutigt Jesus seine Jünger immer wieder!

Ehrfurcht sollen sie haben, aber keine Scheu. Sie sollen sagen, was notwendig ist. Bitten bedeutet, das zu formulieren, was ich jetzt gerade wünsche und brauche. Viele denken immer: Gott weiß doch eh‘ schon alles! Warum soll ich die Dinge noch extra formulieren? Ja, er weiß es, aber eine Bitte verändert uns, sie öffnet uns, macht uns verletzlich.

Schon einige Male habe ich von meinem Pilgerweg erzählt, als wir im Noviziat ohne Geld gepilgert sind, das war das eine sehr eindrückliche Erfahrung: zu betteln, d.h. andere um das nötigste zu bitten. Das hat Überwindung gekostet, vom stolzen Ross herunter, aber es bringt ihm die Begegnung. Ich habe Menschen kennengelernt, den ich sonst nie begegnet wäre und ich bin in einer Offenheit und Freiheit gekommen, die ich vorher nicht gekannt habe. Wer selbst nichts in den Händen hat, hat die Hände offen für andere.

3/ Und schließlich das dritte Motiv: „anklopfen und öffnen“. „Wenn die Hoffnung leise anklopft“: Hören, wenn Jesus an die Tür des Herzens klopft und ihm dann öffnen. Den Mut haben, selbst hinauszugehen, Begegnungen zu suchen, ohne zu wissen, was passiert. Bei Lukas geht Jesus viele Male zu anderen Menschen und ist bei Ihnen zu Gast. Er war eingeladen, bei seinen Freunden: Martha und Maria, bei Simon, dem Pharisäer. Er war eingeladen bei den Zöllnern und Sündern wie Zachäus oder Levi oder, wie in diesem Abschnitt, bei einem „führenden Pharisäer“. (Lk 14)

Als Jugendliche waren wir oft als Sternsinger unterwegs und haben an Türen geklopft. Die Leute haben uns teilweise erwartet, mit einem heißen Kakao an kalten Regentagen. Teilweise waren sie überrascht. Teilweise haben sie auch die Tür vor uns geschlossen. Anklopfen ist immer ein bisschen mit Mut verbunden und mit Großzügigkeit, sich nämlich auf das einzulassen, was mich dann erwartet.

Drei Motive, drei Haltungen, die nicht dem entsprechen, was wir sonst in dieser Welt lernen und vermeintlich brauchen. Statt zu suchen und zu finden: einfach neu kaufen! Statt zu bitten und zu empfangen: einfach selbst machen! Statt anzuklopfen und geöffnet zu bekommen: einfach mit dem richtigen Schlüssel reingehen! Macht und Können, Wissen und Geld, Selbstbehauptung und Ansehen - darum geht es doch! Wie anders ist da die Lebensweise Jesu?!

Bei dem Besuch im Haus des Pharisäers, von dem wir gerade im Evangelium gehört haben, versucht Jesus deutlich zu machen, um welche Haltungen es im Reich Gottes geht. Er erzählt dazu zwei Gleichnisse. Darin geht es nicht um die Tischsitten, sondern um die Haltungen, die mit der Gastfreundschaft verbunden sind.

Die Gastfreundschaft ist ein privilegierter Ort, an dem wir schon einen Vorgeschmack bekommen von dem, worum es im Reich Gottes geht. Denn bei Begegnungen mit anderen Menschen, wie sie geschehen, wenn wir irgendwo eingeladen sind oder andere einladen, zeigt sich viel von dem, wie wir innerlich unterwegs sind. Es lässt sich nicht verbergen! „Die Demut besteht darin, zu wissen, dass es in dem, was man „ich“ nennt, keinerlei Energiequelle gibt, die es ermöglichen würde, sich zu erheben.“ (Simone Weil, pesanteur et grace)

Hier in der Gemeinde am Kleinen Michel initiiert das Gemeindeteam seit einigen Monaten das Projekt „Gastfreundschaft plus“. Es geht darum, Menschen einzuladen, die sich sonst vielleicht nicht begegnen würden, und einen besonderen Gast, der etwas von seinem Leben erzählt und auf diese Weise das gemeinsame Abendessen bereichert.

Einige Gastmähler haben schon stattgefunden, es können noch weitere folgen. Wenn Sie Interesse daran haben, melden Sie sich gerne beim Gemeindeteam. Dieses Projekt hilft uns vor allem, mal zu überlegen, wen wir einladen möchten, wer auf unserer Gästeliste steht. Sind es nur die, die wir kennen? Oder auch Arme und Krüppel?

Die Haltung, um die es dabei geht, nennt sich „Demut“. Das ist keine falsche Bescheidenheit, sondern das ist Mut zum Dienen. So wie es Jesus und vorgelebt hat. Am Ende seines Lebens, am Sederabend, hat er seine Jünger zum Abendessen eingeladen. Sein Abschied war ein mutiger Dienst für die Menschen, den wir heute Abend wieder feiern. Der hl. Franziskus hat die Eucharistie als das „Sakrament der Demut“ bezeichnet. Dazu sind wir jetzt eingeladen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen