Freitag, 10. Mai 2024

Abschied


Predigt Xti Himmelfahrt 2024

Les: Apg 1,1-11; Eph 4,1-13; Mk 16,15-20

1/ Abschied

In Hamburg sagt man Tschüss. Immer wieder im Leben heißt es Abschied nehmen: am Ende eines Berufslebens, oder wenn wir die Arbeitsstelle wechseln Abschied von den Kolleginnen und Kollegen. Wenn ein guter Freund oder eine gute Freundin umzieht in eine andere Stadt, oder wenn wir selbst den Ort wechseln, Umzug und Neubeginn, Abschied von Freunden. Wenn ein Ehrenamt endet oder wie eine Aufgabe oder Tätigkeit loslassen müssen, Dank und Abschied. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, ein Familienangehöriger, ein guter Freund, müssen wir Abschied nehmen. 

Ich habe das Gefühl, dass es im Laufe des Lebens immer mehr zu Abschieden kommt, je älter man wird, aber vielleicht ist das auch nur meine Veränderung der Zeitwahrnehmung. Als Jesuit bin ich inzwischen in den verschiedenen Phasen der Ausbildung siebenmal umgezogen, schon vorher habe ich an sechs verschiedenen Orten gewohnt. Da kommt ganz schön was an Abschieden zusammen. 

Manche Kontakte bleiben, und ich trage die Menschen noch im Herzen, schreibe mal eine Karte zum Geburtstag, leider viel zu selten, aber in 95 % der Fälle sind es endgültige Abschiede. Es war eine gute Zeit oder auch eine nicht so gute Zeit, aber wir werden uns nicht wieder sehen. 

Gerade in meinem Arbeitsbereich im Generalvikariat, in der Kirche gibt es sehr viele Veränderungen, die Babyboomer gehen, sehr viele Abschiede. Immer bleibt etwas. Wenn es nichts kostet zu gehen, dann ist es kein gutes Zeichen. Denn wenn ich geliebt habe, dann bin ich auch irgendwie beteiligt, dann habe ich mein Herz geöffnet und dann geht Abschied nicht einfach so.

2/ Jesus

Das Fest Christi Himmelfahrt erinnert an den Abschied des Auferstandenen von seinen Jüngern. Jesus ist den Seinen vierzig Tage erschienen. Er hat ihn durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt, wie die Apostelgeschichte schreibt. Er hat mit ihnen gegessen und getrunken und hat vom Reich Gottes gesprochen. Wie auch immer diese Erzählungen zu verstehen sind, symbolisch, übertragen: Es ist ein anderer, bemerkenswerter und besonderer Abschied.

Es ist nicht wieder der Abschied vor der Kreuzigung, der ganz von anderen Mächten bestimmt war und den Jesus im Leiden, in der Liebe inmitten der Verachtung, in der Hoffnung inmitten von Dunkelheit mit seinen Jüngern erlebte. 

Jetzt, nach seiner Auferstehung, ist es ein anderer Abschied. Dieser Abschied wird ein endgültiger Verlust. Fortan gilt für die Jünger: „Sie suchten ihn, weil sie ihn liebten, doch nichts von dem, was sie machen oder von dem, was sie sehen, bietet Ihnen Gelegenheit, ihm zu begegnen.“

Gleichzeitig ist dieser Abschied ein Grund zur Freude. Diesen Abschied gestaltete Jesus selbst zu einem freudigen Ereignis, und er wurde zu einer Quelle der Sicherheit, mit der seine Jünger diese Zeit der Trennung, nach seinem Abschied, bestehen sollten. 

Der Abschied von Jesus ist nicht überraschend. Er hat es lange angekündigt und seine Jünger darauf vorbereitet, auch wenn sie es nicht verstanden, schon vor Tod und Auferstehung. Immer wenn er etwas Großartiges tat oder sagte, hat er sich danach zurückgezogen. Kein Wunder, ohne dass er wieder ins Gebet geht und deutlich macht, zu wem er eigentlich gehört. Die Abschiedsreden Jesu, die die Jünger überhaupt nicht verstehen, reden von dem Geheimnis, indem er lebt. Ein Geheimnis ist ein Ort, wo man bleiben kann, wo man daheim ist. Der Abschied ist nicht überraschend für die Jünger, auch wenn sie so tun.

Aber der Abschied diesmal ist von Freude durchdrungen. Er tropft von Glück. Er wird in allen Poren sichtbar. Die Jünger weinen nicht, oder höchstens vor Freude, die Jünger kehren nach Jerusalem zurück, erfüllt von dieser Freude, um Gott zu loben, überglücklich aus ganzem Herzen, Dank zu sagen, für die empfangenen Gnaden.

Ist das eine unerklärliche Freude? Das Vertrauen in ihn war bisher an seine Person gebunden, an die Sehnsucht nach ihm, er als Gegenüber, als Vorbild, als Freund. Doch Petrus wird in Kürze der Menschenmenge die überraschende Benommenheit der Jünger erklären, die in ihnen seinen Geist verbreitet hat, der Geist des verherrlichten Jesus. Es ist die erste Predigt des Petrus, und sie geht über die Freude der Christen. Mit dem Abschied Jesu ist nämlich eine Freude eingezogen. Die Leerstelle ist zu einer Quelle der Freude geworden, unerwartete Erfüllung dessen, was ihnen eigentlich schon lange verheißen war.

Das mit der Leerstelle, die sich irgendwie füllt, ist etwas sehr besonders bei Abschieden im Glauben. Dietrich Bonhoeffer schreibt im Blick auf den Verlust eines lieben Menschen einen Satz, den ich gerne auf Kondolenz-Karten notiere:

„Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“ 

3/ Erwartung

Die Erinnerung wird zur Freude – und sie wird gleichzeitig zur Erwartung des Kommenden und zu einer Verbundenheit untereinander führen. Tatsächlich wird ihre Gemeinschaft die Zeit ausfüllen, die den Weggang Jesu von seiner Rückkehr trennt. Immer wieder ist das in der Bibel zu hören, vgl. das Gleichnis von dem Mann mit der Königswürde, der zurückkommen wird; von den Talenten, die für eine bestimmte Zeit anvertraut sind; Jesus in den Abschiedsreden, die bei Johannes überliefert sind: „Ich werde wiederkommen“. Und dann eben auch hier die Apostelgeschichte, die wir gehört haben. „Was steht ihr da und starrt nach oben? Dieser Jesus, den ihr habt weggehen sehen, er wird wiederkommen!“

Die Zeit dazwischen ist eine Zeit der Liebe. „Ein neues Gebot gebe ich euch für diese Zeit: Liebt einander!“. 

Ist es so, dass diese Erinnerung an Jesus sie zusammen führt als Gemeinschaft? Oder ist es vielmehr so, dass ihre gelebte geschwisterliche Gemeinschaft die Erinnerung an Jesus wachhält? Beide Seiten sind gleichermaßen wahr, aber letztendlich verwandelt allein die Liebe die Erinnerungen in einen Quell der Freude.

Was bedeutet das nun für uns? „Er ist nicht hier!“ Das war schon die Botschaft der Engel am Grab und sie gilt auch für uns als Jüngerinnen und Jünger nach der Himmelfahrt. „Er ist nicht hier!“. Wir können Gott suchen und manchmal erahnen, aber wir finden ihn nicht, so dass wir ihn dingfest machen können. Er ist nicht der Freund in Fleisch und Blut, der an meiner Seite geht. Aber Jesus ist auf neue Weise doch da, manchmal ahnen wir es, er ist irgendwie doch ein Freund, im Suchen finden wir ihn, das ist die wichtigste Erfahrung der Christen. 

Das Warten auf den Herrn gehört zum Christentum. „Wo hältst du dich denn verborgen?“, „Ja, komm, Herr Jesus, Maranatha!“ Die Erinnerung an ihn wach halten. Indem wir ihn suchen und nicht finden, ist er doch auf eine geheimnisvolle Weise dabei, durch seinen Geist. Indem wir auf ihn warten, erfüllt er uns schon, erfüllt er, das All, wie der Epheserbrief schreibt, beherrscht er das All! Indem wir auf ihn warten, wachsen wir in der Einheit, leben wir den Glauben in diesem Dazwischen. Eine neue Form von Abschied, die Jesus uns zeigt, die Hoffnung stärkt und Freude schenkt. Durch den Geist, der in unsere Herzen ausgegossen ist. Amen.

Textidee und Zitate: Michel de Certeau SJ, Die Himmelfahrt (Meditation), erschienen in: Christus 6, Nr. 22, April 1959,211-220, übersetzt von Andreas Falkner, in: GuL (90) 2017, Heft 3, S. 312-319.

Foto von Riiana Izzietova auf Unsplash

Keine größere Liebe


Predigt Sechster Sonntag der Osterzeit B – Hamburg, Manresa – 2024

Les: Apg 10, 25-26.34-35.44-48; 1 Joh 4, 7-10; Joh 15, 9-17

Liebe Schwestern und Brüder,

das Johannes Evangelium gehört zu den besonderen Texten, mit denen man nicht zu Ende kommt: nicht leicht zu verstehen, oft sehr wiederholend und doch von grandioser Schönheit. Man hat das gefühlt schon hundertmal gehört: „Liebt einander!“ 

„Liebe Gott und deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Das ist wohl tatsächlich die zentrale Botschaft des Christentums, die uns hier im Evangelium wieder einmal nahegebracht wird. Erlösung geschieht in Liebe, einfach: in dem man liebt! Und doch hat der Evangelist einige Stolpersteine ins Evangelium eingebaut, so meine ich, die uns aus unserer Komfortzone herausholen können. Drei dieser Fragen, über die ich gestolpert bin, möchte ich erwähnen:

1/ „damit eure Freude vollkommen wird.“ (Joh 15,11)

Jesus spricht hier im Evangelium von der Freude. Seine Freude, so wünscht er sich, möge in den Jüngern sein, damit ihre Freude vollkommen sei, ohne Grenze und Trübung. Gibt es das überhaupt: vollkommene Freude? In dieser Welt, wohl so viel Unfrieden und so vielen Probleme um uns herum sind? Ein bisschen Friede, eine bisschen Freude, das würde doch schon reichen, oder nicht? Muss es gleich so anspruchsvoll sein: „vollkommene Freude“?

Manche empfinden im dieser Jahreszeit Freude, wenn sie Regen und Sonne sehen, die Vielfalt der Bäume und Blumen, das Wachstum und den Segen. Dann singen Sie, dass das Herz „ausgehen“ und „Freude suchen“ möge. Freude, weil sich der Mensch als Teil der guten Schöpfung erkennt. Ich lebe in dieser schönen Welt!

Andere empfinden Freude, wenn sie Zeit mit einem geliebten Menschen verbringen, wenn sie in einem guten Gespräch ähnliche Interessen sehen oder sich verstanden fühlen oder wenn sie getröstet werden. Freunde über die Verbundenheit mit anderen Menschen. Ich bin nicht allein!

Freude ist in den Evangelien nicht definiert, aber sie ist immer eine Spur der Anwesenheit Gottes in uns. Echte Freude ist ein Gefühl in uns, dass uns auf Gottes Anwesenheit in uns und um uns herum hinweist. Deshalb wird die Freude mehr, wenn wir sie teilen.

Aber wir sind begrenzte Menschen, die Freude ist immer mit einer Sehnsucht verbunden. „Immer ist da Raum für mehr.“ Ist die Freude hier auf der Erde je vollkommen?

Jesus spricht im Moment seines Abschieds von Freude, weil er in diesen Tagen in die Jerusalem in besonderer Weise die Gegenwart Gottes erlebt und sich von seinem Vater gehalten und geführt weiß. Für ihn hat sich der Himmel geöffnet. Er erlebt die Anwesenheit Gottes auf eine neue und besondere Weise, und genau das möchte er auch seinen Jüngern vermitteln. Durch ihn hat sich für seine Jünger der Himmel geöffnet. Alles, was da geschieht, ist für ihn keine Tragödie, kein grausames Schicksal, sondern Heilsgeschichte. 

Dieser erste Stolperstein führt uns vielleicht zu der Frage, ob wir das, was mit Jesus erleben, als „nice to have“ ansehen, oder ob wir darin wirklich den Sinn und die Bedeutung unseres Lebens erkennen, unsere eigene Heilsgeschichte.

2/ „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13)

Jesus gab sein Leben hin für seine Freunde. Er setzte sein Leben ein. Er hat sein ganzes Leben als einen Dienst an den Jüngern verstanden. Er hat sie „geliebt bis zum Ende“. Er hat gesehen, dass darin die Gabe des Lebens besteht, in seiner treuen und Grenzen überschreitenden Liebe.

Wenn wir auf Jesus schauen: Stimmt es dann, dass es keine größere Liebe gibt, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt? Hat nicht Jesus gelehrt, man solle sogar seine Feinde lieben? Ist das nicht eine noch größere Liebe, wenn man seine Feinde liebt? Oder geht das nicht?

Schon der heilige Bernhard von Clairvaux ist offenbar über diesen Satz gestolpert. Er sagte in einer Predigt in der Karwoche: „Niemand hat eine größere Liebe als einer, der sein Leben für seine Freunde gibt: Du, o Herr, hast eine größere gehabt: du hast es für deine Feinde hingegeben! Als wir nämlich noch Feinde waren, sind wir durch deinen Tod mit dir und dem Vater ausgesöhnt worden. […] Kaum jemand stirbt für einen Gerechten: du hast für Ungerechte gelitten und bist unsere Sünden wegen gestorben, du bist gekommen, die Sünder, ohne dass sie es verdient hätten, gerecht zu machen: Knechte zu Brüdern, Gefangene zu Miterben, Verbannte zu Königen zu machen … [Jesus liebte so,] dass er sein Leben dem Tod preisgab und die Sünden vieler trug, […] dass er sogar für die Schuldigen betete.“

Dieser zweite Stolperstein zeigt uns die Besonderheit der Liebe Jesu für uns: dass er uns als Freunde liebt, dass er uns aber sogar als Feinde liebt, wenn wir uns von ihm entfernt haben, und uns bei sich haben möchte – und vielleicht als Feinde zu Freunden liebt. 

3/ „Ich nenne euch nicht mehr Knechte“ (Joh 15,15)

Hat Jesus seine Jünger je Knechte genannt? Nicht, dass ich mich erinnere! Sie haben ihn als Herrn und Meister angeredet, aber er hat sie nie als Knechte behandelt oder angesprochen. Er selbst hat sich als Knecht gesehen, als der Gottes Knecht, von dem der Prophet Jesaja gesprochen hat. Er hat Ihnen vom Reich Gottes erzählt, in Gleichnissen wie vom treuen und vom treulosen Knecht. Er hat sie aufgefordert, einander zu dienen: der größte bei euch soll euer Diener sein. Aber er hat soweit wir wissen seine Jünger nie als Knechte bezeichnet. 

Dieser Stolperstein führt uns, finde ich, direkt zu der Frage, wie ich mich selbst in der Beziehung zu Jesus verstehe. Sehe ich mich als Knecht oder als Magd Jesu? Oder sehe ich mich als Freund oder als Freundin Jesu? Wer ist Jesus für mich? Ein Kumpel? Ein Bruder? Der göttliche Herr? Kann ich das Angebot der Freundschaft Jesu, dem Sohn Gottes, dem Menschensohn, annehmen? Möchte ich diese Freundschaft mit Jesus leben?

Drei Anregung, drei Stolpersteine, die uns den Reichtum des Wortes Gottes vielleicht neu und tiefer entdecken lassen, egal ob wir neu hinzukommen oder den Text gefühlt schon hundertmal gehört haben. Und die uns vermitteln können, was das sein mag: Wirklich zu lieben. Denn darin liegt unsere Erlösung. In der Liebe. Geliebt zu werden und zu lieben. Amen.

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Montag, 29. April 2024

Drei Worte


Predigt – Fünfter Sonntag der Osterzeit B – 28.4.2024 – 19 Uhr Manresa, Hamburg (Vorstellung Katechumenen), Les: Apg 9,26-31; 1Joh 3,18-24; Joh 15,1-8

Liebe Schwestern und Brüder!

Der Tisch des Wortes ist heute, am fünften Sonntag der Osterzeit, mal wieder reichlich gedeckt und angesichts so vieler köstlicher Speisen weiß man kaum, wo man anfangen soll. Bei der Lesung aus der Apostelgeschichte, die vom Wachstum dennoch jungen Kirche erzählt? Oder bei der Lesung aus dem ersten Johannesbrief, mit seiner ganz eigenen, besonderen Ausdrucksweise? Oder beim Evangelium, bei den Abschiedsreden Jesu und dem eindrucksvollen Bild vom Weinstock und den Reben? 

Ich möchte heute Abend drei Worte herausnehmen, drei Probierhäppchen erwähnen aus diesem großartigen Menü. Ich habe sie im Blick auf die neu Hinzugekommenen ausgewählt. Sie verdeutlichen für mich eine gewisse Haltung im Glauben, und sie zeigen eine Richtung für unser Verhalten als Christen in dieser Welt auf.

1/ freimütig

Fangen wir bei der Apostelgeschichte an. Dort ist von einem Konflikt die Rede. Für den neu bekehrten Saulus/Paulus war es nicht leicht, den Anschluss an die Gemeinde von Jerusalem zu finden. Es gab noch viel Misstrauen ihm gegenüber und gegenüber seinem Freund Barabbas. Gleichzeitig gerät er in den Konflikt mit den früheren „eigenen Leuten“, zu denen er gehört hatte, den Griechisch sprechenden Juden, den so genannten Hellenisten. Sie wollten ihn umbringen. In dieser aufgeheizten und zugleich deprimierenden Situation der jungen Kirche fällt ein Wort auf: „freimütig“. Gleich zweimal ist es erwähnt. Barnabas berichtet, wie Saulus in Damaskus von seinen Erfahrungen im Glauben berichtet habe und wie er „freimütig im Namen Jesu“ aufgetreten sei. Und dann in Jerusalem: dass Paulus „freimütig im Namen des Herrn“ auftrat. 

Freimut (parrhesia), das bedeutet Redefreiheit, über alles sprechen zu können. Das ist etwas Besonderes in der jungen Kirche. Es ist die Grundlage für ein Gespräch, dass nach Wahrheit sucht. Nichts verschweigen müssen. Keine klugen Worte oder politische Rücksichtnahme, sondern der Mut offen sprechen zu können. Das, was man denkt und glaubt, zu sagen. Keine Denkverbote. Keine Redeverbote. Ich glaube, das ist für jeden und jeden in der Gemeinde wichtig, aber ganz besonders für die, die neu dazukommen. Und ich glaube auch, dass dies genau der Weg ist, wie wir Konflikte heute in der Kirche angehen sollten. Selbstverständlich respektvoll, aber eben vor allem mit Freimut.

2/ in Tat und Wahrheit

Ein Wort aus der Lesung aus dem ersten Johannesbrief. Dort werden wir aufgefordert, „in Tat und Wahrheit zu lieben“. Was meint denn das? Es ist offenbar das Gegenteil von „mit Wort und Zunge lieben“. Man soll also nicht nur reden, viele Worte machen, was man alles tun könnte und sollte und müsste oder was der Glaube einem alles bedeutet, sondern man soll den Glauben tun! „Verkünde das Evangelium, und wenn es sein muss, auch mit Worten!“, so hat es der heilige Franziskus einmal ausgedrückt. 

Glaube, will gelebt, werden, sich im Alltag bewähren, damit er authentisch ist. Das ist die innere Haltung, um die es geht, für die die neu dazukommen, aber für alle anderen auch, den Glauben wahr werden zu lassen! „Und daran werden wir erkennen, dass wir in der Wahrheit sind“, so heißt es im Johannesbrief. 

Dann kommt aber zu diesem Wort von „Tat und Wahrheit“ noch ein zweiter wichtiger Gedanke dazu: „Wir werden vor ihm unser Herz überzeugen.“ Vor ihm unser Herz überzeugen: Das ist für mich ein wunderschöner Ausdruck von Gebet. Vor ihm da sein. Gott als gegenüber, als du und die Aufgabe ist es einfach, sich vor ihm von ihm verändern zu lassen, verwandeln zu lassen. Wie? Das eigene Herz darin überzeugen, dass Gott barmherzig ist, dass er liebt, trotz allem und mehr, als wir denken. Johannes, sagt es so: „… unser Herz überzeugen, dass wenn unser Herz uns verurteilt, Gott größer ist als unser Herz, und alles weiß.“

Es ist also wichtig, den Glauben zu leben, konkrete Taten der Nächstenliebe zu üben und den Glauben wahr werden zu lassen. Genauso wichtig ist es, zu beten und die innerliche Beziehung zum Herrn zu suchen, nämlich das eigene Herz immer wieder von der Liebe Gottes zu überzeugen, beziehungsweise überzeugen zu lassen. Gott zu trauen, d.h. ihm etwas zuzutrauen.

3/ in Christus sein – vom Weinstock und den Rebzweigen 

Und ein letzter großartiger Gedanke, das Bild vom Weinstock aus dem Evangelium. Das Wort ist in sich missverständlich, weil nicht klar ist, was mit dem Wort „Rebe“ im Deutschen eigentlich gemeint ist. Was ein Weinstock ist, das wissen wir, aber Rebe?

Weinrebe ist im Deutschen einerseits die ganze Pflanze, die Rebsorte. Der Weinstock ist die kultivierte Wuchsform der Weinrebe. Eigentlich sind also Weinstock und Weinrebe synonym. Hier im Text ist das allerdings nicht so. Hier sind mit Rebe die Rebzweige gemeint, d.h. die Äste, an denen die Trauben wachsen. 

Weinstock und Rebzweige sind ein Bild dafür, wie wir mit Christus verbunden sind. Die Zweige sind ein Teil des Ganzen. Letztendlich lässt sich Weinstock und Rebzweige nicht unterscheiden. Das eine gibt es nicht ohne des andere oder es ist ein toter Weinstock. 

Doch würde das dann bedeuten: die Weise, wie Christus in dieser Welt gegenwärtig ist, das sind wir alle, die vielen Zweige zusammen? Der lebendige Christus: die Menschen, die mit ihm verbunden sind?

„Wenn ich uns Christen anschaue und wie wir uns vor der Welt präsentieren, dann kann das doch nicht Christus sein. Das wäre auch eine gefährliche Vorstellung, nachdem wir schwache Menschen auf einmal zu perfekten Teilen des großen Christus werden, der Gottes Sohn in unserer Zeit ist. Oder ich blende aus dem Bild die vielen Sünder aus und meine, da gäbe es doch die Heiligen, die wären dann die waren Zweige am Weinstock. Nur: Auch die Heiligen waren Sünder, manche sogar heftig. Es muss also noch einmal etwas Anderes sein. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Jesus ein Bild aus der Biologie nimmt. Denn dort ist es immer so, dass das Ganze mehr ist als der Teil, der Organismus sich nicht ableiten lässt von den verschiedenen Teilen, als würden diese herumliegen, auf ihre Funktion immer schon festgelegt sein und sobald sie zusammengesetzt werden, würde daraus ein einheitliches Ganzes entstehen. Vielmehr ist es umgekehrt. Ohne Organismus wären die Teile nur tote Masse. Erst dadurch, dass sie im lebendigen Leib sind, bekommen sie ihre Bedeutung und Funktion. Von sich aus haben die Teile die Möglichkeit dazu. Es ist in ihnen angelegt. Aber erst durch das Ganze des Organismus werden sie zu den einzelnen Zellen, Nerven, Organen – Teilen die einen Sinn ergeben. Die heutige Naturwissenschaft weiß darum, dass man komplexe Dinge nicht allein aus den Teilen erklären kann, sondern erst das neu entstandene Ganze es möglich macht, die Teile zu verstehen. Man nennt dies Emergenz.“ (Martin Löwenstein, Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2021)

Christus und die Kirche, das ist doch nicht identisch. Aber das Bild ist hilfreich, insofern es nämlich um den Zusammenhang der einzelnen Teile geht. Die Reben sind nur am Weinstock sinnvoll. Und mit ihm verbunden, können sie leben und Frucht bringen. Und der Weinstock selbst ist nur lebendig, wenn er Reben hat und Frucht bringt.

Insofern ist es auch für die neu Hinzukommenden ein gutes Bild: Glaube ist eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus, aber Glaube geht nicht ohne die Kirche, die anderen, die mit ihm verbunden sind. Nur dann ist Glaube lebendig und bringt Frucht.

Diese drei Haltungen (Freimut, Authentizität und Verbundenheit) sind gute Haltungen für den Glauben, der lebendig ist und Leben schenkt. Amen.


Montag, 8. April 2024

belebt, begabt, beglaubigt

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Predigt Zweiter Sonntag der Osterzeit 2024, Manresa | Hamburg  

Les: Apg 4,32-35; 1Joh 5,1-6; Joh 20,19-31 

Es ist Sonntagabend. Die Jünger sind versammelt. Wer genau, das wird nicht erläutert. Waren es nur die Elf, die sich getroffen haben? War Maria Magdalena dabei, die ihnen kurz vorher die überraschende Botschaft von der Auferstehung überbracht hatte? Petrus und Johannes, die zum Grab gelaufen waren? Joseph von Arimathäa und Nikodemus? Der Evangelist Johannes lässt es offen. Nur Ort und Zeit sind klar: Sie sind in Jerusalem, am ersten Abend der Woche, die Türen sind verschlossen.

Es geschieht etwas mit ihnen, was sie nicht erwartet haben und was alle ihre bisherigen Vorstellungen von Gott und seiner Leben spendenden Kraft offenbar übertroffen hat: Jesus tritt in ihre Mitte und redet zu ihnen. Eigentlich hätten Sie es ja wissen können, denn er selbst hatte ja gesagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ - in ihrer Mitte. Aber dass er das so verstanden hatte, das haben sie nicht geahnt.

Er hat an diesem Abend keine moralische Botschaft für sie, es geht auch nicht um ein aktuelles gesellschaftspolitisches Thema, oder vielleicht doch? „Friede sei mit euch!“ Das ist seine Botschaft. Kurz und prägnant. Der Friedensgruß erneuert das Vermächtnis Jesu aus seinen Abschiedsreden. Zugleich zeigt er die Spannung auf, in der die Jünger leben – in einer Welt mit Krieg, die sich nach Frieden sehnt und es doch nicht schafft, die Waffen schweigen zu lassen. 

Friede ist das, was der Glaube an Jesus schenkt. Die Reaktion der Jünger darauf ist die Freude, ein Kennzeichen des österlichen Geistes in ihnen. Und mit dieser Freude beginnt etwas Neues, denn die Jünger bekommen einen großartigen Auftrag. Dazu gleich mehr.

1/ Zunächst werden Sie neu belebt. Jesus haucht sie an. Der Atem, der Geist (ruach / pneuma / spiritus) ist nicht sichtbar, aber er hat eine Wirkung. Die Geistkraft stammt aus einer bleibenden, verborgenen Quelle. Gottes Geist macht den Menschen lebendig, so glauben wir (Credo 586,2).

Der erste Moment in unserem Leben: Einatmen! Der Atem belebt uns. Kinder, die nicht schreien bei der Geburt, können nicht atmen. In der Bibel heißt es im zweiten Schöpfungsbericht: „Gott formte den Menschen aus Staub und blies in seinen Nase den Lebensatem: so wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.“ (Gen 2,7)

Der Geist ist gleichbedeutend mit dem Leben selbst. Als Jesus starb, hauchte er den Geist aus (Joh 19,30: „Jesus neigte das Haupt und übergab den Geist“.) Dieser Geist wird nun den Jüngern vermittelt. (Joh 20,22: „Er hauchte sie an“). Die Jüngerinnen und Jüngern erleben eine Neuschöpfung: Das Lebensprinzip Jesu wir ihnen übergeben! (vgl. Joh 6,63: „der Geist ist es, der lebendig macht.“)

2/ Darin werden Sie begabt. Sie bekommen die Gabe des Geistes. Der Geist ist Beistand, den der Vater zugesagt hat, der ihnen in den Konflikten zur Verteidigung helfen wird, und er ist die Vollmacht, die Sünden zu vergeben. Darauf weist das Johannes-Evangelium heute besonders hin. Und mit dieser Gabe werden Sie von Jesus gesandt. Entsprechend der Sendung Jesu, die er vom Vater erhalten hat, werden sie nun von Jesus gesandt. „So wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“

Für den Evangelisten Johannes ist hier in diesem Zusammenhang wohl zunächst die Taufe als der einmaligen Vergebung der Sünden im Blick, der Neugeburt aus dem Wasser und dem Geist. Dem Neugetauften werden alle Sünden nachgelassen, denn erst ist, so heißt es an anderer Stelle „vom Tod ins Leben hinüber gegangen“ (vgl. Joh 5,25). Man kann aber heute auch andere Formen darunter verstehen, wie z.B. das Sakrament der Versöhnung: „Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.“

Die Sendung Jesu ist ein Auftrag und eine Begabung der Jüngerinnen und Jünger, die in seinem Geist versammelt sind: es ist eine persönliche Weitergabe nicht nur seines Glaubens, sondern eben auch seiner Leben schenkenden Kraft. Es ist die Kraft der Versöhnung – mit Gott, mit sich selbst, mit den anderen.

3/ Und schließlich wird diese Sendung beglaubigt. „Thomas, einer der Zwölf, war nicht dabei, als Jesus kam.“ Doch auch er wünscht sich eine persönliche Begegnung mit Jesus. Er möchte eine persönliche Erfahrung machen, nicht den Glauben aus zweiter Hand zu erleben. Und dieses Anliegen ist durchaus berechtigt. Jesus nimmt es auf, er ermöglicht ihm diese Erfahrung. 

In Jerusalem, Sonntagabend, beglaubigt Jesus seine Identität: Der Auferstandene ist der Gekreuzigte, oder umgekehrt: der Gekreuzigte ist der Auferstandene. Thomas hat das verstanden und sein Bekenntnis ist seine Antwort darauf. 

Wir sind heute, Sonntagabend, von Jesus angesprochen. Er hat keine moralische Botschaft für uns, es geht auch nicht um ein aktuelles gesellschaftspolitisches Thema, oder vielleicht doch? „Friede sei mit euch!“ Das ist seine Botschaft. Kurz und prägnant. Zugleich zeigt er die Spannung auf, in der wir Jünger Jesu leben – in einer Welt mit Krieg, die sich nach Frieden sehnt und es doch nicht schafft, die Waffen schweigen zu lassen. 

Bitten wir heute Abend um seinen Geist, um seine Leben spende Kraft für die Sendung, zu Versöhnung und zum Frieden beizutragen!

Wir tun das gleich im Hochgebet, wir bitten um den Empfang des Heiligen Geistes. Im Westen beinhaltet das Hochgebet eine zweifache Herabrufung des Heiligen Geistes. Einerseits über die Gaben. Und andererseits erbitten wir nach dem Einsetzungsbericht den Geist Gottes auch für alle, die zur Eucharistie versammelt sind: „Stärke uns durch den Leib und das Blut deines Sohnes und erfülle uns mit seinem Heiligen Geist, damit wir ein Leib und ein Geist werden in Christus“ (Drittes Hochgebet). Wir erbeten den Heiligen Geist immer auch auf uns. 

Beide Geist-Bitten gehören zusammen. Denn wenn wir in der Gabenbereitung unser eigenes Leben mit in die Schale legen, wenn wir eine persönliche Teilnahme an der Wandlung, dann ist es logisch, dass wir den Geist Gottes auf die Gaben und auf uns erbitten.

Ob sich der Heilige Geist leichter damit tut, Brot und Wein in Leib und Blut Christ zu wandeln? Vielleicht ist es anspruchsvoller, dass er uns wandelt? Das ist das Ziel. Eucharistie ist immer auch ein pfingstliches Ereignis.


Montag, 1. April 2024

Neuanfang

Foto von Daniel Jericó auf Unsplash

Predigt Ostern 2024, Manresa | Hamburg

Küken und Ei

„Frohe Ostern“, das wünsche ich Ihnen von Herzen. Wenn ich Ihnen das nicht persönlich sage, sondern per SMS schreibe, dann schlägt mir mein Mobiltelefon als Ergänzung ein passendes „Emoticon“ vor: ein halboffenes Ei, aus dem gerade ein Küken schlüpft. Nun kann man sich fragen, was das Ei und das Küken mit Ostern zu tun hat. Ostern ist doch das Fest von Tod und Auferstehung Jesu, der höchste christliche Feiertag, das Geheimnis und Zentrum des Glaubens. Und dann kommen Sie uns überall mit Osterglocken, Ostereiern und Osterhasen. Ist das christlich?

Das Ei wird tatsächlich schon in den ersten Jahrhunderten bei den Christen als ein Symbol für Ostern verwendet. Seit dem zwölften Jahrhundert sind bunte Eier bezeugt, zunächst in Rot, dann auch in anderen Farben. Das Küken, das aus dem Ei schlüpft, zeigt den neuen Anfang, das neue Leben. Es beginnt nicht von einem Moment zum anderen, sondern es entsteht, es gibt eine Phase des verborgenen Wachstums im Ei. Doch irgendwann kommt der Moment des Durchbruchs. Das neue Leben wird sichtbar. Es zeigt sich. Es bewegt sich. Es braucht mehr Platz. Das Ei mit dem Küken zeigt uns: Neuanfang ist möglich! 

Neuanfang im Glauben

Und das ist ja auch Ihre Erfahrung; die von Julia, die heute getauft und gefirmt wird, aber auch die der anderen, die heute in die katholische Kirche aufgenommen bzw. gefirmt werden: „Du kannst neu anfangen!“ „Du darfst neu anfangen!“ Neues Leben ist möglich, hier und jetzt! 

Wenn Sie das heute öffentlich bezeugen und es Ihnen in der Taufe und der Firmung zugesagt wird, dann ist das nicht unvermittelt von einem Moment auf den anderen. Es gab eine Phase des verborgenen Wachstums im Glauben. Sie alle haben schon mehr oder weniger Erfahrungen im Glauben gemacht. Sie beten, sie haben sich mit anderen über den Glauben ausgetauscht haben. Sie haben sich umgeschaut. Sie haben seit September an einem Kurs der KGI teilgenommen. Sie haben sich der Gemeinde vorgestellt. Sie haben das Glaubensbekenntnis übergeben bekommen. Doch irgendwann kommt der Moment, in dem ihre Entscheidung sichtbar wirkt, sich zeigt und durch die Kirche bestätigt wird. In der Taufe, so glauben wir, sagt Gott zu dir, Julia: „Du bist meine geliebte Tochter, an der ich Gefallen habe.“

Dass neues Leben möglich ist, dass Neubeginn geschieht, wo niemand es erwartet hat, - das ist im Grunde die Erfahrung Jesu und die Erfahrung seiner Jünger zu Ostern. Das Kreuz ist nicht das Ende, das Scheitern, sondern es spricht zu uns von einer Liebe, die das Böse und die Sünde besiegt. Es wird zum Neuanfang, der in der Auferstehung sichtbar wird.

von Gott auferweckt

Diese Initiative geht von Gott aus. Das ist für die Jünger klar: Nicht Jesus selbst steigt aus eigener Kraft aus dem Grab, sondern Gott hat ihn auferweckt. Darauf weist Petrus in seiner Rede hin, die wir in der ersten Lesung gehört haben. „Gott aber hat ihn am dritten Tag auf erweckt und hat ihn erscheinen lassen, zwar nicht im ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorher bestimmten Zeugen.“ (Apg 10, 40f.) Daher hat die Auferstehung den Charakter der göttlichen Kreativität, einer neuen Schöpfung.

Unter den Jüngern Jesu, die ihn vor seinem Tod erlebt haben, gibt es nicht wenige, die daran zweifeln, dass so etwas wie Auferweckung möglich ist. Sie haben noch das blutige Drama von Golgatha vor Augen und sind in Traurigkeit und Verzweiflung gefangen. Ist das alles eine Selbsttäuschung? Autosuggestion? Kollektive Halluzination? 

Die Evangelien von Ostern sind überraschend zögerlich und tastend. Und daher, so glaube ich, auch überraschend ehrlich. Es ist eben nicht alles gleich von Anfang an klar. Es ist nicht der Sieger, der im Triumph aus dem Grabe erstand. Die Evangelien überliefern den Zweifel, das Unverständnis. 

Die Jünger verstehen am Ostertag eben noch nicht, was eigentlich geschehen ist. „Sie sind verzweifelt, sie trauern, sie ziehen sich zurück, sie haben Angst und machen die Türen hinter sich zu. Nur Maria von Magdala traut sich im Schutz der Morgendämmerung zum Grab. Und sie berichtet Seltsames: Der Stein - weggewälzt, das Grab – leer. Was soll man davon halten? Was ist geschehen? Wie wird es weitergehen? Fragen über Fragen, Ungewissheit, Verunsicherung, Ratlosigkeit. Aber plötzlich macht ein Wort die Runde: auferstanden! Heißt das: Jesus lebt?“ (Andrea Schwarz)

Und dann laufen sie zum Grab, Petrus und der andere Jünger, den Jesus liebte. Zunächst schaut Petrus ins Grab, so wird erzählt, und dann auch der andere Jünger. „Und er sah (wie es darin aussah) und er glaubte (dass Jesus auf erweckt worden ist und lebt). Denn damals,“ so erklärt uns das Evangelium, „hatten sie ja noch nicht die Heilige Schrift verstanden, wonach Jesus von den Toten auferstehen soll.“ (Joh 20, 8-9; vgl. Übersetzung von Klaus Berger)

Sie kannten noch nicht, was wir heute kennen. Sie verstanden noch nicht, was wir heute aus dem Zeugnis der Apostel besser verstehen, selbst wenn wir es nicht endgültig und bis ins Letzte begreifen können. Doch es fügt sich, dass will wohl das Johannes-Evangelium sagen: der Neuanfang ist in den Schriften des Alten Bundes angekündigt. Es ist der Neue Bund in seinem Blut, den Gott uns schenkt, der Neuanfang, der möglich ist.

Auferstehung braucht Zeit

Das alles zu verstehen, braucht Zeit. „Für die Freunde Jesu findet Ostern nicht am dritten Tag statt. Sie brauchten Zeit, um zu erahnen und zu verstehen, damit auch in ihnen Auferstehung werden kann.“ Und das gilt genauso für uns heute. Wir sind eingeladen, Ostern werden zu lassen, d.h. uns selbst in die Dynamik von Tod und Auferstehung hineinziehen zu lassen, mit Jesus. „Er geht uns voraus, aber wenn wir nicht mitgehen, bleibt er allein.“ (Andrea Schwarz)

Das ist das Geheimnis der Taufe. Das ist das Fest von Ostern, dass heute beginnt und bis Pfingsten dauert. 50 Tage haben wir Zeit, diesen Neuanfang reifen zu lassen, jeden Tag neu Auferstehung zu üben.

Gebet (nach einem Text von Pierre Teilhard de Chardin): „Hab’ Vertrauen in das langsame Arbeiten Gottes. Ganz natürlich drängen wir in allen Dingen ungeduldig dem Ziele zu. Wir möchten die Zwischenstufen überspringen. Wir leiden voller Ungeduld darunter, zu etwas Unbekanntem, Neuen unterwegs zu sein. Dabei ist es das Gesetz jedes Fortschreitens, dass sein Weg über das Unbeständige führt – das eine sehr lange Zeit andauern kann. Deine Gedanken reifen ganz allmählich, lass sie wachsen, lass sie Gestalt annehmen, ohne etwas zu überstürzen! Versuche nicht, sie zu zwingen, so als könntest du heute schon sein, was die Zeit (das heißt die Gnade und die Umstände, die auf deinen guten Willen Einfluss nehmen werden) morgen aus dir machen wird. Schenke unserem Herrn Vertrauen, und denke, dass seine Hand dich gut durch die Finsternisse und das Werden führen wird – und nimm aus Liebe zu ihm die Angst auf dich, dich im Ungewissen und gleichsam unfertig zu fühlen.“ 



Montag, 11. März 2024

Weitergehen

Gerokreuz. Köln

2024 Predigt Manresa Hamburg, Vierter Fastensonntag B 

Les: 2Chr 36,14-16.19-23; Eph 2,4-10; Joh 3,14-21

Das Evangelium des heutigen Sonntags, aus dem dritten Kapitel bei Johannes, ist der zweite Teil der Erzählung von der Begegnung von Jesus mit Nikodemus, mit der uns Johannes die Sendung Jesu erklären möchte. 

Worum geht es in dem Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus? Nikodemus war ein führender Mann unter den Juden. Der suchte Jesus in Jerusalem bei Nacht auf, und fragte ihn, wer Jesus denn eigentlich sei. Ein Lehrer, von Gott gekommen? Einer, der Zeichen tut? Ein Prophet? Wer bist Du?

Die Antwort von Jesus ist merkwürdig, denn Jesus redet zu Nikodemus über das „neu geboren werden“. Er sagt, dass man von oben oder von neuem geboren werden müsse, um das Reich Gottes zu sehen, nämlich aus Wasser und Geist. Im Grunde sagt er: Nikodemus, das Reich Gottes kannst Du nur sehen, wenn Du Dich nicht nur für meine Botschaft interessierst, sondern wenn Du Dich mit Deinem ganzen Leben darauf einlässt und bereit bist, verwandelt zu werden, ein neuer Mensch zu werden. Wenn Du bereit bist, Dich taufen zu lassen!

Jesus redet hier im Johannes-Evangelium über das, was wir unter der christlichen Taufe verstehen. Doch die gab es damals, als dieses Gespräch stattgefunden haben könnte, noch gar nicht. Der Evangelist Johannes nutzt die Erfahrung der Taufe, um seiner christlichen Gemeinde zu erklären, was die Sendung Jesu ist. Das ist nicht historisch korrekt, aber sehr aufschlussreich.

Ich stelle mir das ungefähr so vor: Es gibt hier sichtbar zwei Stühle. Dort sitzen Nikodemus und Jesus und sprechen miteinander. Und dahinter, wie auf einer zweiten Bühne, sind ganz viele Stühle: je einer für uns und einer für das Evangelium. Was vorne gesprochen wird, hat eine übertragene Bedeutung für uns, die Zuhörer:innen. Das wird an dieser Stelle besonders schön deutlich. 


Was ist die Taufe? 

Die Taufe ist der Weg aus dem Reich des Todes in das Leben; das Tor in die Kirche und der Beginn einer neuen Dimension von Gemeinschaft mit Gott (vgl. KKK 1213). In der Taufe geschieht die Vergebung der Sünden, d.h. der eigenen Schuld und der Schuldgeschichte, in die wir hineingestellt sind. In der Taufe stirbt der Sünder; es stirbt der alte Mensch, und es wird ein neuer Mensch. In der Taufe erhalten wir Anteil an Tod und Auferstehung Jesu. Es ist eine radikale Verwandlung des Menschen, die im Glauben geschieht, wenn wir aus Wasser und Geist neu geboren werden. 

Manche erleben die Taufe als Erwachsene, sehr bewusst, und ich freue mich, dass wir hier am Kleinen Michel immer wieder Menschen zur Taufe begleiten. Andere sind als Kind getauft worden und sind sich manchmal der Gnade, die sie geschenkt bekamen, nicht bewusst; ich selbst wurde als Kind getauft und darf mich immer wieder daran erinnern und es wahrnehmen.

Woher die Menschen kommen, die getauft werden, welche Geschichte sie haben, was sie an Erfahrungen mitbringen, das ist so verschieden, wie es Menschen gibt. Wir wissen es nicht und brauchen es nicht zu wissen. Und wohin Menschen gehen, die getauft werden, was Gott mit ihnen vorhat, ob sie auf sein Wort hören, ihm folgen, welche Geschichte sie in dieser Welt schreiben werden: Wir wissen es nicht und brauchen es nicht zu wissen. Es gibt immer wieder ein Scheitern und Umwege. Aber es gab diesen einen Moment, der alles andere verwandelt und neu gemacht hat. 


Was ist die Sendung Jesu?

Jesus ist für uns der Weg aus dem Reich des Todes in das Reich des Lebens. Er ist das Haupt, der Kirche, und durch ihn haben wir Gemeinschaft mit Gott. Der Grund der Sendung Jesu liegt in der Liebe Gottes zu dieser Welt und zu den Menschen, die er in Freiheit geschaffen hat. Eine Freiheit schafft andere Freiheiten aus Liebe. Gott möchte diesen Menschen, die er geschaffen hat, den Weg zum Leben zeigen. So gab er seinen Sohn in ihre Hände. Sie brachten ihn um, aber Gott straft durch dieses Geschehen nicht die Welt und die Menschen, sondern er rettet sie.

Denn es gab diesen einen Moment in der Geschichte, der alles andere verwandelt und neu macht. Manche glauben das und finden den Weg zum Leben. Andere glauben das nicht und finden ihn nicht. Die Liebe Gottes in Jesus ist für uns herausfordernd, weil es unsere Stellungnahme braucht. Wir können vor Jesus nicht in different bleiben.

Was Johannes uns heute durch Jesus und sein Gespräch mit Nikodemus sagt, ist vielleicht dies: Erlösung ist geschehen, ein für alle Mal und für alle Menschen, damals vor 2000 Jahren in Jerusalem, denn dort ist die Liebe offenbar geworden. Erlösung ist geschehen, ein für alle Mal und für dich persönlich in deiner Taufe und Firmung, denn seitdem kannst du das Reich Gottes sehen. Hab‘ keine Angst, es gibt Scheitern, Umwege, Missverständnisse. Aber Gott rettet. Er wirkt weiterhin in deinem Leben.

Im Grunde ist das doch das Geheimnis und die Spannung der Fastenzeit. Warum sollen wir Busse tun und uns auf Ostern vorbereiten, wenn die Auferstehung Jesu vor 2000 Jahren schon geschehen ist? Ostern: Das war vor 2000 Jahren, was können wir daran noch ändern? Erlösung ist ein für alle Mal geschehen, was sollen wir daran noch tun? 

Wir können sie immer neu wahrnehmen, in unserem Leben. Wir können umkehren in dem Sinne, dass wir diese Gnaden neu wahrnehmen und entsprechend leben. Einerseits wissen wir, dass wir nicht tiefer fallen können als in Gottes Hände. Und andererseits wissen wir genauso, dass wir noch einen Weg vor uns haben, dass wir immer wieder fallen und nicht perfekt sind, und unsere Fehler haben. Aber das ist nicht schlimm! Die neue Dimension in unserem Leben ist da, in dieser Spannung können wir aufrecht und aufrichtig gehen an deiner Seite Jesu. 

Nikodemus hat das nur halb verstanden, weil er „Jesus nur mit halbem Herzen liebte.“ (Gregor von Nazianz, aus der „Rede über die Liebe zu den Armen“). Lieben wir von ganzem Herzen! Amen.


Montag, 19. Februar 2024

Disziplin ist Bildung



Predigt Erster Fastensonntag 2024 - Evangelium: Mk 1,12-15

Liebe Schwestern und Brüder,

vor zwei Wochen, am Fest des hl. Ansgar, feierte die Sankt-Ansgar-Schule ihr Patrozinium mit einer heiligen Messe in St. Petri. Ich habe daran teilgenommen. Etwa 800 Schülerinnen und Schüler waren versammelt. Ein Gewusel von Stimmen und Gerüchen, Kinder aller Hautfarben und Temperamente, Mädchen und Jungen, große und kleine. Als es losgehen sollte, stimmte das Orchester noch die Instrumente auf der Orgelbühne, einige Schüler kamen zu spät und suchten ihre Plätze. An Andacht vor der heiligen Messe war nicht zu denken. Aber irgendwie gelang es dann doch, kurz bevor der Gottesdienst begann, sich zu konzentrieren, still zu werden und da zu sein. Sich zu disziplinieren, jede und jeder für sich, in Gemeinschaft, so könnte man sagen. Eine beeindruckende, wichtige Erfahrung.

„Bonitatem, et disciplinam, et scientiam doce me, domine“. Der Wahlspruch der Sankt-Ansgar-Schule fand sich auf dem Liedblatt, das auslag. „Bonitatem, et disciplinam, et scientiam doce me, domine“. Dieser Wahlspruch steht auch über dem Hauptportal der Schule. Die deutsche Übersetzung lautet ungefähr: „Güte und Bildung und Einsicht lehre mich, Herr.“ Es ist ein Zitat aus der lateinischen Fassung der Psalmen (VUL Ps 118,66). 

Wenn Sie in der Einheitsübersetzung der Bibel nachlesen, steht dort: „Gutes zu verstehen und zu erkennen, lehre mich.“ (EIN Ps 119,66) Da ist von Disziplin nicht die Rede, nur von Verstehen und Erkennen. 

Denn Disziplin ist im Deutschen kein positiv besetzter Begriff, im Gegenteil. Die Sekundärtugenden, die spätestens seit den 1968er-Jahren in Deutschland wegen der von den Nazis missbrauchten Tugenden allgemein abgelehnt wurden, wie z.B. Pünktlichkeit und Ordnung, Gehorsam, Fleiß, Zuverlässigkeit, Bescheidenheit oder Höflichkeit sind anerzogene Verhaltensweisen, die noch nichts über die ethische Bedeutung der Handlung eines Menschen sagen. Wie aber ist das mit der Disziplin? Gehört sie zu diesen Sekundärtugenden? Was meint Disziplin eigentlich? Geht es um Regeln, um das Einhalten einer vorgegebenen Ordnung? 

„disciplina“ ist im Lateinischen ein sehr dehnbarer Begriff: Er meint (laut PONS) 1/die Unterweisung, den Unterricht, die Lehre, dann 2/ die Bildung, Kenntnis, Fertigkeit, Kunst; 3/ Schule, Methode, 4/ ein wissenschaftliches Fach allgemein, 5/ die strenge Erziehung, 6/ die militärische Disziplin, 7/ die Sitte, die Gewohnheit bis hin zu 8/ die Staatsverfassung, die Staatsordnung.

„disciplina“ lässt sich zunächst einmal mit Bildung und Formung übersetzen. Es ist das Verhalten eines Menschen, der sich unterweisen und unterrichten lässt, der sich eine Kenntnis oder eine Fähigkeit erwirbt, indem er sich übt. Disziplin ist die Bereitschaft, sich formen zu lassen und vor allem sich selbst zu formen. Dem Leben eine Form zu geben. Im Leben zu üben bedeutet hinfallen und wiederaufstehen, Widerstände überwinden, Scheitern akzeptieren und immer wieder neu anzufangen.

Den deutschen Begriff „Bildung“ gibt es sonst in keiner anderen Sprache. Im Englischen ist z.B. von „education“ die Rede oder von „formation“, aber dass dieser Vorgang der Erziehung eine Kunst ist, eine bildende Kunst, und dass es vor allem darum geht, sich selbst zu bilden, in einem ganzheitlichen Sinn, das hat die Pädagogik in den letzten 100 Jahren immer mehr erkannt. Und wenn ich diese Bildung in der Beziehung mit Gott erhalte, dann nennt man es Glaube, praktizierte Religion.

Wir stehen am ersten Sonntag der Fastenzeit am Beginn der sogenannten österlichen Bußzeit. Gläubige Christen nutzen diese Zeit, um sich durch Fasten, Gebet und Almosen auf Ostern, auf das Fest von Tod und Auferstehung Jesu vorzubereiten. Und wie geht das? 

„Man nimmt sich eine Zeit lang zurück, um wieder Herr im eigenen Haus zu werden, um nicht immer stärker Gewohnheiten und Alltagssüchten zu erliegen. Man folgt selbst erfundenen Regeln und macht die Erfahrung, dass man fähig ist, diese einzuhalten.“ So schreibt der Hamburger Literaturwissenschaftler Frank Berzbach in einem Blogbeitrag "Die christliche Fastenzeit und die Moden des Fastens", 2024. Er beschreibt darin die paradoxe Erfahrung, dass man gewissen Regeln folgt, sich einschränkt und so eine neue Freiheit spürt.

Diese Form der Selbstbildung geschieht traditionellerweise nicht in der Öffentlichkeit. „Bei den Wüstenvätern kann man nachlesen, dass man das Fasten nicht vor sich hertragen soll; Fasten ist eine stille Angelegenheit.“ Wie ja auch das Gebet eine sehr persönliche Sache ist: „Wenn Du betest, dann geh in Deine Kammer.“ So sagt es Jesus. 

Es gibt das öffentliche Fasten: Die Gemeinschaft der katholischen Christen fastet am Aschermittwoch und am Karfreitag. An diesen beiden Fast- und Abstinenztagen soll man auf Fleisch verzichten, keinen Alkohol trinken und sich nur einmal am Tag satt essen. Aber ansonsten ist die Fastenzeit eine ziemlich individuelle Sache. Jeder nimmt sich etwas anderes vor. Das ist sicherlich schwieriger, etwas allein in guter Weise durchzuhalten; leichter ist es, wenn es die anderen auch machen. Aber es hat eben damit zu tun, dass wir von Gott die Gabe und die Aufgabe bekommen haben, uns selbst zu bilden und unser Leben zu formen.

Noch einmal Berzbach: „Das religiöse Fasten verlangt also viel: Es ist eine Übung der Selbstdisziplin, die verborgen bleiben sollte; es bedarf des Ehrgeizes, der uns aber keine sozialen Pluspunkte bringt; der Lohn der Fastendisziplin wird uns nicht von anderen Menschen gegeben, sondern liegt vielleicht außerhalb unseres Lebens. Das es positive Nebeneffekte geben kann, steht nicht im Vordergrund. Wer fastet muss nach innen diszipliniert und nach außen locker sein, das ist viel schwieriger als der Verzicht auf bunte Zimtschnecken. Fasten ist also für Christen keine Praxis, die nur den eisernen Willen trainiert.“ 

Allerdings: Der Sabbat ist für den Menschen da – und auch die Gebote und Regeln der Kirche für die Fastenzeit sind letztendlich für den Menschen da, nicht für Gott. Sie sollen uns helfen, innerlich freier zu werden. Gleichzeitig braucht es dafür die Ein-Übung, die Selbstdisziplin, das kluge Abwägen, was jetzt gerade dran ist, die Überwindung der eigenen Bequemlichkeit und die Luststeuerung. Die Lust ist nichts Schlechtes, aber wenn ich von der Lust getrieben bin und sie nicht mehr als eine Motivation zum Guten erlebe, dann sollte ich mal schauen, ob ich etwas ändern kann.

Der heilige Ignatius nannte diese Form, sich zu ändern, das „agere contra“. Das bedeutet: Wenn ich spüre, dass mich mein Charakter immer in die eine Richtung zieht, dann darf und soll ich in dieser Fastenzeit mal bewusst versuchen, ein bisschen zu viel in die Gegenrichtung zu steuern. Wenn ich oft zu viel esse, etwas weniger als das Normale; und wenn ich oft zu wenig esse, dann etwas mehr als das Normale.

Das ist die Spannung, um die es in der Fastenzeit geht: die Spannung zwischen Einübung von Loslassen, zwischen Selbstüberwindung und Lockerheit. In der Fastenzeit liegt der Akzent mehr auf dem Verzicht. In der Fastenzeit geht es um Erfahrungen, so wie Jesus sie in der Wüste gemacht hat. Sie gehörten für ihn zu seinem religiösen Leben dazu, auch wenn sie nicht das Ziel waren. Güte und Einsicht sind das Ziel. Die Disziplin ist ein Mittel.

Probieren Sie es doch in den nächsten Wochen einfach mal aus. Im Vertrauen darauf, dass Sie dabei nicht allein sind, dass die wilden Tiere da sind und die Engel, die ihnen dienen. Amen.