Predigt Fest Taufe des Herrn C 2024 | Hamburg, Manresa
Les: Jes 42, 5a.1-4.6-7; Psalm 29; Apg 10, 34-38; Lk 3,
15-16.21-22
„In jener Zeit war das Volk voll Erwartung.“ (Lk 3, 15). Das neue Jahr ist nicht einmal zwei Wochen alt. Was erwarten wir im neuen Jahr? Was erwarte ich? Habe ich mir gute Vorsätze genommen? Freue ich mich auf etwas Besonderes in diesem Jahr? Erwartet unser Volk etwas? Die Bundestagswahlen stehen an, ein neuer amerikanischer Präsident, hoffentlich bald das Ende der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, …
Das Volk damals erwartete den Messias, den Gesalbten, einen
König, einen machtvollen Herrscher, von dem der Prophet Jesaja verkündet hat,
dass er den Nationen das Recht bringt. Dass er Gerechtigkeit schafft. Dass er
das Volk in der Verbannung in die Heimat führen wird. Dass er Frieden bringen zum
Licht der Nationen wird, „um blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker
zu holen und die im Dunkel sitzen, aus der Haft.“ Dass er Erlösung schafft.
Auch Johannes der Täufer hat große Erwartungen an den, der nach
ihm kommt. „einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die
Riemen der Sandalen zu lösen.“
Doch werden diese Erwartungen nun mit Jesus erfüllt? Jesus
ist anders als der Messias, den das Volk und auch Johannes erwartet haben, das
wird heute im Evangelium deutlich. An drei Punkten:
a/ Jesus kommt zusammen mit dem ganzen Volk zum Jordan. Er
kommt nicht mit einem prächtigen Zug, einem großen Hofstaat oder besonders
herausgehoben, sondern als einer von vielen. Er macht sich gemein. Er hätte es
nicht nötig gehabt, sich taufen zu lassen, denn er war ohne Sünde, aber möchte es.
So wie er Weihnachten als Mensch, wie jeder andere auch geboren wird, so geht
er nun auf zu Johannes.
b/ Während der betete, öffnet sich der Himmel. Nicht während
er aus dem Wasser steigt mit großem Tamtam, sondern in dem Moment, als er in
die Beziehung zu seinem Vater geht, öffnet sich der Himmel. Und der Heilige
Geist kommt auf ihn herab, leiblich sichtbar „in Gestalt einer Taube“, genauer
„wie eine Taube“.
Tauben gehören zu den ältesten Haustieren, sie leben mit den
Menschen, sie sind arglos und zutraulich und sie fliegen nicht besonders gut.
Ich weiß nicht, ob sie schon einmal gesehen haben, wie Tauben fliegen bzw.
landen. Ziemlich flatterhaft. Sie stürzen sich nicht wie ein Greifvogel herab,
sondern landen sanft und vorsichtig.*
Es wird für alle sichtbar, dass Jesus mit dem Geist begabt
ist, offen ist für die Beziehung zu Gott, von ihm beschenkt wird mit Liebe, zutraulich.
Auch das ist wohl anders, als es viele erwartet haben.
c/ Und schließlich die Stimme aus dem Himmel: Jesus wird als
der Sohn des Vaters offenbar, als der geliebte Sohn, an dem Gott Wohlgefallen
hat. Er lebt aus der Liebe des Vaters und findet seine Identität und Sendung in
dieser Beziehung, jenseits aller Erwartungen, die Menschen von Gott vorher
gehabt haben.
Ist das der Messias, den das Volk erwartet hat? Ist das der
Retter, den wir erwarten? Mit dessen heilvollem Handeln in unserem Leben wir
wirklich rechnen, uns dafür öffnen? Glauben wir, dass sich mit Jesus in unserem
Leben etwas ändert? In unserem Volk? In unserer Welt? Erwarten wir seinen
Frieden und beten wir darum?
Durch Jesus, genauer durch sein Beten und seine Beziehung
zum Vater, hat sich für uns der Himmel geöffnet, hat er uns den Weg zum Vater
gezeigt. Mit Jesus und an seiner Seite brauchen wir keine Angst mehr zu haben,
nicht vor Gott, nicht vor der Welt. Wir dürfen als seine geliebten Töchter und
Sohne leben.
Wir alle sind Kinder Gottes. Auch die, die nicht getauft
sind, sind von Gott geliebt und seine Kinder. Aber wir sind uns dieser Würde
bewusst. Es ist eine Gabe und eine Aufgabe. Wir haben die Verantwortung, auch
als Kinder Gottes zu leben.
Das ist doch mal eine Erwartung und Hoffnung für das neue
Jahr: Als neue Menschen leben, geistbegabt, mit Jesus Söhne und Töchter Gottes
sein, betenden Menschen werden, in der Beziehung zum Vater. Amen.
*Anmerkung: Helmut
Röhrbein-Viehoff verdanke ich den Hinweis, dass die Taube schon bei den
Sumerern, dann bei den Griechen ein beliebtes Symbol für die Liebe war. Eine
Bronzetaube aus dem ersten Jahrtausend v. Chr. gehört zu einer Statue der Liebesgöttin
Aphrodite auf Kreta. In der römischen Religion ist die Taube das Attribut der
Göttin Venus. Das Hohelied der Bibel vergleicht die Augen der Geliebten mit
zwei Tauben. (Hld 1,15)
Bild: Bronzestatue eines mit einem Peplos über dem Chiton gekleideten Mädchens, im Original in der linken Hand eine Taube, ursprünglich in der rechten eine Blume oder einen Myrtenzweig. Daraus wurde geschlossen, dass es sich bei dieser Darstellung um die Liebesgöttin Aphrodite handelt. Exponat des Nationalarchäologischen Museum Athen, Inventar-Nr. KAP 540, datiert auf 460-450 v. Chr., Fundort das Pindusgebirge im Nordwesten Griechenlands.
Bildquelle: https://media.bs.ch/original_file/4dd45cc2154e73dfd1e123123ed53dcbe39d6925/ausstellungsdokumentation-unerwuenschte-gaeste.pdf