Predigt Vierter Fastensonntag C 2025 | Hamburg „Freiheit“
Les: Jos 5,9a.10-12; 2Kor 5,17-21; Lk 15,1-3.11-32
1/ Freiheit
« Liberté
toujours ! » Obwohl ich kein Raucher bin, hat mich diese Werbung
einer französischen Zigarettenmarke immer auf eigenartige Weise angesprochen. Freiheit!
Dieser Ruf, dieser Schrei von so vielen Menschen, die unterdrückt und
geknechtet werden. Freiheit! Die Sehnsucht von Menschen, die in Zuständen und
Situationen leben, aus denen sie ausbrechen möchten. Der Ruf schallt durch die
Geschichte. Freiheit ist für die Deutschen das höchste Gut!
Doch was ist Freiheit eigentlich? Die Möglichkeit zu tun und
zu lassen, was ich möchte? Auf der Liste der Länder mit der höchsten „persönlichen
Freiheit“ steht Deutschland (Platz 8) gut dar, unter den ersten 10 in der Welt!
Dabei zählen vor allem die Selbstbestimmungsrechte, Meinungs- und
Informationszugang und die Toleranz in der Gesellschaft als Indikatoren. Aber
es ist klar: Grenzenlosigkeit gefährdet die Freiheit. Es braucht Sicherheit und
Ordnung, um Freiheit zu wahren, denn wenn alles toleriert wird, dann zahlt man
am Ende mit der Freiheit.
Freiheit hat zwei Bedeutungen: In der negativen Bedeutung,
der „Freiheit von“, bezeichnet Freiheit eine Unabhängigkeit, die Ablehnung von
Zwang und Fremdbestimmung, die Negation von Einmischung und Bevormundung. Die
positive Fähigkeit hingegen, „Freiheit zu“, besteht in der Fähigkeit, sich selbst
Ziele zu setzen und Mittel zu wählen, also in der Fähigkeit zur
Selbstbestimmung, die ein Leben nach den eigenen Vorstellungen erlaubt. Religionsfreiheit
z.B. ist nicht nur eine Freiheit „von der Religion“ (niemand muss glauben), sondern
auch eine Freiheit „für die Religion“ (jeder kann glauben).
Der christliche Glaube will in die Freiheit führen. „Zur
Freiheit hat uns Christus befreit“, so schreibt Paulus an die Galater (Gal
5,1). Dabei wird deutlich: Christliche Freiheit ist etwas, das wir schon haben,
das aber zugleich noch vor uns liegt, etwas woraufhin wir leben.
2/ Pessach in Gilgal
In der ersten Lesung aus dem Buch Josua haben wir von dem Fest
der Israeliten nach dem Einzug in das verheißene Land gehört. Die Paschafeier
in Gilgal bildet in dieser Erzählung, die erst viele Jahre später entstanden
ist, den Abschluss der Wüstenwanderung und den Neuanfang im Land Kanaan.
Nach der Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten, nach der
vierzigjährigen Wüstenwanderung und der Verkündung des Gesetzes durch Mose,
kommt das Volk nun unter Josua am Jordan und im gelobten Land an. Von denen,
die damals aufgebrochen sind, lebt kaum jemand mehr; alle die Jahre hindurch
haben sie jedoch die Erinnerung an den Aufbruch wachgehalten, an jene letzte
Nacht in Ägypten, die Nacht des Vorübergangs.
„Pessach“ oder (griechisch:) „Pascha“ ist bis heute das
Hauptfest des Judentums und es ist mit der Erinnerung an den Exodus verbunden,
des Auszugs aus Ägypten. Es stellt die Grundlage der religiösen Identität der
Juden dar. Ich möchte versuchen, es zu deuten und besser zu verstehen, worum es
bei diesem Fest der Befreiung geht.
Der Name und der Termin des Festes, die Vollmondnacht des
Frühlingsmonats Nisan, geht auf ein Frühlingsfest der Nomaden zurück, die in
dieser Nacht zum Schutz vor Dämonen die Eingänge der Zelte mit Blut bestrichen
und ein Opfermahl abhielten. Das Fest wurde später mit dem Fest der
ungesäuerten Brote, dem Mazzotfest, verbunden, bei dem das Gedenken an den
Auszug aus Ägypten im Mittelpunkt stand.
Das Pessach-Mahl selbst findet nach einer bestimmten Ordnung
in der Familie statt. Dieses Mahl bildet den Kern des Festes und wird auch „Seder“
genannt. Es findet in der Familie am Vorabend des 15. Nisan statt. Es gibt
bestimmte Speisen, wie z.B. ungesäuerte Brote, Bitterkräuter oder Fruchtmus,
und es wird aus der Pessach-Haggada gelesen, die den Auszug aus Ägypten
erzählt. Es werden Lieder gesungen, Gebete gesprochen.
In der letzten Nacht in Ägypten, vor ihrem Auszug und ihrer
Befreiung, schlachteten die Israeliten in den Familien oder Nachbarschaften ein
Lamm, nahmen etwas von dem Blut und bestrichen damit die Türpfosten und den
Türsturz an den Häusern, in denen man aß. Das Fleisch sollte über dem Feuer
gebraten sein, zusammen mit ungesäuertem Brot und Bitterkräutern sollten sie es
essen. Nichts durften sie übriglassen. Wenn etwas übrig war, sollten sie es im
Feuer verbrennen! (vgl. Ex 12)
Das Verb „passach“ bedeutet im Hebräischen „vorübergehen“ bzw. „verschonen“. Es wird im Buch Exodus gedeutet als „Vorübergang“ des Herrn“ in seiner doppelten Bedeutung: zum einen als Gegenwart des Herrn, der am Haus ganz nahe vorbeigeht, und zum anderen als Verschonung vor dem Strafgericht des Herrn, das vorübergeht, das für die Menschen im Haus eben nicht eintritt.
Das Buch Josua, das viele Jahre später erst geschrieben
wurde, deutet dieses Fest bei Gilgal nun als das erste „richtige“ Pessach-Fest,
denn zum ersten Mal kann für das ungesäuerte Brot das selbst geerntete und
geröstete Getreide genutzt werden. [Die Vorbereitungen für dieses Fest begannen
schon am 10. Tag des Monats (Jos 4,19; vgl. Ex 12,3)] Und dann gibt es kein
Manna mehr, „denn sie aßen in jenem Jahr von der Ernte des Landes Kanaan.“ (Jos
5,12).
Gilgal ist der Ort der Wende. Die Wüstenwanderung ist zu
Ende. Der Weg der Befreiung findet sein Ende. Die ägyptische Schande (besser:
Schmach bzw. Verhöhnung), ist endgültig vorbei, die Sklaverei ist beendet. Nun,
mit der Landnahme, ist die Freiheit da, will sie gelebt werden!
3/ Das Pascha-Mysterium
Der Tod Jesu wird im Neuen Testament vom Pessachfest
gedeutet, nicht nur, weil er sich im zeitlichen Kontext eines Pessachfestes in
Jerusalem ereignete. Die synoptischen Evangelien stellen das letzte Mal Jesu
mit seinen Jüngern als Pascha-Mahl dar und dabei Jesus in der Funktion des
Hausvaters mit seinen Jüngern. Nach dem Johannesevangelium ist es etwas anders:
Jesus stirbt am Nachmittag, bevor das Pascha-Mahl gefeiert wird, am Rüsttag des
Paschafestes, d.h. zu jener Zeit, in der die Lämmer geschlachtet werden. Das
bedeutet: Jesus ist das Paschalamm. Wie diesem wird ihm kein Knochen zerbrochen
(Joh 19,36; vgl. Ex 12,36); schon am Anfang hatte Johannes der Täufer ihn als
Lamm Gottes bezeichnet (Joh 1,36).
„Bei diesem Abendmahl hat sich niemand einen Platz verdient,
alle waren eingeladen, oder besser gesagt, sie wurden von Jesu brennendem
Wunsch angezogen, dieses Pascha mit ihnen zu essen: Er weiß, dass er das
Paschalamm ist, er weiß, dass er das Pascha ist.“ (DD 4)
Ostern ist für uns Christen das neue Pessach-Fest. Es ist
das Fest der Befreiung! Wir werden nicht aus der Sklaverei in Ägypten befreit,
sondern aus der Sklaverei der Sünde. Wir werden aus der Unterdrückung des Bösen
befreit. Wir werden der Angst vor dem Tod entrissen und in das neue gelobte
Land, in das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens geführt.
Dieser Vorübergang des Herrn, seine Gegenwart und seine
Gnade, dass er eben sein Strafgericht nicht ausführt, findet genau dann statt,
wenn wir uns mit Gott versöhnen lassen und die Versöhnung für andere erbitten.
Kurz: wenn wir seine Barmherzigkeit annehmen und weitergeben.
Wie der jüngere Sohn, der zum Vater heimkehrt und sein
Erbarmen empfängt. Und wie der ältere Sohn, der die Vergebung des Vaters für
den anderen Sohn hoffentlich mit Freude und Dankbarkeit angenommen hat, so sind
auch wir eingeladen, das Erbarmen und die Versöhnung zu empfangen und zu
schenken. Das ist der Weg in die Freiheit!
Versöhnung ist der Weg - doch entscheidend für die Freiheit ist
auch, was danach kommt! Denn die Freiheit will gelebt werden. Der Weg in die
Freiheit führt dazu, immer mehr eigene Entscheidungen zu treffen; nicht nur aus
der Sklaverei der Sünde zu entkommen, sondern auch die Freiheit in
Verantwortung zu leben; gute Früchte der Gottesliebe und der Nächstenliebe
hervorzubringen und zu genießen.
Dann kann das kommende Osterfest zu einem wirklichen Pessach
für uns werden, wenn wir in Weisheit und Klugheit und Solidarität mit Gottes
Hilfe handeln, um ein gutes Leben zu führen, zusammen mit anderen. Also: Freiheit
wird gelebt, wenn wir das Leben selbst in die Hand nehmen und diese Freiheit gestalten!
4/ Liturgie als Teilhabe am Pascha-Mysterium
Der Gottesdienst, den wir am Sonntag feiern, ist unsere Teilnahme
an dem Pascha-Mysterium, die Vergegenwärtigung unserer Befreiung. Die Liturgie ist
„das Staunen darüber, dass sich uns der Heilsplan Gottes im Pascha Jesu
offenbart hat (vgl. Eph 1,3–14), dessen Wirksamkeit uns in der Feier der
„Geheimnisse“, d. h. der Sakramente, weiterhin erreicht.“ (DD 25).
„Unsere erste Begegnung mit seinem Pascha ist das Ereignis,
das das Leben von uns allen, die wir an Christus glauben, kennzeichnet: unsere
Taufe. Es ist nicht ein geistiges Festhalten an seinen Gedanken oder das
Unterschreiben eines von Ihm auferlegten Verhaltenskodex: es ist das Eintauchen
in sein Leiden, seinen Tod, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt.“ (DD 12)
Und danach geht es weiter: „Der Augenblick der feiernden
Handlung ist der Ort, an dem das Pascha-Mysterium durch das Gedächtnis
vergegenwärtigt wird, damit (wir,) die Getauften es durch ihre Teilnahme in
ihrem Leben erfahren können.“ (DD 49).
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Herr, du kennst meinen Weg, den Weg, der hinter mir liegt, und den, der vor mir liegt. Du begleitest mich in jedem Augenblick. Du bist immer für mich da. Was erwartest du von mir? Weil du mich führst, kann ich versuchen, mich selbst zu führen, dass meine Augen und Ohren unterscheiden lernen, dass meine Hände anderen helfen lernen, dass mein Denken das Richtige findet, dass mein Herz das Rechte entscheiden lernt. Weil du mich führst, will ich meinen Weg versuchen. (Charles de Foucauld) https://ein-gebet.de/herr-du-kennst-meinen-weg/