Montag, 13. Januar 2025

Erwartungen

 




Predigt Fest Taufe des Herrn C 2024 | Hamburg, Manresa

Les: Jes 42, 5a.1-4.6-7; Psalm 29; Apg 10, 34-38; Lk 3, 15-16.21-22

„In jener Zeit war das Volk voll Erwartung.“ (Lk 3, 15). Das neue Jahr ist nicht einmal zwei Wochen alt. Was erwarten wir im neuen Jahr? Was erwarte ich? Habe ich mir gute Vorsätze genommen? Freue ich mich auf etwas Besonderes in diesem Jahr? Erwartet unser Volk etwas? Die Bundestagswahlen stehen an, ein neuer amerikanischer Präsident, hoffentlich bald das Ende der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, …

Das Volk damals erwartete den Messias, den Gesalbten, einen König, einen machtvollen Herrscher, von dem der Prophet Jesaja verkündet hat, dass er den Nationen das Recht bringt. Dass er Gerechtigkeit schafft. Dass er das Volk in der Verbannung in die Heimat führen wird. Dass er Frieden bringen zum Licht der Nationen wird, „um blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und die im Dunkel sitzen, aus der Haft.“ Dass er Erlösung schafft.

Auch Johannes der Täufer hat große Erwartungen an den, der nach ihm kommt. „einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen.“

Doch werden diese Erwartungen nun mit Jesus erfüllt? Jesus ist anders als der Messias, den das Volk und auch Johannes erwartet haben, das wird heute im Evangelium deutlich. An drei Punkten:

a/ Jesus kommt zusammen mit dem ganzen Volk zum Jordan. Er kommt nicht mit einem prächtigen Zug, einem großen Hofstaat oder besonders herausgehoben, sondern als einer von vielen. Er macht sich gemein. Er hätte es nicht nötig gehabt, sich taufen zu lassen, denn er war ohne Sünde, aber möchte es. So wie er Weihnachten als Mensch, wie jeder andere auch geboren wird, so geht er nun auf zu Johannes.

b/ Während der betete, öffnet sich der Himmel. Nicht während er aus dem Wasser steigt mit großem Tamtam, sondern in dem Moment, als er in die Beziehung zu seinem Vater geht, öffnet sich der Himmel. Und der Heilige Geist kommt auf ihn herab, leiblich sichtbar „in Gestalt einer Taube“, genauer „wie eine Taube“.

Tauben gehören zu den ältesten Haustieren, sie leben mit den Menschen, sie sind arglos und zutraulich und sie fliegen nicht besonders gut. Ich weiß nicht, ob sie schon einmal gesehen haben, wie Tauben fliegen bzw. landen. Ziemlich flatterhaft. Sie stürzen sich nicht wie ein Greifvogel herab, sondern landen sanft und vorsichtig.*

Es wird für alle sichtbar, dass Jesus mit dem Geist begabt ist, offen ist für die Beziehung zu Gott, von ihm beschenkt wird mit Liebe, zutraulich. Auch das ist wohl anders, als es viele erwartet haben.

c/ Und schließlich die Stimme aus dem Himmel: Jesus wird als der Sohn des Vaters offenbar, als der geliebte Sohn, an dem Gott Wohlgefallen hat. Er lebt aus der Liebe des Vaters und findet seine Identität und Sendung in dieser Beziehung, jenseits aller Erwartungen, die Menschen von Gott vorher gehabt haben.

Ist das der Messias, den das Volk erwartet hat? Ist das der Retter, den wir erwarten? Mit dessen heilvollem Handeln in unserem Leben wir wirklich rechnen, uns dafür öffnen? Glauben wir, dass sich mit Jesus in unserem Leben etwas ändert? In unserem Volk? In unserer Welt? Erwarten wir seinen Frieden und beten wir darum?

Durch Jesus, genauer durch sein Beten und seine Beziehung zum Vater, hat sich für uns der Himmel geöffnet, hat er uns den Weg zum Vater gezeigt. Mit Jesus und an seiner Seite brauchen wir keine Angst mehr zu haben, nicht vor Gott, nicht vor der Welt. Wir dürfen als seine geliebten Töchter und Sohne leben.

Wir alle sind Kinder Gottes. Auch die, die nicht getauft sind, sind von Gott geliebt und seine Kinder. Aber wir sind uns dieser Würde bewusst. Es ist eine Gabe und eine Aufgabe. Wir haben die Verantwortung, auch als Kinder Gottes zu leben.

Das ist doch mal eine Erwartung und Hoffnung für das neue Jahr: Als neue Menschen leben, geistbegabt, mit Jesus Söhne und Töchter Gottes sein, betenden Menschen werden, in der Beziehung zum Vater. Amen.

 

*Anmerkung: Helmut Röhrbein-Viehoff verdanke ich den Hinweis, dass die Taube schon bei den Sumerern, dann bei den Griechen ein beliebtes Symbol für die Liebe war. Eine Bronzetaube aus dem ersten Jahrtausend v. Chr. gehört zu einer Statue der Liebesgöttin Aphrodite auf Kreta. In der römischen Religion ist die Taube das Attribut der Göttin Venus. Das Hohelied der Bibel vergleicht die Augen der Geliebten mit zwei Tauben. (Hld 1,15)

Bild: Bronzestatue eines mit einem Peplos über dem Chiton gekleideten Mädchens, im Original in der linken Hand eine Taube, ursprünglich in der rechten eine Blume oder einen Myrtenzweig. Daraus wurde geschlossen, dass es sich bei dieser Darstellung um die Liebesgöttin Aphrodite handelt. Exponat des Nationalarchäologischen Museum Athen, Inventar-Nr. KAP 540, datiert auf 460-450  v. Chr., Fundort das Pindusgebirge im Nordwesten Griechenlands.  

Bildquelle: https://media.bs.ch/original_file/4dd45cc2154e73dfd1e123123ed53dcbe39d6925/ausstellungsdokumentation-unerwuenschte-gaeste.pdf

Mittwoch, 1. Januar 2025

Jahresrückblick


Ansprache am 31.12.2024 in Hattingen Gemeinde Heilig Geist nach dem Jahresrückblick

Wir haben auf die Ereignisse im Jahr 2024 in der Gemeinde Heilig Geist zurückgeblickt. Mit Dankbarkeit und mit vielen guten Wünschen geht dieses Jahr zu Ende.

Viele andere Ereignisse haben dieses Jahr für jeden und jede von uns geprägt, die eigentlich auch in einen Jahresrückblick gehören: im persönlichen Umfeld, in der Familie und mit Freunden, im Beruf, im gesellschaftlichen Umfeld in Deutschland und in Europa und weit darüber hinaus die Konflikte und Entwicklungen in der Welt. Das alles betrifft uns und vieles wäre zu nennen – aber das war jetzt hier konkret vor Ort der Jahresrückblick.

Warum ist es überhaupt wichtig einen Jahresrückblick zu halten? Und dabei nicht nur auf die Ereignisse und Fakten, sondern auch auf die persönlichen Erinnerungen, Gedanken und Gefühle, die sich damit verbinden, zu schauen? Warum nicht einfach das alte Jahr abhaken und nach vorne schauen? Dafür gibt es einen entscheidenden, geistlichen Grund.

Wir glauben, dass Gott in dieser Welt durch Jesus Christus im Heiligen Geist wirkt und gegenwärtig ist, dass wir seiner Liebe in unserem Leben begegnen und uns von ihr befreien und erlösen lassen können. Gott begegnet uns in den Ereignissen, im Alltag, in den Erlebnissen. „In allem will Gott Begegnung feiern.“ Deshalb ist es wichtig, die Ereignisse in seinem Licht ehrlich anzuschauen.

Das bedeutet: Nicht nur einfach eine Liste zu erstellen, was war gut, was war schlecht; sondern dazu auch wahrzunehmen, welche Gedanken und Gefühle sich für mich persönlich mit den Ereignissen verbinden. Was hat dieses oder jene Gespräch, was hat diese oder jene Begegnung bei mir ausgelöst? Kann ich darin Spuren der Liebe Gott und seiner Gegenwart unter uns entdecken und finden?

Nicht alles kommt von Gott und seinem Heiligen Geist. Es ist gibt auch das andere, das uns am Guten hindert, das uns von der Liebe wegbringt, das uns Angst macht, entfremdet, zum Bösen treibt. Aber es gibt eben in allem auch das gute Wirken Gott, denn er ist in allem mächtig, manchmal unscheinbar, verborgen, hilflos oder verdrängt.

Diesem Wirken Gottes auf die Spur zu kommen, es dankbar wahrzunehmen und meine Antwort darauf zu geben, darin liegt der tiefere geistliche Sinn eines Jahresrückblicks. Also: Nicht den Kontoauszug der guten Taten kontrollieren, nicht eine To-Do-Liste abhaken, sondern in allem der Gegenwart Gottes begegnen.

Vieles haben wir im vergangenen Jahr erreicht, vieles haben wir im vergangenen Jahr nicht erreicht. Beides ist am Ende nicht entscheidend. Wirklich froh und erfüllt wird unser Leben in dem Maße sein, in dem wir den Willen Gottes tun, der uns Leben in Fülle schenkt und möchte, dass wir mit seinem guten Geist mitwirken.

Entscheidend ist dieses Unterscheiden, damit wir uns von ihm führen lassen! Das macht glücklich. Das gilt besonders in Zeiten der Unsicherheit und der Veränderung, die wir gerade erleben. Umbrüche, weil das Bisherige nicht mehr weitergeht, wo Neues gewagt werden muss, wo es auch bei den Verantwortlichen in der Kirche an Leitung und geistlicher Führung mangelt und vieles selbst vor Ort entschieden und gestaltet werden soll.

Unterscheiden und gut zurückschauen: wo habe ich Freude, Liebe, Licht, Güte, kurz: Gottes guten Geist erlebt in den Begegnungen und Ereignissen – und diesem guten Geist folgen, nicht vorauslaufen. Heute Abend und im Neuen Jahr. Amen.

Anm.: „Die Kirche Heilig Geist in Hattingen-Winz-Baak [erbaut 1973; in der Kirche wurde ich gefirmt und habe meine Heimatprimiz gefeiert; C.M.] wird am Sonntag, 12. Januar 2025, außer Dienst gestellt. Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck feiert an diesem Tag um 11.30Uhr die letzte Heilige Messe an der Denkmalstraße. In einer Prozession zieht die katholische Gemeinde danach zur evangelischen Kirche in Winz-Baak, die ihre neue Heimat in Form eines „ökumenischen Zentrums“ sein wird. Für das gesamte Gelände um das katholische Kirchgebäude, das ehemalige Pfarrhaus, das Gemeindeheim und die ehemalige Kindertagesstätte gibt es Pläne eines Investors. Der Investor plant den Rückbau und möchte auf dem Areal seniorengerechten Wohnraum entstehen lassen.“ (WAZ Hattingen 31.12.24, Seite 15)


Mittwoch, 25. Dezember 2024

Im Stall


Heiligabend 2024 | Hamburg, St. Annen 17 Uhr | Predigt 

Les: Jes 9, 1-6; Tit 2, 11-14; Lk 2, 1-14

Es sind die wohlbekannten Texte, die wir in dieser Nach hören und sie erinnern uns an ein Geschehen vor mehr als 2000 Jahren: Die Geburt des verheißenen Kindes, des Messias. Die nannten ihn „wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Fürst des Friedens.“

Diese Geschichte lesen wir heute allerdings nicht aus historischem Interesse, wir hören sie auch nicht wie Anekdoten der Großeltern über die Zeit damals, sondern das Wort Gottes spricht in unsere Zeit. Das, was damals geschah, will für uns heute eine Bedeutung gewinnen. Das Evangelium wird erzählt, für einen jeden und eine jede von uns für heute.

Doch wie kann das gehen? Wie kann ich das Wort Gottes heute Abend hören? „Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?“ Der Weihnachtabend ist plötzlich da, aber so richtig freuen kann ich mich noch nicht. Gerade noch bin ich aus der geschäftigen Adventszeit eher unsanft hinübergestolpert und im Kopf schwirrt einem alles Mögliche herum, auch Sorgen und Angst, nur keine frommen, „besinnlichen“ Gedanken.

Und recht schnell macht sich eine Enttäuschung breit: Sollte ich als guter Christ oder als gute Christin nicht mehr erfüllt sein, mehr innerlich „brennen“, d.h. mehr Freude empfinden, über das, was wir heute Abend feiern? Warum bin ich so wenig vorbereitet, so wenig eingestimmt auf die Ankunft des Herrn? Bin ich heute Abend in der richtigen Weise hier, um Gott zu begegnen, der für mich Mensch werden will?

Am 25. Dezember 1542, also vor bald 500 Jahren, schrieb der Heilige Peter Faber in seinem geistlichen Tagebuch eine ganz ähnliche geistliche Erfahrung auf, die er am Weihnachtsmorgen gemacht hatte:

„In der ersten Messe, als ich mich vor der Kommunion kalt fühlte und betrübt war, dass meine Wohnung nicht besser bereitet sei, da überkam mich ein recht lebendiger Geist, in dem ich mit innerer und inniger Andacht … folgende Antwort vernahm: ‚Das bedeutet, dass Christus in einen Stall kommen will. Wenn du nämlich schon glühend wärest, fändest du jetzt die Menschheit deines Herrn nicht; denn du sähest geistlicherweise viel weniger einem Stall ähnlich.‘ So fand ich meinen Trost im Herrn, der in ein so kaltes Heim zu kommen geruhte.“

Faber nimmt seine innere Verfassung wahr. Die eigene Wohnung, d.h. seine Seele, in der Christus geboren werden will, ist noch nicht recht bereitet. Sie gleicht eher einem Stall. Es wäre einiges aufzuräumen, es ist manches schmutzig und recht einfach – eben für die vielen Alltagsgedanken, aber nicht für einen König.

Faber sieht seine Enge drinnen und die Weite und Größe des Ereignisses, das Heil der Welt! Und genau darin, in dieser Spannung, sieht er den Zusammenhang: Jesus wurde in einem Stall geboren, nicht in der perfekten Umgebung eines Palastes. Jesus wurde in einer Krippe geboren, in Armut und Niedrigkeit. Und genauso wie Christus diese Situation angenommen hat, wie sie ist, genauso darf auch ich meine Situation annehmen, nicht weil schon alles gut ist, sondern weil Christus es durch seine Liebe gut macht. Seine Gegenwart ist das Entscheidende, das Licht. Und dieses Leuchten in meinem Leben erkenne ich erst, wenn ich auch mein Leben ehrlich anschaue, so wie es ist.

Wie soll ich Dich empfangen? Das ist der Weg, um die Menschheit Gottes zu finden, so sagt Faber: die Welt, deine Welt so wahrzunehmen und anzunehmen, wie sie ist und sie zu lieben. Einfache Menschen und solche, die wissen, dass in ihrem Leben nicht alles perfekt ist, können das leichter als reiche Menschen. Darin finden wir die Menschlichkeit unseres Gottes. Er nimmt dich wahr, so wie du bist. Er verliert seine Göttlichkeit nicht, indem er Mensch wird, sondern er kommt als Mensch, um dich, den Menschen, zu retten und zu Gott zu führen.

Das bedeutet nicht, dass wir ohne Ehrfurcht zu ihm kommen oder dass alles egal ist. Respekt und Ehrfurcht sind wichtig. Aber sind wir jemals richtig vorbereitet, um Gott zu empfangen? In diesem Leben jedenfalls nicht, und deshalb lädt er sich selbst bei uns ein

.

Papst Franziskus sagt es so: „Gott wollte unser menschliches Leben teilen und ist deswegen in Jesus, dem wahren Gott und wahren Menschen, eins geworden mit uns. Aber mehr noch und noch überraschender: Die Anwesenheit Gottes unter den Menschen ist nicht in einer idealen, idyllischen Welt passiert, sondern in dieser realen Welt, wo es so viel Gutes und Schlechtes gibt, auch Spannungen, Bösartigkeit, Armut, Arroganz und Kriege. Er wollte in unserer Geschichte wohnen, so wie sie ist; und dadurch hat er seine barmherzige und liebevolle Neigung zu den Menschen gezeigt.“ (18.12.2023)

Wie soll ich dich empfangen? Was ist die richtige Haltung? Vielleicht probieren Sie es nachher mal, wenn Sie an der Krippe stehen, eine passende Geste zu finden, die Hände zu öffnen, um den Herrn zu empfangen. Ohne Scham, ohne Angst. So als ob sie ein neugeborenes Kind in die Arme gelegt bekommen. Ich bin kein Vater und dabei meist etwas ungelenk, habe Angst, das kostbare Leben auf die Erde fallen zu lassen. Ganz vorsichtig halten – und doch festhalten!

Ein kleines Kind, das man in den Händen hält, ergreift oft den Finger. Wenn wir uns für Gott öffnen, wenn wir ihm unsere Armen öffnen, dann ergreift er uns. Er kommt selbst auf uns zu und möchte uns an sich ziehen.

Und wenn sie nachher an der Krippe stehen, dann können Sie auch überlegen, was sie ihm geben möchten. Ein Wort des Dankes, ein Lächeln, ein ehrfürchtiges Gebet, - was ist ihre Antwort heute Abend auf das Wort, das sie anspricht?


 

Andreas Knapp: des höchsten niederkunft

 

nicht als wort

kam er zur welt

nicht als fixierter text

oder blutleeres buch

sondern fleischlich

schmerzempfindsam

in jede faser

eingeschriebene

sterblichkeit

ein einziger schrei

nach liebe

 

und sein testament

nichts schriftliches

hat er hinterlassen

nicht papieren

sein vermächtnis

sondern hingabe

mit fleisch und blut

 

aus: Andreas Knapp: ganz knapp. Gedichte an der Schwelle zu Gott. Würzburg 2020

 

Sonntag, 22. Dezember 2024

Schmetterlingseffekt


Predigt Vierter Adventssonntag C 2024 | Hamburg, Manresa – Klein und Groß

Les: Mi 5,1-4a; Hebr 10,5-10; Lk 1,39-45

Der Kontrast könnte nicht größer sein: Einerseits die Freude, die uns heute in den biblischen Texten kurz vor Weihnachten begegnet. Sie sprechen von Frieden. Und andererseits die Trauer und die Furcht, die Deutschland nach dem Anschlag in Magdeburg am vergangenen Freitag ergriffen hat.

In der Mitte steht ein Wort aus dem Hebräerbrief: Keine weiteren Opfer mehr, bitte! Keine Schlacht- und Speiseopfer mehr, keine Brand- und Sündopfer; keine Opfer von Anschlägen und Terrorangriffen, keine Opfer von Krieg und Gewalt, keine Opfer von Hass und Fremdenfeindlichkeit, keine Opfer von Rache mehr, bitte! Sondern einfach den Willen Gottes tun. So einfach ist das. Und so klar. Und doch offenbar so schwierig.

Wie kann in dieser Welt Frieden werden? Hören wir heute auf die Worte der Bibel, der Heiligen Schrift, wie der Friede in diese Welt kommt!

Predigt:

1/ Eines der bekanntesten englischen Weihnachtslieder beginnt mit dem Vers: „Oh Little Town of Bethlehem“. Bethlehem, die Geburtsstadt Jesu, war wirklich eine kleine Stadt. Sie liegt etwa 10 km südlich von Jerusalem im Gebiet Juda und war ursprünglich bedeutsam, denn es war der Heimatort des Königs Davids. Das ist allerdings damals schon fast 1000 Jahre her und Bethlehem war zur Zeit Jesu eine kleine Stadt von etwa 1000 Einwohnern. Ein Marktplatz, wenige öffentliche Gebäude. Es war wirklich nicht bedeutsam, jedenfalls nicht im Vergleich mit der großen Stadt Jerusalem, die etwa 50.000 Einwohner hatte. Bethlehem-Efrata ist für Jerusalem ungefähr das, was Henstedt-Ulzburg für Hamburg ist! Es gibt Leute, die da wohnen, aber sonst ist da eigentlich nichts los.

Doch der Prophet Micha kündigt dieser kleinen Stadt Bethlehem etwas Großes an, den Messias, den Herrscher über Israel. Ein Nachkomme Davids, aber seine Ursprünge liegen in ferner Vorzeit, d.h. in der Geschichte Gottes mit seinem Volk, als Gott ihm noch nahe war. Der, der kommen wird, wird auftreten und für das Volk Israel ein guter Hirte sein, der in der Kraft Gottes der Welt den Frieden bringt, der ganzen Welt! Er wird retten vor aller Gewalt. Sie werden in Sicherheit wohnen und in Frieden! „Er wird der Friede sein“. Welch eine Verheißung. So eine kleine Stadt und so eine großartige Verheißung.

 

2/ Im Evangelium haben wir gehört, dass sich Maria auf den Weg zu ihrer Verwandten Elisabeth machte. Sie ging zu ihr, weil der Engel Gabriel ihr kurz zuvor eine völlig ungewöhnliche und unerwartete Schwangerschaft verkündet hat. Er hat ihr die Geburt Jesu angekündigt. Als Zeichen für das besondere Wirken Gottes hat er ihr die ungewöhnliche Schwangerschaft ihrer Verwandten Elisabeth als genannt, die noch in hohem Alter ein Kind erwartete. „Denn für Gott ist nichts unmöglich.“ (Lk 1,37)

Maria geht zu Elisabeth: Möchte sie prüfen, was der Engel gesagt hat? Oder ist ihre eigene Freude so groß, dass sie sich zusammen mit ihrer Verwandten über den unverhofften Nachwuchs freuen will? Oder möchte sie in der Zeit der Schwangerschaft für Elisabeth da sein und ihr helfen? Es ist jedenfalls nur dieses eine kleine Wort des Engels, dass Maria auf dem Weg nach Juda bringt.

Maria grüßt die ältere Elisabeth und in dem Moment hüpft das Kind im Leib von Elisabeth. Elisabeth freut sich. Der kleine Johannes, obwohl noch im Mutterleib freut sich. Elisabeth wird vom Heiligen Geist erfüllt und begreift, ohne dass Maria irgendetwas erklären müsste, welch besonderer Moment das gerade ist, dass nämlich nicht nur sie schwanger ist, sondern dass auch Maria schwanger ist und dass sie die Mutter ihres Herrn die Mutter Gottes wird.

Es ist ein kleines Zeichen, diese Freude der Mutter und des Babys, und es ist eine kleine Begegnung unter Frauen, irgendwann vor 2000 Jahren, und doch ist in diesem Moment zum ersten Mal das Zeichen göttlicher Allmacht und Größe für andere Menschen offenbar, die Ankunft des Erlösers als Mensch. Elisabeth segnet Maria: „Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.“ (Lk 1,42).

 

3/ Kleine Zeichen, große Wirkung. In dieser Welt scheinen Hass und Gewalt grenzenlos und angesichts der Aufgaben und der Herausforderung verzweifeln viele Menschen. Furcht greift um sich. Wir bauen Mauern und Zäune, um uns zu schützen. Die Politiker greifen zu großen Gesten und zu großen Waffen. Doch das ist nicht der Weg zum Frieden. Der Frieden beginnt klein, im Kleinen, mit kleinen Zeichen, auf die wir achten sollten und denen wir vertrauen sollten. Selig ist die, die geglaubt hat, was der Herr ihr sagen ließ.

Als ich heute früh in St. Annen die hl. Messe feierte, flog während der Predigt ein Schmetterling durch den Raum, der sich offenbar im Weihnachts-Baum versteckt hatte. Welch eine wunderbare Veranschaulichung von dem, was ich sagen wollte. Physikalisch kennt man den Schmetterlingseffekt. Er beschreibt genau dies, dass kleine Veränderungen eine große Wirkung haben können. Ein Flügelschlag eines Schmetterlings im Amazonasgebiet kann einen Wirbelsturm bei uns auslösen. Das ist nicht neu.

Und ja, auch kleine Gesten des Hasses und der Gewalt können große Wirkungen haben. Ein Verrückter genügt, damit 5 Menschen sterben, 200 verletzt sind und ein ganzes Land in Trauer und Angst versinkt. Das ist schlimm, aber kein Zeichen Gottes!

Gott möchte keine Opfer! Keine Schlacht- und Speiseopfer mehr, keine Brand- und Sündopfer; keine Opfer von Anschlägen und Terrorangriffen, keine Opfer von Krieg und Gewalt, keine Opfer von Hass und Fremdenfeindlichkeit, keine Opfer von Rache mehr, bitte! Sondern einfach, dass wir seinen Willen tun und auf seine Zeichen achten und ihnen trauen. So einfach ist das. Und so klar. Und doch offenbar so schwierig.

Weihnachten, das ist das kleine Kind in der Krippe, dass den Frieden bringt für die ganze Welt. Denn für Gottes nichts unmöglich. Die Spannung zwischen klein und groß ist da, vielleicht auch manchmal der Glaubens-Zweifel, aber vor allem auch die Ermutigung, dass die kleinen Worte und Gesten eine große Wirkung haben können, wenn sie in Gottes Geist geschehen.

Montag, 2. Dezember 2024

Ausblick und Rückblick


 

Predigt Erster Adventssonntag C 2024 | Hamburg

Les: Jer 33,14-16; 1Thess 3,12-4,2; Lk 21,25-28.34-36

Der Philosoph Sören Kierkegaard sagte einmal: „Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muss man es aber vorwärts.“

Die ganze Bibel ist auf die Zukunft und die kommende Welt hin orientiert, ohne die Zukunft vorherzusagen oder wahrzusagen. Die Propheten im Alten Testament und die heiligen Schriften im Neuen Testament erinnern unermüdlich daran, dass die letzte Zukunft des Menschen und des Universums in den Händen des lebendigen Gottes liegt.

1/ Zukunft

An diesem ersten Adventssonntag hören wir aus dem Buch des Propheten Jeremias, aus den Briefen des Apostels Paulus und aus dem Evangelium nach Lukas. Alle drei Texte bezeugen, dass Gott seinen Verheißungen treu bleibt, auch wenn die Ereignisse scheinbar etwas anderes nahe legen. Sie sprechen von dem, was vor uns liegt, was kommen wird.

Was auf uns zukommt ist das Gericht! Gott wird Gerechtigkeit schaffen. Das ist unsere Hoffnung. Das ist keine Drohung, denn Gott ist nicht der Ankläger, sondern der Richter. Er wird aufrichten, was zerbrochen ist, er wird die verwundeten Herzen heilen. Und er wir für Recht und Gerechtigkeit sorgen.

Alle drei Texte sprechen von dieser Hoffnung. Im Buch Jeremia wird Israel und Juda ein Nachfahre versprochen, der für Recht und Gerechtigkeit im Land sorgen wird. Der Apostel Paulus spricht von der Ankunft des Herrn mit allen seinen Engeln und Heiligen. Und das Evangelium schließlich spricht von jenem Tag, der über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen wird, dann nämlich, wenn der Menschensohn auf einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.

Wie genau jener Tag sein wird, bleibt offen. Klar ist aber, dass es ein Augenblick der Freude ist, der Erlösung! Deshalb ist das der Blick in die Zukunft nicht von Angst geprägt, sondern von Hoffnung. Entscheidend ist für die Texte allerdings die Zeit bis dahin. Sie stellen uns vor die Frage: Wenn das alles kommt, wie möchte ich dann gelebt haben - im Rückblick sozusagen? Die Lesungen bieten uns ein paar sehr konkrete Hinweise, was helfen kann in dieser Situation, wenn wir darauf vertrauen, dass Gott seinen Verheißungen treu bleibt.

2/ Bis dahin: wachsen in der Liebe  - und wachen und beten

Im Brief an die Gemeinde in Thessaloniki lädt Paulus die Christen ein, in der Liebe zueinander und zu allen Menschen zu wachsen. Das ist ihr eigentlicher Reichtum! Warum? Weil die Liebe die Herzen stärkt. Sie lässt unsere Herzen weit werden und stark – und das hilft dabei, aufrecht, aufrichtig vor dem Herrn zu stehen: „untadelig in Heiligkeit vor Gott unserem Vater, bei der Ankunft Jesu, unseres Herrn.“

Das Evangelium ruft uns auf, zu wachen und zu beten: Was bedeutet es eigentlich zu wachen bzw. wach zu sein?

  • achtsam sein für das, was geschieht, nicht in Gedanken oder Sorgen zu versinken.
  • bei mir selbst sein, nicht mich in die Arbeit oder das reine tun zu verlieren
  • aufmerksam sein für den Moment und das was und wer mir begegnet; nicht zu träumen, was alles sein könnte
  • kritisch zu sein und zu hinterfragen, was andere behaupten oder tun
  • sich zu engagieren, innerlich bei einer Sache dabei zu sein

Das alles hört sich ziemlich anstrengend an - und dann soll man auch noch beten! Wäre es nicht viel schöner und einfacher loszulassen den lieben Gott einen guten Mann sein lassen? Relaxen und genießen?

Das Beten kommt aber, so glaube ich, beim Wachen nicht zusätzlich hinzu, als sollte man zwei Dinge tun, sondern es ist mit dem Wachen verbunden, es ist der Inhalt des Wachens und es gibt die Haltung des Wachens an: nämlich zu vertrauen! Deshalb ist wachen und beten hier nicht doppelte Kraftanstrengung, sondern die halbe!

Beten ist die Kunst, Gott etwas anzuvertrauen, ihm zu vertrauen, in den Dialog mit ihm zu treten und zu wissen, dass ich nicht allein bin.

„Beten konfrontiert uns mit der eigenen Wahrheit. Es wird alles auftauchen, was uns innerlich bewegt. Es tauchen die Konflikte der Vergangenheit auf, die Verletzungen und Wunden unserer Kindheit. Es kommt das in uns hoch, was uns gerade beschäftigt: die Sorgen um die finanzielle Zukunft, das Bangen um die Entwicklung der Kinder, das Leiden an den eigenen Ängsten, die innere Unzufriedenheit, die Unruhe. Beten ist keine Flucht vor der Wirklichkeit. Im Gebet wird die Wahrheit meines Lebens offenbar. Viele fliehen vor der Stille des Gebets. Das Gebet, in dem unsere Wahrheit offenbar wird, ist aber ein Gebet der Stille, in dem wir uns schutzlos Gott aussetzen, in dem wir alles, was in uns ist, vor Gott bringen, damit er es verwandle und heile.“ (Anselm Grün)

3/ Advent

Der Advent ist eine Zeit, in der wir nach vorne schauen und in der wir zurückblicken können. Wir können voll Hoffnung und Vertrauen nach vorne blicken. Und wir können innerlich zurückblicken und uns am Beginn der Adventszeit fragen: Wenn ich dereinst nicht mehr auf Erden bin: Wofür möchte ich gelebt haben? Wofür möchte ich wach gewesen sein? Für wen möchte ich wach geblieben sein? Hoffentlich mag uns das Beten dabei helfen. Amen.

Montag, 25. November 2024

Christ-Königs-Gesellschaft

(c) Christ-Königs-Institut, Meitingen

Predigt 34. Sonntag im Jahreskreis B, Christkönig 2024 | Hamburg

Les: Dan 7,2a.13b-14; Offb 1,5b-8; Joh 18,33b-37

Vor einer Woche, am 17. November 2024, wurde Max Josef Metzger in Freiburg selig gesprochen. Er starb vor 80 Jahren im Gefängnis der NS-Justiz in Brandenburg-Görden durch die Enthauptung. Dem Todesurteil vorangegangen war ein Prozess gegen ihn vor dem Berliner Volksgerichtshof. Er wurde verurteilt wegen Hochverrats und Einsatz für den Frieden und für die Völkerverständigung.

Max Josef Metzger, 1887 in Schopfheim bei Lörrach im Bistum Freiburg geboren, studierte Theologie und wurde Diözesan-Priester. Sein Einsatz als Feldgeistlicher im ersten Weltkrieg und die Erfahrungen dort von der Grausamkeit des Krieges und dem „nutzlosen Blutvergießen auf den Schlachtfeldern“ führten ihn dazu, sich für die Völkerverständigung in Europa einzusetzen.

Er gründete 1918 den Friedensbund deutscher Katholiken, der sich „Weltfriedensbund vom weißen Kreuz“ nannte, nach dem weißen Kreuz auf der heiligen Hostie. Dieser Bund wollte an der Versöhnung und Verständigung der Menschheit durch geistliche Erneuerung des ganzen Menschen arbeiten. 

„Metzgers Grundeinsicht lautete, dass es Frieden nur dann gibt, wenn sich die Menschen ändern. Deswegen achtet er auf den Friedenskongressen nicht nur darauf, auf welche Bedingungen für Frieden zwischen Staaten man sich einigte, sondern auch, ob man ein Wort über die geistige Notlage der Menschen verlor.“ (Henze, 34)

Die politischen Erfahrungen in der Weimarer Republik, die Erkenntnis, dass die deutschen Generäle die Reichstagsresolution nicht achteten, der Versailler Vertrag kein Friedensvertrag war und alle Länder weiter aufrüsteten, ließen ihn auf dem Internationalen Kriegsdienst-Gegner-Tag 1929 in Den Haag sagen, dass der gerechte Krieg, „wenn es ihn je gegeben hat, jedenfalls heute nur noch in der Theorie existiert. Dass der Krieg, wie er heute in Frage kommt, infolgedessen ohne Einschränkung ein Verbrechen genannt werden kann, den man mit allen nur möglichen Mitteln entgegen gesteuert werden muss.“

Nottue, den modernen Götzenstaat seines Götzentums zu entkleiden und ihn auf seine natur-rechtlich gegebenen Gewalten und Rechte zu beschränken, wozu auch die Abschaffung der allgemeinen Kriegsdienst-Pflicht gehöre. Den „radikalen Aktivismus“ für den Frieden und gegen den Krieg müsse die Friedensbewegung auf sich nehmen, „aus der Überzeugung von der göttlichen Kraft heiliger Gewaltlosigkeit im Dienst des Reiches Gottes aus der heiligen Entschlossenheit, zur Verwirklichung dieses Reiches Gottes auf der ganzen Linie. Das ist es, was den Frieden bringt, dieser Geist der letzten persönlichen Selbstaufopferung, auch um den Preis des eigenen Lebens, wie in Christus am Kreuz zahlte“, so Max Josef Metzger im Jahr 1929. 

Diese Überzeugung, Entschlossenheit und Selbstaufopferung verlangte er von sich selbst. Um wirksam zu werden, musste diese Überzeugung aber Kreise ziehen. Daher sein Bemühen um Verbündete.

Geistesverwandte fand Metzger in der ökumenischen Bewegung. Wenn der Frieden geistig vorbereitet werden muss und das Vorbild und die Ressourcen dafür im Christentum liegen, dann lag es für Metzger nahe, dass Christinnen und Christen gemeinsam auftreten und den Streit zwischen den Konfession beilegen müssten. So nahm er an den ökumenischen Versammlungen jener Zeit teil und vertrat der Überzeugung, dass alle Menschen, die ihrem Gewissen folgen und gut zu leben, versuchten, bereits in einer unsichtbaren Form mit der Kirche Christi verbunden sein.

Er gehörte zur Gründungsgeneration der „Una-Santa-Bewegung“, die damals von der katholischen Kirche noch nicht unterstützt wurde.

Er gründete eine Missionsgesellschaft, eben jene „Missionsgesellschaft vom weißen Kreuz“, ein Säkular-Institut, d.h. einen damals neuen Typ gemeinschaftlichen religiösen Lebens. Einerseits schloss sie diese Gesellschaft an die die damals zeitgenössischen Frömmigkeits¬formen an, andererseits wurde sie mit einem neuen Blick auf die Welt verknüpft. 

Die Verehrung der Hostie, der weißen Hostie mit dem weißen Kreuz, bzw. die Eucharistie-Frömmigkeit verband er mit dem Christus-König-Gedanken, also dem Bewusstsein in der Welt mithelfen zu dürfen, dass Jesus Christus in allem herrscht. 

Nach der Einführung des Christkönigfestes durch Papst Pius XI. 1925, also von nun bald 100 Jahren, wurde folgerichtig die „Missionsgesellschaft vom weißen Kreuz“ 1927 umbenannt in „Christ-Königs-Gesellschaft“. Sie gibt es bis heute als Säkularinstitut in Meitingen bei Augsburg.

Das Leben der Christ-Königs-Gesellschaft wurde genährt durch Anregungen aus der Bibel¬bewegung und der liturgischen Bewegung. Metzger war überzeugt, dass das gemeinsame Lesen der Heiligen Schrift und die Aussprache darüber am ehesten zur Innerlichkeit führen - und erst aus wahrer Innerlichkeit erwächst bekanntlich, fruchtbares Apostolat. 

In der in der Christ-Königs-Gesellschaft angeregte Christ-Königs-Verehrung, standen drei Glaubens-Einsichten im Zentrum: 

1. Christus ist der eigentliche Herrscher der Welt, nicht die scheinbar Mächtigen. 

2. Christus ist gegenwärtig in der Liturgie der Eucharistie.

3. Christus wirkt und regiert in meinem alltäglichen Leben.

Diese drei Gedanken, wenn sie tatsächlich im Leben ergriffen und angenommen werden, setzen eine große Kraft frei. Viele Menschen aus dieser Zeit setzten sich für den Frieden und die Völkerverständigung ein, einige taten es aus dieser Motivation und aus dieser Spiritualität.

Was bedeutet das für uns heute – fast 100 Jahre nach der Einführung des Hochfestes in der ganzen römisch-katholischen Kirche?

1/ Wenn Christus der eigentliche Herrscher der Welt ist, dann bedeutet das Fest Christkönig keine Absage an die politische Form Demokratie, sondern dann geht es eigentlich darum, dass sich niemand an die Stelle Gottes setzen darf, auch kein Politiker.

2/ Dann bedeutet das Fest Christkönig, dass das Zentrum unseres Glaubens die Gegenwart des Herrn in seiner Kirche, aber auch in der Welt ist, in meinem alltäglichen Leben ist - und dass alles in meinem Leben durch seine Weise des Herrschens und des Dienens geprägt sein soll.

Mögen wir uns dieser Gegenwart des Herrn immer wieder bewusst werden! Der Herr ist da!


Zitate und Anregungen aus: Barbara Henze, Zeuge einer anderen Welt. Zur Seligsprechung von Max Josef Metzger, in HK 11/2024, S. 33-36.


Montag, 18. November 2024

Auf der Bühne, vor dem Vorhang


Predigt Manresa, Hamburg 2024 - Dreiunddreißigster Sonntag B

Les: Dan 12,1-3; Hebr 10,11-14.18; Mk 13,23-32

In diesen Tagen geschehen auf der großen politischen Bühne viele Veränderungen, die ich nicht verstehe und nicht durchschauen kann. In Amerika wird ein Präsident gewählt, obwohl viele Intellektuelle und Manager vor ihm warnen. In Deutschland zerbricht die bisherige Regierung und es soll bald neu gewählt werden, obwohl vieles noch zu entscheiden ist in diesem Jahr. In Baku tagt die Weltklimakonferenz zum 29. Mal, obwohl nicht klar ist, welche Folgen die internationalen Entscheidungen überhaupt haben. Wer hat mit wem telefoniert? Ich weiß es nicht.

Dieser Eindruck, dass ich vieles, was auf der politischen Bühne läuft, nicht verstehe und durchschaue, kann zu unterschiedlichen Reaktionen führen. 

1/ Entweder ich bekomme Angst und sehe in all den Krisenmeldungen die Zeichen einer anbrechenden Katastrophe. Es wird alles immer schlimmer, besonders die Erderwärmung ist nicht zu stoppen. Einige spielen mit dieser Angst, wie der neue „Klimathriller“ von Dirk Rossmann und Ralf Hoppe. Doch viele verfallen in Depression, weil man mit Angst nicht gut leben kann: Öko-Angst („eco-anxiety“) ist inzwischen eine anerkannte Krankheit bei jungen Menschen.

2/ Oder ich wende mich einfach ab. Die Nachrichten interessieren mich nicht mehr. Ich kümmere mich um mein eigenes Glück und flüchte in den Konsum oder in den Genuss, und versuche darin Sinn und Erfüllung zu finden.

3/ Es gibt noch eine dritte Variante. Ich erkenne, dass das, was wir sehen, nur ein Teil der Wirklichkeit ist, dass es noch etwas anderes gibt. Dass wir etwas erahnen können, was doch ganz wesentlich unsere Zukunft bestimmt. 

Und ich meine bei dieser dritten Variante jetzt nicht die globalen Verschwörungstheorien, wonach irgendeine geheime Organisation ein weltweiten Plan mit uns verfolgt. Das ist absurd! Oder vielleicht genauer: die Verschwörungstheorien sind die Fehl-Formen einer Sichtweise, die uns tatsächlich helfen könnte. Nämlich einer gläubigen Sicht der Hoffnung!

In der Bibel ist diese Sichtweise überliefert und sie wird Apokalyptik genannt. Wir haben heute in den Lesungen gleich zwei solche apokalyptischen Texte gehört. Apokalyptik meint, dem Wort Sinn nach „Enthüllung“. Diese Schriften offenbaren, was vorher verborgen war. Es geht um Geheimnisse, die erst am Ende der Zeit für alle sichtbar werden, die aber jetzt schon von Bedeutung sind, trotz der immer schwieriger werdenden Situation, in der das Heil sich scheinbar weiter entfernt.

a/ Die erste Lesung ist aus dem Buch Daniel. Das Daniel-Buch wurde in der Zeit der Verfolgung der Juden durch den syrischen Herrscher Antiochos Epiphanes im zweiten Jahrhundert v. Chr. geschrieben. Es behauptet: Das, was die Leser bzw. Hörer im Moment erleben und in noch viel schlimmeren Ausmaß zu erwarten haben, ist nur die eine Seite. Es ist das, was auf der Bühne vor dem Vorhang geschieht: eine Zeit der Not, wie noch keine war. 

Auf der anderen Seite der Bühne jedoch geschieht etwas, das erst später offensichtlich wird: die Rettung des Volkes. Und zwar von jedem, der jetzt schon im „Buch des Lebens“ verzeichnet ist. Mit dieser Rettung geschieht auch Gerechtigkeit, denn es gibt eine Auferstehung von Toten. Gott wird Leben schaffen, wo es im irdischen Sinn keine Gerechtigkeit gab. Das Kriterium ist die Verständigkeit und die Suche nach Gerechtigkeit, jetzt und hier!

Die Pointe ist also: es gibt eine Heilsgeschichte, in die hinein wir verwoben sind; und zwar nicht nur zurück in die Vergangenheit, sondern auch voraus in die Zukunft.

b/ Ebenso gehört das Evangelium zu dieser Form von apokalyptischen Texten, denn es nutzt die Unterscheidung von dem, was man auf der Bühne vor dem Vorhang sieht und was dahinter geschieht. Vorne ist es finster: „In jenen Tagen wird die Sonne verfinstert werden, und der Mond wird nicht mehr scheinen.“ Doch verheißen wird das Licht, das die Wolken durchbricht; und eine weltweite Sammlung der Auserwählten geschieht durch die Engel.

Schon jetzt gibt es Anzeichen dieses neuen Lebens und deshalb braucht es das entsprechende Verhalten von uns. Jesus macht es durch das Gleichnis mit dem Feigenbaum deutlich: Die Zweige und die Blätter am Feigenbaum deuten auf etwas hin, dass man noch nicht sehen kann, und was doch schon verborgen da ist, das Leben in diesem Baum! 

Wie schwer fällt es uns bei all den Kriegen der Dunkelheit und der Gewalt in dieser Welt, diese Zeichen zu sehen und zu erkennen und zu deuten. Doch im Glauben wissen wir, weil wir selbst Teil einer Heilsgeschichte sind, dass nicht nur die Vergangenheit von Gott hier geheilt wird, weil Gott das Leben von Anfang an gewollt hat, sondern dass Gott auch auf Zukunft hin Leben schafft, weil er eben die Auserwählten sammeln und retten wird.

Das bedeutet nicht, dass es die Klimakatastrophe nicht gibt oder dass sie keine Bedeutung für uns hat. Es bedeutet auch nicht, dass uns die Kriege nicht betreffen und wir uns nicht für Frieden einsetzen sollen. Aber es bedeutet, dass Klimakatastrophe und Krieg nicht alles ist, was unser Leben bestimmt.

Jedes Mal, wenn wir her Eucharistie feiern, geschieht diese Offenbarung einer anderen Wirklichkeit. Brot und Wein der Liebe und Hingabe Jesu sind Zeichen dieses neuen Lebens, das in dieser Welt schon verborgen gegenwärtig ist. Wir brauchen keine Angst mehr zu haben! 

Mit Jesus Christus wird der Vorhang im Tempel zerrissen. Wir sehen auf eine neue Weise, dass wir Teil einer großen Geschichte sind, mit Christus und mit anderen verbunden. Die Zeiten kennen wir nicht genau, aber die Zeichen erkennen wir deutlich und wir erwarten, dass es einen Sinn gibt für unser Leben und für das der anderen Menschen. Amen.