Predigt Sechster Sonntag der Osterzeit C 2025, Predigt | Hamburg, Manresa
Les: Apg 15, 1–2.22–29.
Gestern fand in Hamburg ein „Bistumstag“ statt. Denn die Kirche in Hamburg steht vor enormen Herausforderungen, wie sie den Glauben in den nächsten Jahren in dieser internationalen, multikulturellen Stadt und in diesem Bistum leben will und wie sie ihn weitergeben kann.
Auch die frühe Kirche in Jerusalem und Antiochia stand im ersten
Jahrhundert vor enormen Herausforderungen, wie sie den Glauben der kleinen Schar
der Jesus-Freunde in den verschiedenen Kulturen des Mittelmeerraums weitergeben
konnte. Denn die Gruppe aus Galiläa und Jerusalem wuchs in Antiochia zu einer
großen Bewegung, zu der nicht nur Juden gehörten, sondern Nicht-Juden („Heiden“).
Sie kamen aus anderen Völkern und hatten das Evangelium überraschenderweise
angenommen. Sie bekannten Jesus Christus als Sohn Gottes und als Erlöser der
Welt und ließen sich taufen.
Es waren einerseits Menschen, die nach dem jüdischen Gesetz
lebten, die sogenannten „Gottesfürchtigen“. Sie hielten die Speisevorschriften
der Juden ein und ließen sich beschneiden. Es waren anderseits Menschen, die
nicht nach dem jüdischen Gesetz lebten, und trotzdem getauft wurden. In
Antiochia nannte man diese Gemeinschaft aus Juden und Nicht-Juden zum ersten
Mal „Christen“. Und von dort wurden Paulus und Barnabas ausgesandt, und zwar
explizit nicht nur zu den Juden, sondern auch zu den Heiden. Staunend berichtet
Paulus davon. Die Apostelgeschichte ist auf dem Hintergrund dieser großartigen Ereignisse
entstanden.
So kam die Frage auf, was das nun in Zukunft bedeutet. Ob
alle Christen grundsätzlich nach dem Gesetz des Mose leben sollten, weil ja
Jesus so gelebt hat und das Gesetz von ihm nicht aufgehoben wurde. Oder ob es
sozusagen zwei Weisen gibt, zu Christus zu gehören, nämlich als Jude und als Nicht-Jude.
Diese Frage wurde damals den Aposteln und den Ältesten der Gemeinde in
Jerusalem vorgelegt. Davon berichtet der Abschnitt der Apostelgeschichte, den
wir gehört haben.
Die Entscheidung, die damals getroffen wurde, war von großer
Bedeutung. Und zwar sowohl die Weise, wie sie gefunden wurde, als auch der
Inhalt. Denn es ging letztlich darum, wie die Botschaft von Jesus Christus
Menschen nahegebracht werden kann, die einen anderen kulturellen Hintergrund
haben.
Heute haben wir das Ergebnis der Beratungen gehört. Der Weg,
den die junge Kirche gefunden hat, baut auf der jüdischen Tradition auf. Der
jüdischen Tradition zufolge gibt es drei Arten von Lebensregeln mit
unterschiedlichen Adressaten:
a/ erstens gibt es Lebensregeln, die für alle Menschen
gelten, weil alle von Gott geschaffen sind. Dazu gehört zum Beispiel das Verbot
zu töten und andere zu berauben.
b/ zweitens gibt es Lebensregeln, die nur für das Volk
Gottes gelten, insbesondere die Speisegebote, die Beschneidung, oder die Gebote
zur Gottesverehrung, den Sabbat zu heiligen.
c/ und drittens gibt es einzelne wenige Gebote, die den Fremden,
die in Israel wohnten, auferlegt waren. Sie beschreiben ein Mindestmaß an
religiösem Respekt im Umgang miteinander, der sich durch den Schutz der Würde
des Lebens ausdrückt. Es geht also hier nicht um moralische Regeln, sondern es
geht eigentlich um das erste Gebot, um den Respekt vor dem Gott des Lebens; Regeln, die für alle Menschen im Miteinander gelten. Verstöße gegen diese Regeln waren für
Juden damals sozusagen „Triggerpunkte“.
Diese wenigen Regeln werden als das notwendige Mindestmaß im
Umgang miteinander beibehalten. So sehen es auch die Apostel, wenn sie sagen: es
soll "euch keine weitere Last auferlegt werden als diese notwendigen Dinge." Das
bedeutet, diese Dinge kommen nicht hinzu, denn sie gelten von jeher. Sie sind keine
zusätzliche Last, denn diese Regeln ermöglichen das Zusammenleben; es sind eben: „notwendige Dinge“.
Es geht um drei Bereiche des Lebens, die hier angesprochen
werden: Die religiöse Ausrichtung des Lebens, die Achtsamkeit bei der Ernährung
und die Grenzen von Sexualität.
1/ Das Verbot von Götzenopferfleisch. Es meint eine
Erhaltung von dem Nutzen, den ich selbst daraus ziehen kann, dass andere
Menschen ihr Leben falsch ausrichten. In der Sprache der Bibel: Götzen opfern.
Ich selbst darf nicht anderen Göttern opfern, das ist sowieso klar. Aber ich
darf eben auch nicht das gute Fleisch essen, das übrigbleibt, wenn andere
Menschen das tun!
Es ist doch auch heute so: Menschen machen sich unfrei und
opfern ihr Leben für Dinge und Ziele, die dem Leben selbst widersprechen. Was
sind diese Herrschaftsansprüche und Götzen heute die Menschen unfrei machen? „Diese
Wirtschaft tötet“, hat der verstorbene Papst Franziskus im Blick auf die
weltweite Ausbeutung und den Menschenhandel gesagt. Auch wenn wir selbst nicht
an diese Götzen von Konsum und Geld und Erfolg glauben, in welcher Weise
profitieren wir aber davon? Wo setze ich damit meine eigene Freiheit aufs
Spiel?
2/ Das Verbot von Ersticktem und Blut. Es meint Enthaltung
von Nahrung, die ohne Bewusstsein für den Wert des Lebens produziert wurde.
Konkret war es damals so, dass nur geschächtete Tiere gegessen werden durften,
d.h. Tiere, aus denen das Blut vollständig herausgelaufen war. Das Blut ist
nach der jüdischen Vorstellung der Sitz des Lebens, und damit heilig.
Die Achtsamkeit für das, was ich esse, die Achtsamkeit für
die Tierhaltung, eine Lebens- und Ernährungsweise, die die Würde der Schöpfung
respektiert: All dies scheint mir heute aktueller denn je! Zehn Jahre nach der
Veröffentlichung der Enzyklika „Laudato Si“ ist in der Welt schon viel in
dieser Richtung geschehen, aber viel ist noch zu tun. Viel zu oft wird die
Schöpfung ausgebeutet, werden Tiere zu Produktionsgütern. In so vielen Bereichen
unseres Lebens braucht die Gesellschaft eine Umkehr, denn die ökologische Krise
ist zugleich auch eine soziale Krise.
Die Ernährung mit Respekt vor dem Leben der Tiere könnte
tatsächlich ein Schlüssel sein für unseren Weg aus der Krise. Das meint nicht,
dass ich mich künftig nur noch vegan ernähren muss, aber es meint durchaus ein
Bewusstsein für das, was ich esse und wie es produziert wurde.
3/ Schließlich das Verbot von Unzucht (griechisch porneia).
Das meint die Enthaltung von verkehrter Sexualität. Es geht hier nicht um
unmoralisches Verhalten zwischen Menschen, wie zum Beispiel den Ehebruch,
sondern es geht um eine Weise, die Sexualität auszuleben, die der Liebe und dem
menschlichen Leben grundsätzlich widerspricht: sexuelle Gewalt, sexuelle
Ausbeutung, Inzest.
In Israel gab es klare und weitreichende Verbote von sexuellen Beziehungen zwischen Verwandten, die im Buch Levitikus (Lev 17-18) nachzulesen sind, und die nicht nur biologisch zu begründen sind, wie zum Beispiel das Verbot der Ehe mit Verwandten, auch mit Stiefkindern. Auch das klare Verbot, die eigenen Kinder für Dienste an den "Moloch" zu verkaufen, gehört dazu - was auch immer das im Kontext von verkehrter Sexualität zu bedeuten hat! Wenn wir heute auf unsere Gesellschaft blicken, dann scheint mir klar, dass diese Hinweise zu einer Enthaltung von grundsätzlich verkehrter Sexualität sehr aktuell ist!
Keine weiteren Lasten, sondern nur diese notwendigen Dinge,
die den Respekt vor der Würde des Lebens zum Ausdruck bringen: Keinen Nutzen
ziehen aus dem verkehrten Glauben und Verhalten der anderen ziehen, Achtsamkeit
bei der Ernährung und die Grenzen von Sexualität zu respektieren.
Weil unser Gott ein Gott des Lebens ist, deshalb glaube ich,
dass nicht nur die Art und Weise, wie die Apostel damals entschieden haben,
sondern auch der Inhalt für uns heute eine Bedeutung haben. Es geht darum, den
Glauben in einem neuen, anderen kulturellen Kontext zu verkündigen und andere Lebensformen
zu akzeptieren - ohne die Verbindung zu einigen grundlegenden Regeln aus
Respekt vor der Würde des Lebens zu verlieren. Wenn unsere Kirche hier im
Erzbistum Hamburg dies schafft, dann werden wir gut in die Zukunft gehen.
(nach einer Idee von Pater Martin Löwenstein SJ: https://www.martin-loewenstein.de/predigt-6-sonntag-der-osterzeit-c-2022.html)
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