Montag, 19. August 2024

Quelle des Lebens

Bild: Arseny Togulev auf unsplash

Predigt 20. Sonntag im Jahreskreis B | Hamburg

Les: Spr 9,1-6; Eph 5,15-20; Joh 6,51-58 - Exerzitien

Vergangene Woche war ich mit einer Gruppe von Menschen in Exerzitien. Es waren schöne und intensive Tage. Mit Dankbarkeit möchte ich Ihnen heute etwas davon erzählen, denn ich nehme an, dass es den einen oder die andere interessiert, was überhaupt Exerzitien sind und worum es dabei geht. Und wie nebenbei erschließen sich vielleicht die Lesungstexte des heutigen Sonntags etwas mehr.

Schon allein der Name klingt schwierig und kompliziert: „Ignatianische Exerzitien“. Wir sind schon länger auf der Suche nach einem neuen Namen für dieses Angebot der Gottsuche, für die Weise des Betens in der Tradition des Ignatius von Loyola, aber wir haben bisher noch nichts Passendes gefunden. Die Engländer sagen „retreat“ und betonen die Auszeit in einer geschützten Umgebung. Es sind Besinnungstage in einer speziellen Weise, nämlich der eigenen Übung und des Ausprobierens.

Wie joggen, Rad fahren oder schwimmen körperliche Übungen sind, so gibt es auch verschiedene Arten, die Seele achtsamer zu lassen und die inneren Dinge zu ordnen. Dabei hilft das Gebet, das Schweigen, die Ausrichtung auf Gott, einzelne Impulse und Anleitungen. Kurz: es ist wie beim Sport. Man muss es ausprobieren, um zu sehen, was hilft, was für mich passt, und wie es wirkt. Und das eben nicht nur einmal, sondern wiederholt. Nur dann merkt man die Wirkung.

Für viele ist dabei das durchgängige Schweigen zunächst die größte Herausforderung. Den ganzen Tag nicht reden?! Das Schweigen ist eine Reduktion, die vieles andere erst ermöglicht: Die vielen Geräusche um mich herum und in mir wahrzunehmen, die Gedanken, Gefühle und Träume zu ordnen, bei sich selbst bleiben zu können und sich nicht mit den Problemen von anderen zu beschäftigen. Es geht darum, in die Konzentration und in die Kraft zu finden, das Vertrauen einzuüben.

Man kann Exerzitien in einem begrenzten Rahmen auch im Alltag machen, in der gewohnten Umgebung und mit den Pflichten und Sorgen des täglichen Lebens. Eine Auszeit mit Schweigen und mit einer Tagesstruktur, die ein gemeinsames Morgenlob, eine gemeinsame Feier der Eucharistie und vier persönliche Gebetszeiten am Tag ermöglicht, ist selbstverständlich nur in einem Haus und mit der Sorge und Unterstützung von anderen möglich. 

Inhaltlich geht es darum, sich neu auf Gott auszurichten, in Gottes Licht das eigene Leben anzuschauen und in allem ihn zu suchen und zu finden. Exerzitien können dabei helfen, eine Entscheidung vorzubereiten, Übergänge zu gestalten oder sich auf einen neuen Lebensabschnitt einzustellen. Sie können aber auch einfach dazu helfen, neu den Sinn und den Geschmack des Lebens zu finden und im vielerlei der Sorgen und Nöte eine Orientierung.

Gottes Licht in das eigene Leben scheinen zu lassen, meint zunächst einmal: mit Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit wahrzunehmen, was ich geschenkt bekommen habe, was gut ist, wofür ich dankbar bin. Und es bedeutet, sich zu öffnen für das Wort Gottes, die Zuwendung durch die biblischen Texte bzw. durch Jesus selbst, der mich persönlich in meiner Lebenssituation anspricht. Je mehr ich diesem Gott vertraue, umso leichter kann ich mich innerlich loslassen und mich mit meinen Absichten, Handlungen und Betätigungen, mit meinen Gedanken und Gefühlen ihm anvertrauen. In unserem Alltag sind wir oft zu viel im Kopf, in den Gedanken. Jetzt geschieht es vielleicht, dass wir auch die Gefühle annehmen können, auf das Herz hören, den ganzen Menschen wahrnehmen.

Die Exerzitien diesmal standen unter dem Psalmwort: „Denn bei dir ist die Quelle des Lebens.“ (Ps 36). Die eigenen Ressourcen spielen im Leben eine große Rolle und darauf zu achten, sich daran zu orientieren, was ich habe und was ich gut kann, ist oft eine große Hilfe. Gleichzeitig bleibt im Glauben die Einladung, egal welche Ressourcen ich habe, immer wieder zur Quelle selbst zu gehen und daraus zu schöpfen. Die Texte des heutigen Sonntags höre ich wie eine große Einladung an sie alle, das einmal auszuprobieren.

1/ In der ersten Lesung die Einladung der Weisheit in die Stadtburg, gerade an die unerfahrenen und unwissenden, zu einem Festmahl: sich geistlich näheren zu lassen und Einsicht zu gewinnen.

2/ In der zweiten Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Ephesus, die Mahnung, das Leben klug zu führen, die Zeit zu nutzen und den Willen Gottes zu suchen. „Lasst euch vom Geist erfüllen!“ Was gibt es Schöneres, um ins Leben zu finden, als sich von Gottes Geist erfüllen zu lassen?!

3/ Und im Evangelium schließlich die Frage bzw. der Streit darüber, ob und wie Jesus das Brot des Lebens für die seinen ist, wie er sein Fleisch geben kann. „Das Wort ist Fleisch geworden“: das meint für den Evangelisten Johannes, dass Gott uns in Jesus Christus, in unserer Geschichte, d.h. ganz konkret und menschlich, in Fleisch und Blut, nahe gekommen ist. Glaube das ist nicht irgendeine Idee oder Fantasie, sondern das hat etwas mit der Geschichte hier auf der Erde zu tun, mit unserem Miteinander, mit unserem Alltag. Exerzitien wollen dabei helfen, dass das Wort Fleisch werden kann, d.h. dass mein Glaube und mein Leben zusammenfinden, dass der ganze Mensch Christ wird und nicht nur ein frommer Teil, dass der Glaube lebendig wird in der Beziehung zu Jesus.

Für den Evangelisten Johannes ist klar, dass dieses auf besondere, sakramentale Weise in der Eucharistiefeier am Sonntag geschieht, wenn wir seinen Leib und sein Blut empfangen. Aber er sagt das eben nicht explizit, weil es um eine geistliche Deutung geht, um einen lebendigen Glauben an seine Gegenwart, nicht um einen magischen Glauben. Exerzitien können dazu helfen, Glauben und Leben miteinander zu verbinden. Davon konnte ich mich letzte Woche einmal mehr überzeugen lassen.

Pater Görtz hat mit dem Gemeindeteam eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um im nächsten Jahr „Exerzitien in der Stadt“ anzubieten, d.h. hier vor Ort in Hamburg und ohne große Häuser, aber doch mit der Motivation, eine persönliche Suche durch Übungen und Gebet anzuleiten. Bitten wir den Herrn, dass diese Initiative Frucht bringen möge und dass Menschen, den Mut finden im Gebet und in den Übungen den Herrn zu suchen und zu finden. 

„Geistliche Übungen anzubieten bedeutet, zu einer Gotteserfahrung einzuladen, zu einer Erfahrung seiner Liebe und seiner Schönheit. Wer die Exerzitien authentisch erlebt, erfährt die Anziehungskraft, die Faszination Gottes und kehrt erneuert, verwandelt in das Alltagsleben, in seinen Dienst, in die alltäglichen Beziehungen zurück und bringt den Wohlgeruch Christi mit. Die Menschen unserer Zeit brauchen die Begegnung mit Gott und eine Kenntnis nicht nur vom Hörensagen.“ (Papst Franziskus, 3.3.2014)


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