Predigt
Dritter Sonntag der Osterzeit C | Hamburg 2025
Les: Apg 5,27b-32.40b-41; Offb 5,11-14; Joh 21,1-19
Der auferstandene Herr Jesus Christus spricht Petrus an, ganz persönlich: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ (21,16). Wie wäre das, wenn der auferstanden Herr Jesus Christus Sie ganz persönlich anspricht: Katharina, Christian, Susanne, Benedikt, Barbara, Christoph - liebst du mich? Wie würden Sie reagieren?
Vielleicht probieren Sie es mal
aus, sich das vorzustellen: Jesus Christus kommt auf Sie zu. Spricht er Sie von
vorne an oder eher von der Seite? Von oben oder auf Augenhöhe? Wie ist sein
Blick, wenn er Sie anschaut? Liebevoll oder skeptisch? Voll Vertrauen oder
fragend, flehend? Und was würden Sie auf seine Frage antworten? […]
Vielleicht geht es Ihnen gerade
so wie es Simon Petrus ging, dass sie nicht recht wissen, was sie Jesus
ehrlicherweise antworten sollen und können. „Liebst du mich?“ Was für eine
Frage! Und dreimal dieselbe Frage? Ist da jemand schwerhörig, oder schwer von Kapee?
Und was bedeutet die Antwort des Simon? Ist es ein dreifaches Ja? Aber warum
wird Petrus dann traurig? (21,17)
Die Textstelle wird selten im
Gottesdienst gelesen. Sie ist tatsächlich nicht so leicht zu verstehen. Es gibt
verschiedene Wortpaare bzw. Ausdrücke, die scheinbar dasselbe bezeichnen:
Schafe / Lämmer oder hüten / weiden oder wissen / erkennen oder lieben / liebhaben.
Ist das alles das gleiche?
Wer das Evangelium des Johannes
kennt und seinen Sinn für Sprache, der ahnt: hier geht es um wesentliche
Nuancen, die Wörter bedeuten eben nicht alle das gleiche. Johannes kennt das Alte
Testament sehr gut und das hilft uns, dieses Evangelium selbst besser zu
verstehen.
Das Wortfeld vom Hirten, kommt
zum Beispiel im Buch Ezechiel mehrfach vor. Dort ist vom göttlichen
Hirtenauftrag an die Führung des Gottesvolkes die Rede, an die Ältesten und die
Priester. Sie sollen für die Herde sorgen, die ihnen anvertraut ist. Sie sollen
die Starken (die Schafe) nicht ausbeuten, sie sollen sie hüten. Und sie sollen
die Schwachen und Kleinen (die Lämmer), pflegen und weiden, sie sollen sie
füttern und päppeln. Schafe hüten und Lämmer weiden. Nicht für alle das
gleiche, sondern jedem das Seine - das ist wirklich Gerechtigkeit!
Auch wissen und erkennen ist
nicht das gleiche. Wissen bezieht sich auf etwas, dass mir seit langem bekannt
ist, was ich weiß. Erkennen ist punktuell, der Moment, in dem sich mein Wissen
verändert.
Und schließlich: lieben und
liebhaben ist nicht das gleiche. Wenn sie ihr Partner oder ihre Partnerin fragt:
„Liebst du mich?“ Und sie antworten: „ich hab‘ dich lieb“ oder griechisch: „ich
bin gern dein Freund“, dann werden beide spüren: Da stimmt etwas nicht. Freundschaft
ist großartig. Sich gernhaben ist schön. Aber Liebe ist irgendwie mehr als
Freundschaft: eine besondere Freundschaft, bei dir das eigene Leben eingesetzt
wird.
Darum geht es doch Jesus bei
seiner Frage an Petrus. Er sagt ihm: wir sind Freunde, und wir bleiben es,
trotz allem, was passiert ist, trotzdem du mich verraten hast. Aber wirst du auch
dein Leben hingeben für mich, so, wie ich es für dich getan habe? Beim
Abendmahl hatte Jesus gesagt, ich nenne euch Freunde und am Kreuz hat er sein
Leben für sie hingegeben aus Liebe.
Deshalb die erste Frage: „Simon, Sohn
des Johannes, liebst du mich mehr als diese?“ (21,15). Damit kann gemeint sein:
„Liebst du mich mehr, als du diese liebst?“ oder auch: „Liebst du mich mehr,
als diese mich lieben?“ Wie auch immer: Petrus zögert. Er weiß nicht, was er
sagen soll. Er möchte dieses Mal ehrlich sein. Er sagt: „Du weißt, dass ich
dich gernhabe, dass ich dir freund bin.“ Er gesteht seine Begrenztheit seine Schwäche.
Aber Jesus fragt weiter und gibt
nicht auf. Er reduziert die Frage: na gut, wenn du mich nicht mehr liebst als
die anderen mich lieben, was ich gedacht und gehofft habe: liebst du mich denn
überhaupt? Und wieder erreicht Petrus mit seiner Antwort nicht die Güte und
Liebe, die ihm von Jesus entgegenkommt und geschenkt wird. Seine Antwort ist
die gleiche: „Ja, du weißt, dass ich dir freund bin.“ Ob Jesus enttäuscht war,
ob dieser kleingläubigen Antwort? Er fragt jedenfalls noch ein drittes Mal, und
er begibt sich auf das Niveau von Petrus. Er will nichts erzwingen. Petrus ist
ehrlich aber begrenzt, die Liebe fehlt. Und so fragt Jesus: „Simon, bist du mir
freund?“ Und da kann Simon aus ganzem Herzen „Ja“ sagen. Aber zugleich wird er
traurig, weil er sieht, dass Jesus erkannt hat, wie klein und begrenzt seine
Liebe ist. Es ist eine für Petrus beschämende Erkenntnis, angesichts der
Freundschaft und Liebe Jesu zu ihm und zu den anderen Jüngern.
Das Evangelium bleibt nicht bei
der Traurigkeit und der Erkenntnis und der eigenen Begrenztheit stehen, sondern
Jesus gibt Petrus einen Auftrag und er zeigt ihm den Weg, wie er in der Liebe
wachsen kann. Er sagt zu ihm: „Weide meine Lämmer, hüte meine Schafe, weide
meine Schafe.“ Er schickt ihn in die Pastoral. Er soll Pastor werden. Es sind
Jesu Schafe und Jesu Lämmer, um die er sich kümmern soll. Er soll sich mehr um
das Leben der anderen Sorgen als um das eigene Leben. Das ist das Heilmittel,
das Jesus ihm schenkt. Weg von der Nabelschau, nicht mehr den Blick auf die
eigene Schwäche, die eigenen Grenzen zu richten, sondern auf die Nöte und
Sorgen der anderen.
Und Jesus macht ihm zugleich eine
Verheißung: Auch wenn deine Liebe jetzt noch begrenzt ist, es wird der Moment
kommen, indem deine Liebe groß genug ist, dein Leben hinzugeben für die anderen
und für mich.
Jesus verspricht Petrus das Martyrium.
Er deutet an, durch welchen Tod Petrus Gott verherrlichen wird, wenn er sagt,
dass er geführt werden wird, wohin er nicht will. Seine Lebenshingabe wird
kommen, nach der Sorge und der Hingabe und dem Dienst an die anderen. Der
heilige Augustinus schreibt: Petrus wird sein Leben hingeben, in Liebe für
Jesus, mit dem zu sterben er beim Abendmahl in „verdrehter Voreiligkeit“
versprochen hatte.
Dreimal die Frage nach der Liebe.
Was würden wir Jesus antworten? Und wenn wir noch nicht aus vollem Herzen und
mit ganzer Hingabe „ja“ sagen können, wird es vielleicht auch uns helfen, mal
mehr auf die anderen zu achten und ihre Sorgen zu teilen. Die anderen Menschen der
Sorge Jesu anzuvertrauen und selbst einen kleinen Dienst übernehmen. Es gibt so
viele Menschen um uns, die keinen Hirten haben. Amen.
Text Joh 21,15-17 (Dieter Böhler):
Als sie nun gegessen hatten, sagt
Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?
Er sagt zu ihm: “Ja, Herr, du weißt, dass ich dir freund bin.” Er sagt zu ihm:
“Weide meine Lämmer!” Er sagt zu ihm wiederum, ein zweites Mal: “Simon, Sohn
des Johannes, liebst du mich?” Er sagt zu ihm: “Ja, Herr, du weißt, dass ich
dir freund bin.” Er sagt zu ihm: “Hüte meine Schafe!” Er sagt zu ihm das dritte
Mal: “Simon, Sohn des Johannes, du bist mir freund?” Da wurde Petrus traurig,
weil er ihm beim dritten Mal sagte “Du bist mir freund?” und sagt zu ihm:
“Herr, du weißt alles, du erkennst, dass ich dir freund bin.” [Jesus]23 sagt zu
ihm: “Weide meine Schafe! Amen, amen, ich sage dir: als du jünger warst, hast
du dich selbst gegürtet und bist hingegangen, wohin du wolltest. Wenn du aber
älter geworden sein wirst, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer
wird dich gürten und hinbringen, wohin du nicht willst.“ Das aber sagte er um
zu bezeichnen, durch welchen Tod er Gott verherrlichen werde. Und indem er das
sagte, sagt er zu ihm: “Folge mir!”
Vgl. Dieter Böhler, Liebe und Freundschaft im Johannesevangelium. Zum
alttestamentlichen Hintergrund von Joh 21,15-19, in: Biblica 96/2015, H.4, S.
599-608.
Danke für diese ermutigende Predigt!
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