in diesem Jahr feiern wir mit dem AKO-Fest den 450. Geburtstag unseres Kollegspatrons, des hl. Aloisius von Gonzaga. Er wurde am 9. März 1568 im Norden Italiens als erster Sohn des Grafen von Castiglione geboren. Er war ein begabter junger Mann und lebte in bewegten Zeiten. In seinem kurzen und intensiven Leben zeigte er eine überraschende Offenheit für Gott und bezeugte mit seinem Dienst an den Kranken, was Nächstenliebe bedeutet. Die Kirche sieht in ihm ein Vorbild der Jugend und ehrt ihn als Schutzpatron der AIDS-Kranken.
Aloisius - ein Vorbild? So ernst und unnahbar, wie er euch als Marmorfigur jeden Tag im Foyer begegnet, so dass man sich fragt, ob er wohl jemals gelacht hat? Oder so nobel, wie er auf der Medaille begegnet, die bis zum letzten Jahr an alle Abiturienten zusammen mit dem Zeugnis ausgeteilt wurde, ganz der Adelige mit seinem Wahlspruch „ad majora natus sum“ – ich bin zu Größerem geboren. Aloisius als ein Vorbild für heute?
Es ist interessant zu hören, was junge Menschen in Klasse 8 im Religionsunterricht als ihre Vorbilder benennen: Viele Schüler sagten, dass ihre Eltern ihre Vorbilder seien, die ihnen Kraft und Orientierung geben. Andere nannten berühmte Persönlichkeiten, Sängerinnen (Lena Meyer-Landrut zum Beispiel) oder aktuelle Fußballstars. Viele konnten jedoch kein Vorbild finden, in einer Zeit, die schwierig und unübersichtlich wird. Das ist m.E. ein wichtiger Hinweis für die Eltern und Pädagogen heute: Denn ich bin überzeugt, dass es wichtig ist für die Bildung und Erziehung von jungen Menschen, dass es neben den Eltern auch andere überzeugende, glaubwürdige Vorbilder gibt.
Erziehung gelingt doch nicht, in dem wir den Kindern Gesetze beibringen, was sie zu tun und zu lassen haben, um erfolgreich zu sein, Zucht und Ordnung, ihren Willen brechen – sondern Erziehung gelingt durch das Vorbild des Erziehenden, durch eine Perspektive, die eröffnet wird, durch ein Ziel, für das ich mich öffne, durch einen Meister, an dem ich mich orientieren kann – pädagogisch gesprochen am Modell. Um es mit Albert Einstein zu sagen: „Es gibt keine andere vernünftige Erziehung, als Vorbild zu sein – und wenn’s nicht anders geht, ein abschreckendes.“
Auch Aloisius suchte zu seiner Zeit als junger Mann ein Vorbild – und er fand keines. Das ist vielleicht der entscheidende Punkt seines Lebens. Er wuchs in einer christlichen Familie auf. Seine Mutter betete mit ihm, sein Vater las ihm die Briefe der Jesuitenmissionare aus aller Welt vor. Tatsächlich aber war seine Umgebung, sein zu Hause und der florentinische Hof, an dem er als Page aufwuchs, vor allem an Reichtum, Ehre und Macht orientiert. Es ging um Geld, um Sex, um Ehrgeiz, um Gewalt. Sein Vater war der Spielsucht verfallen, weswegen Aloisius mehrfach Briefe an seine Verwandtschaft schreiben musste, sie mögen die Schulden begleichen. Aloisius, der Sohn des Markgrafen, der Prinz des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, sollte lernen, ein mächtiger Mann zu werden. Aber das alles reizte ihn nicht, im Gegenteil, es ekelte ihn an. Er hatte im Gebet und im Glauben an Jesus Christus etwas ganz anderes, tieferes, schöneres gefunden, das ihn faszinierte. Die Lebensweise Jesu zog ihn an, dafür wollte er sein Leben hingeben. Gegen den Widerstand seines Vaters setze er es durch, dass er in den Jesuitenorden eintreten durfte.
In mancher Hinsicht ist die religiöse Suche des jungen Aloisius übertrieben. Er fastete regelmäßig, besonders mittwochs und freitags, dann nahm er nur Wasser und Brot zu sich. Er betete viele Stunden, stand nachts auf und kniete vor seinem Bett stundenlang auf dem kalten Steinboden. Schon mit neun Jahren legte er das Gelübde der Keuschheit ab, d.h. dass er sein ganzes Leben lang keinen Sex haben wollte. Wenn eine junge Frau in seine Nähe kam, schaute er sie nicht an. Total verklemmt würden wir heute sagen. Tatsächlich was dieses Verhalten selbst für die damalige Zeit ungewöhnlich streng, umso mehr als er offenbar ein feuriges italienisches Temperament hatte. Doch diese Strenge zeigt, wie sehr er auf der Suche war und wie wenig er bei dieser Suche gute Ratgeber und Begleiter hatte. Einer der wenigen, die ihn verstanden und unterstützten war der Bischof von Mailand, Karl Borromäus, bei dem er im Alter von 12 Jahren zu ersten heiligen Kommunion ging. Vorher hatte niemand daran gedacht. Aloisius hat die Kurve gekriegt. In der Ordensgemeinschaft, im Studium und im Dienst am Nächsten, in der Pflege der Pestkranken, hat er seine Aufgabe, seine Berufung gefunden. Das hat ihn froh gemacht und so konnte er mit 23 Jahren sterben.
Ja, Aloisius ist ein Vorbild für die Jugend. In seiner Offenheit für Gott, in seiner inneren Freiheit und in seiner tätigen Nächstenliebe. Vor allem aber, glaube ich, ist er für die Eltern und Pädagogen eine lebendige Mahnung, dass junge Menschen gute Vorbilder brauchen, wenn sie ihre Berufung und ihren Weg finden wollen.
Erstens mahnt er uns, dass wir den jungen Menschen zuhören sollen. Wie können wir besser verstehen, was sie sagen wollen? Wie können wir ihnen helfen, im Glauben und in der Liebe zu Christus zu wachsen, wenn „sie sich mit einem ähnlichen Mut wie Aloisius den Idolen der dominierenden Kultur entgegenstellen“ möchten. Wie können wir die Jugendlichen ermutigen, alle Arten von Angst und Zorn in unserer Gesellschaft zu überwinden, um hilfsbedürftigen Menschen Aufnahme, Vertrauen und Mitgefühl auszudrücken? Wenn es darum geht, zu unterscheiden, was im Leben wichtig ist, braucht neben der Kenntnis von Regeln und Gesetzen eine grundlegende Orientierung und Herzensbildung; das wird dann schnell ganz konkret.
Zweitens mahnt er uns, die große Würde und Berufung der jungen Menschen ernst zu nehmen. „Ad majora natus sum“ – damit ist eben nicht Reichtum, Ehre und Macht gemeint, sondern im Gegenteil: die eigene Berufung, die wir finden und leben können - das ist etwas Größeres. Kurt Hahn, ein Reformpädagoge des letzten Jahrhunderts hat es in einem der sieben Salemer Gesetze so ausgedrückt: „Erlöst die Söhne reicher und mächtiger Eltern von dem entnervenden Gefühl der Privilegiertheit.“ Ich bin zu größerem geboren – zu werden zu dem, der ich in den Augen Gottes bin und wie Gott mich gemeint hat. Wir dürfen vor Gott und in Gemeinschaft mit ihm leben!
Zum Schluss möchte ich Ihnen gerne ein Beispiel erzählen: Im letzten Monat war ich mit einer Gruppe der Q1 in Taizé. Der einfache Lebensstil, der andere Tagesrhythmus und die Verschiedenheit der Menschen haben einige Jugendliche zu Beginn sehr irritiert. Doch nach ein paar Tagen änderte sich das und es wuchs die Erkenntnis: Ich kann das, was ich vorher nicht für möglich gehalten habe. Ich kann mit einer kleinen Portion Essen am Tag auskommen, ich kann im Zelt schlafen, ich kann zehn Minuten still in der Kirche sein, ich kann mit anderen Jugendlichen ohne Stress zusammenleben und Spaß haben. Ich kann anders leben, als ich es bisher gedacht habe.
Aloisius ist ein Patron für diese innere Freiheit, für „Ganz anders ist möglich-Erfahrungen“. Möge er sein Kolleg hier in Godesberg schützen und möge er einen jeden von Euch inspirieren, seine Berufung und seinen Weg zu finden. „Herr, Du allein weißt, wie mein Leben gelingen kann. Lehre mich, in der Stille Deiner Gegenwart das Geheimnis zu verstehen, wie in der Begegnung mit Dir, wie in Deinem Anblick und in Deinem Wort Menschen sich erkannt haben als Dein Bild und Gleichnis. Hilf mir loszulassen, was mich daran hindert, Dir zu begegnen und mich von Deinem Wort ergreifen zu lassen. Hilf mir zuzulassen, was in mir Mensch werden will nach dem Bild und Gleichnis, das Du Dir von mir gemacht hast. AMEN“
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